Verhaftungen nach Flugzeugabschuss im Iran

dpa Teheran. Der Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine hat im Iran eine politische Krise ausgelöst. Und das ausgerechnet wenige Wochen vor dem 41. Jahrestag der Revolution und der Parlamentswahl.

Beim Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine starben 176 Menschen. Foto: Aref Fathi/dpa

Beim Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine starben 176 Menschen. Foto: Aref Fathi/dpa

Nach dem Abschuss eines ukrainischen Flugzeugs mit 176 Menschen an Bord nahe Teheran sind nach Angaben der iranischen Justiz „einige“ Personen verhaftet worden.

„Wir haben intensive Ermittlungen durchgeführt und einige wurden in diesem Zusammenhang verhaftet“, sagte Justizsprecher Gholam-Hussein Ismaili laut Nachrichtenagentur Isna. Das ukrainische Flugzeug war am 8. Januar inmitten der militärischen Konfrontation mit den USA nach iranischen Angaben irrtümlich abgeschossen worden. Zunächst hatten die iranischen Behörden tagelang von einem technischen Defekt gesprochen. Keiner der 176 Menschen an Bord überlebte.

Aus welchen Institutionen und Abteilungen die Verhafteten kommen, sagte der Sprecher nicht. Der Fall sei kompliziert und man müsse in viele Richtungen ermitteln, um zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Nach Angaben des Webportals Khabar Online soll derjenige, der den Abschuss der ukrainischen Maschine gefilmt hat, in Robat-Karim südlich von Teheran verhaftet worden sein. Sein Video soll einer der Beweise für den Abschuss der Maschine gewesen sein. Über die Verhaftung berichtete laut Khabar Online das Nachrichtenportal Nour-News, amtliche Quellen bestätigten sie aber noch nicht.

Der iranische Präsident Hassan Ruhani forderte eine lückenlose Aufklärung der Abschussumstände. „Dieser Fall ist kein normaler Fall, und er muss von einem Sondergericht und verschiedenen Experten gründlich und lückenlos untersucht werden“, sagte Ruhani. Alle Einzelheiten sollten transparent untersucht und publik gemacht werden, egal wie das Ergebnis ausfällt. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. „Wir müssen dafür sorgen, dass so eine Tragödie in unserem Land nie wieder passiert“, sagte Ruhani laut dem Webportal des Präsidialamts.

Er könne nicht akzeptieren, dass lediglich eine Person, „die auf den Knopf gedrückt hat“, alleine verantwortlich für das Unglück sei. Auch andere Abteilungen und Organisationen trügen eine Mitschuld. Genau dies müsse in den Ermittlungen klargestellt werden, sagte Ruhani. Es gehe nicht nur um 176 unschuldige Opfer des Unglücks, sondern um die zukünftige Sicherheit des Landes. Er bedauere den Vorfall zutiefst und habe den Staatschefs der vom Unglück betroffenen Staaten telefonisch eine lückenlose Aufklärung versprochen.

Nach Angaben der staatlichen Gerichtsmedizin wurden bis zum Nachmittag 100 der 176 Leichen identifiziert und können nun den Familien übergeben werden. Wie ein Polizeisprecher laut Nachrichtenagentur Isna sagte, mussten diverse DNA-Tests vorgenommen werden. Der Sprecher nannte keine Details zur Nationalität der identifizierten Leichen. In der Maschine befanden sich nach iranischen Angaben 147 iranische Passagiere, unter ihnen auch Doppelstaatsbürger, sowie 29 aus der Ukraine, Kanada, Schweden und Afghanistan.

Der Abschuss der Maschine und besonders die Vertuschung der Fakten führten zu Protesten in Teheran und mehreren anderen Städten. Dabei sollen nach Angaben des Justizsprechers etwa 30 Demonstranten festgenommen worden sein. Die Demonstranten fordern eine Bestrafung der Verantwortlichen, einige sogar den Rücktritt der iranischen Führung, weil die sie mit falschen Informationen betrogen habe.

Regierungssprecher Ali Rabiei bestritt am Montag, die Fakten über den Abschuss vertuscht zu haben. Sogar Präsident Ruhani habe erst zwei Tage nach dem Unglück erfahren, dass die Maschine abgeschossen worden sei. Aber auch dieses Dementi führte zu heftiger Kritik in den sozialen Medien. Da passiere eine Katastrophe im Land ... und der Präsident wisse nichts davon, merkten viele iranische User sarkastisch an.

Die Kritik der Iraner richtet sich aber auch gegen die staatlichen Medien, besonders den Fernsehsender IRIB. IRIB habe tagelang über den Fall gelogen. Mindestens drei Moderatorinnen haben ihre Arbeit bei IRIB gekündigt, weil sie nach eigenen Angaben die Menschen nicht mehr anlügen wollten. IRIB jedoch argumentiert, der Sender habe seine Informationen über amtliche Quellen erhalten und daher keine Schuld.

Der Abschuss der Maschine und die Proteste der Menschen lösten im Iran eine politisch Krise aus. Die Auswirkungen könnten sich schon nächsten Monat zeigen. Im Februar feiert der Iran den 41. Jahrestag seiner islamischen Revolution. Ob die Kundgebungen so solidarisch ablaufen wie in den vergangenen Jahren, ist fraglich. Außerdem findet im Februar das wichtigste Filmfestival des Landes statt. Viele Filmemacher, Produzenten und Schauspieler wollen aber aus Protest an dem Festival nicht teilnehmen.

Am wichtigsten ist jedoch die Parlamentswahl am 21. Februar. Beobachter glauben, dass die Wahlbeteiligung wegen der Proteste enorm niedrig sein wird. Davon würden ihrer Meinung nach die Kandidaten der Hardliner und Erzkonservativen profitieren, da deren Anhänger auf jeden Fall an der Wahl teilnehmen werden.

Demonstrantinnen erinnern mit weißen Blumen an die Opfer des Flugzeugabschusses, während Sicherheitskräfte Tränengas in ihre Richtung schießen. Foto: AP/dpa

Demonstrantinnen erinnern mit weißen Blumen an die Opfer des Flugzeugabschusses, während Sicherheitskräfte Tränengas in ihre Richtung schießen. Foto: AP/dpa

Polizisten stehen Demonstranten vor einer Universität in Teheran gegenüber. Foto: AP/dpa

Polizisten stehen Demonstranten vor einer Universität in Teheran gegenüber. Foto: AP/dpa

Schon in den Tagen nach dem versehentlichen Abschuss der Linienmaschine hatten Hunderte Menschen gegen die Führung der Islamischen Republik protestiert. Foto: Mona Hoobehfekr/Iranian Students' News Agency, ISNA/AP/dpa

Schon in den Tagen nach dem versehentlichen Abschuss der Linienmaschine hatten Hunderte Menschen gegen die Führung der Islamischen Republik protestiert. Foto: Mona Hoobehfekr/Iranian Students' News Agency, ISNA/AP/dpa

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Erstellt:
14. Januar 2020, 10:51 Uhr

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