Verhaltene Bilanz des Weihnachtsgeschäfts

Einzelhändler aus der Region erleben ihre zweite Vorweihnachtszeit unter den erschwerten Bedingungen durch die Coronapandemie. Die Nachfrage ist schwächer als normal und die Kunden sind vorsichtig, so ihre Erfahrungen.

Die Taschen voller Weihnachtsgeschenke? Bei der Kauflust ihrer Kunden verzeichnen die lokalen Händler Zurückhaltung. Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Die Taschen voller Weihnachtsgeschenke? Bei der Kauflust ihrer Kunden verzeichnen die lokalen Händler Zurückhaltung. Foto: T. Sellmaier

Von Lorena Greppo

Backnang/MURRHARDT. Hohe Infektionszahlen, strenge Regeln für den Einzelhandel – die Voraussetzungen für ein brummendes Weihnachtsgeschäft waren schon besser. Wenig verwunderlich ist es daher, dass die Einzelhändler ein durchwachsenes Fazit der vergangenen Wochen ziehen. „Die langen Samstage waren eher ruhig. Das Drumherum bremst merklich aus“, berichtet Sigrid Göttlich, Vorsitzende des Backnanger Stadtmarketingvereins. „Die typischen Weihnachtseinkäufe habe ich kaum erlebt.“ Es sei zu spüren, dass der eine oder andere unsicher ist, deshalb den kürzeren Weg wählt und seine Geschenke online besorgt. Sie selbst sei in der glücklichen Lage, auf ihre Stammkundschaft zählen zu können. „Ich fühle mich von den Backnangern getragen“, sagt die Inhaberin des Modehauses Accente. Gleichzeitig macht sie aber klar: Was den Umsatz angeht, liegt auch ihr Geschäft deutlich unter dem Wert von 2019.

Ähnlich sieht es bei Martin Windmüller aus. Im Vergleich zum vergangenen Jahr habe er in diesem Dezember womöglich ein Umsatzplus zu verzeichnen, sagt der Inhaber des gleichnamigen Betten- und Wäschehauses. „Das ist aber Augenwischerei, denn 2020 hatten wir ab dem 16. Dezember geschlossen“, erklärt er. Allerdings, führt Windmüller an, habe man im vergangenen Jahr zu dieser Zeit noch einen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent gehabt. Das habe den Kauf größerer Artikel befeuert. „Dieser Effekt fehlt nun.“ Und ein weiterer Aspekt hat sich seiner Einschätzung nach auf die Kauflust der Kunden in diesem Jahr negativ ausgewirkt: „Viele Familien und Freundschaften sind durch die aktuellen Diskussionen entzweit. Das schlägt sich auch auf die Kaufstimmung nieder.“

Dass sich die 2-G-Regelung negativ auf das Geschäft auswirkt, entspricht hingegen nicht Windmüllers Erfahrung. „Ich glaube nicht, dass uns das groß schadet. Die meisten unserer Kunden wissen es zu schätzen, dass wir das engmaschig kontrollieren und sie sich sicherer fühlen können.“ In Anbetracht der Begleitumstände sei sein Geschäft „mit einem hellblauen Auge“ davongekommen. Existenzängste müsse er nicht haben und durch Unterstützungen wie das Kurzarbeitergeld werde er voraussichtlich auch keinen Verlust machen.

