Datenanalyse-Programm aus den USA
Verfassungsbeschwerde gegen Palantir
Bayerns Polizei setzt auf ein Datenanalyse-Programm aus den USA, um bei Gefahren schneller reagieren zu können. Hält sich der Staat dabei an die Regeln vom Bundesverfassungsgericht?

© dpa/Andrej Sokolow
Die Polizei-Software der US-Firma Palantir steht in der Kritik (Archivbild)
Von David Wirth/dpa/lby
Die in Bayern eingesetzte Polizei-Software der US-Firma Palantir soll bald das Bundesverfassungsgericht beschäftigen - und auch in Baden-Württemberg gibt es Ärger um die Datenanalyse-Software. Der Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) teilte mit, mit weiteren Beteiligten eine Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz des Programms eingelegt zu haben. Die massenhafte Auswertung von Daten verletze unter anderem das Grundrecht, über die eigenen Daten zu bestimmen, und das Fernmeldegeheimnis, argumentieren die Beschwerdeführer. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ darüber berichtet.
Das Bundesverfassungsgericht hatte schon Anfang 2023 in einem Urteil Leitplanken für den Einsatz solcher Analyse-Programme gesetzt – damals nach Beschwerden gegen die gesetzlichen Regeln dafür in Hessen und Hamburg. Bayerns Polizei arbeitete zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Software – seit knapp einem Jahr aber schon.
Die GFF kritisierte, der Freistaat halte sich nun nicht an die vom Verfassungsgericht formulierten Regeln. Es fehle an wirksamen Kontrollen beim Einsatz, auch ein Schutz vor Fehlern der Software sei nicht gewährleistet.
Zugriff auf Millionen Daten – nicht nur von Verdächtigen
Mit der verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform (VeRA) können bayerische Ermittler Millionen Daten aus verschiedenen Quellen auswerten und verknüpfen, die teils in unterschiedlichen Formaten abgespeichert sind. Das Programm hat nur Zugriff auf Informationen, die Bayerns Polizei ohnehin schon gesammelt hat.
Viele Menschen, von denen dort Daten erfasst sind, sind aber keine Verdächtigen – sondern Zeugen, Opfer oder Auskunftspersonen. „Schon wer Anzeige erstattet, Opfer einer Straftat wird oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort ist, kann durch die Software ins Visier der Polizei geraten“, kritisierte die Verfahrenskoordinatorin der GFF, die Juristin Franziska Görlitz.
Polizei sieht in Palantir „ideales Werkzeug“
Laut bayerischem Landeskriminalamt (LKA) wird die Software nur bei Fällen von schwerer und schwerster Kriminalität eingesetzt – und nur, um mögliche Straftaten zu verhindern. Beispiele sind Terroranschläge, organisierter Drogenhandel, bandenmäßiger Telefonbetrug, Sexualdelikte und Kinderpornografie. Je nach Schwere der drohenden Straftat dürfen die Beamten sensiblere Daten abfragen. Nur um Straftaten im Nachhinein aufzuklären, darf die Software nicht genutzt werden.
Seit Anfang September kam VeRA laut LKA 97 Mal zum Einsatz – in welchen Fällen wollte ein LKA-Sprecher auf Nachfrage nicht sagen. Rund 200 dafür geschulte Analysten arbeiten demnach mit der Plattform. „Bis dato gab es weder betriebsverhindernde technische Störungen noch datenschutzrechtliche Problemstellungen“, sagte der LKA-Sprecher.
Anfragen der Beamten zu Informationen, die früher teils mehrere Tage gedauert hätten, seien „nach wenigen Minuten“ erledigt. Er bezeichnete die Software als ideales Werkzeug für die Polizei. Auch andere Bundesländer hatten sich zuletzt mit dem Einsatz des Programms beschäftigt. CDU und CSU hatten auch einen Einsatz auf Bundesebene gefordert, waren damit aber im Bundestag gescheitert – damals noch in der Opposition.
Datenabfluss durch Palantir?
Kritik an der Software war auch wegen ihres Herstellers laut geworden: Die Firma Palantir, die auch den US-Geheimdienst CIA zu ihren Kunden zählt, wurde vom Milliardär Peter Thiel gegründet, der bereits den ersten Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump mit großen Summen mitfinanziert hatte. Der Chaos Computer Club, der die Beschwerde in Karlsruhe unterstützt, kritisierte, die bayerische Polizei mache sich durch den Einsatz von VeRA auf Jahre von „einer absichtlich undurchschaubaren Software“ abhängig.
Datenschützer hatten in der Vergangenheit auch die Sorge geäußert, dass Polizei-Daten in die USA abfließen könnten. Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie prüfte im Auftrag vom LKA daraufhin den Quellcode der Software – und fand keine Hinweise auf versteckte Hintertüren.