Christian Lätzig, Inhaber der Buchhandlung BücherABC und stellvertretender Vorsitzender des Murrhardter Stadtmarketingvereins, hat ebenfalls den Eindruck, dass in den vergangenen Wochen deutlich weniger los war. „Besonders an den ersten beiden Adventssamstagen war die Nachfrage sehr schwach“, sagt er. Und auch das Verhalten der Kunden habe sich verändert: „Es wird viel weniger gestöbert. Die Kunden bestellen oft vor und holen dann auch nur ihre Waren ab. Die Zusatzverkäufe, wenn man spontan noch etwas findet, gibt es nicht mehr in dem Umfang wie früher.“ Insofern zeige sich deutlich, dass die 2-G-Regelung nicht besonders dienlich sei, um die Innenstädte am Leben zu halten. Zwar akzeptiere ein Großteil der Kunden die geltenden Vorschriften, manche tun ihren Ärger aber auch kund, „und das nicht immer freundlich“, wie Lätzig berichtet. Mancher Kunde sei schon wutentbrannt davongegangen, als er nach dem Impf- oder Genesungsnachweis gefragt wurde. „Das dient nicht gerade der Kundenbindung.“ Nehme man die Impfquote als repräsentativen Wert, so falle ihm bis zu 30 Prozent der Kundschaft weg – dieser Umsatz gehe zugunsten des Online-Handels. Denn einen Spruch habe er schon öfters gehört: „Dann geh ich halt zu Amazon.“ Wenn Kunden sich angewöhnt haben, auf andere Kanäle zuzugreifen, dann sei es schwierig, sie wieder zurückzugewinnen.

In Backnang verzeichnen die Einzelhändler immerhin einen positiven Effekt durch die Bemühungen der Stadtverwaltung. Die neuen Backnanger Einkaufsgutscheine, auf die die Stadt Backnang noch bis Ende des Jahres einen Bonus von 20 Prozent des Gutscheinwerts bezuschusst, hätten sich erfreulich ausgewirkt. „Bei unseren Kunden kamen sie gut an“, so Martin Windmüller. Und auch Sigrid Göttlich sagt: „Es ist ein tolles Konzept und ein riesengroßer Segen für uns.“ Man merke, dass sich Gemeinderat und Verwaltung ernsthaft Gedanken gemacht haben, wie man dem Einzelhandel helfen kann, und dafür auch Geld in die Hand nehmen. Das trage Früchte. Anfangs, so Göttlich, habe man die Kunden noch auf die Aktion hinweisen müssen. „Viele hatten ein wenig Erklärungsbedarf, wie es funktioniert. Da musste man die Aktion noch etwas anstoßen.“ Inzwischen laufen die Backnang-Kärtchen gut. „Wir haben schon viele davon eingelöst. Das ist ganz großes Kino und bringt uns viel.“

Wie es nach Weihnachten weitergeht, da können die Einzelhändler nur hoffen und raten. Nachdem der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach einen Lockdown über Weihnachten ausgeschlossen hat, komme dieser womöglich nach den Feiertagen. Insofern sei sein Ausblick für den Jahresanfang nicht sehr optimistisch, sagt Christian Lätzig. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in den nächsten Wochen wieder in den normalen Betrieb übergehen werden.“ Auch Sigrid Göttlich hat stets ein Auge auf die politische Entwicklung: „Omikron macht unruhig, da weiß keiner so recht, wo die Reise hingeht.“ Nachteilig für die Einzelhändler sei auch, dass sich die Regelungen immer wieder ändern, so Lätzig. „Das erzeugt Unsicherheit bei der Kundschaft.“ Hinzu komme die Unart der zuständigen Behörden, die neuen Verordnungen mit Vorliebe an den Wochenenden zu verkünden. Rücksichtslos sei dies. „Nach gut anderthalb Jahren Pandemie sollte das besser laufen“, findet der Buchhändler.

Offensive Innenstadt

Während des dritten Lockdowns im April hat der Backnanger Gemeinderat eine „Offensive Innenstadt“ beschlossen. Mit dem Hilfspaket mit einem Gesamtvolumen von 450000 Euro will die Stadt Händlern und Gastronomen, die durch die Coronamaßnahmen hohe Umsatzausfälle hatten, wieder auf die Beine helfen. Das Maßnahmenpaket besteht aus vier Bausteinen, das digitale Gutscheinsystem ist einer davon. Wer bis Jahresende eine Wertkarte kauft und einlöst, erhält einen Bonus von 20 Prozent, der aus dem städtischen Haushalt finanziert wird. Außerdem will die Stadt die Aufenthaltsqualität in der City erhöhen, etwa durch mehr Bepflanzung und höhere Zuschüsse für Veranstaltungen wie den Gänsemarkt. Eine crossmediale Kommunikationskampagne soll den Neustart unterstützen.

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Erstellt:
22. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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