Naturschutz im Südwesten

Verschwinden bald auch die letzten Streuobstwiesen?

Nun macht auch noch der Klimawandel den Apfel- und Birnbäumen zu schaffen. Ein Gerichtsurteil gibt dennoch Anlass zur Hoffnung.

Die Streuobstwiesen gehören seit Jahrhunderten zur Landschaft Baden-Württembergs dazu.

© Imago/Arnulf Hettrich

Die Streuobstwiesen gehören seit Jahrhunderten zur Landschaft Baden-Württembergs dazu.

Von Thomas Faltin

Klaus Schmieder kennt sich aus mit den Obstwiesen: Er forscht als Biologe an der Universität Hohenheim seit vielen Jahren über diese besondere Form der Kulturlandschaft – und seine neuen Erkenntnisse sind bedrückend. Vor gut zwei Jahren stellte er eine Studie vor, nach der die Zahl der Hochstämme im Südwesten von 18 Millionen im Jahr 1965 auf 7,1 Millionen gesunken sei. Setze sich der Trend fort, gäbe es 2050 keine Obstwiesen mehr, sagte er damals.

Jetzt befürchtet er, dass das Ende der Streuobstlandschaft schon in zehn Jahren kommen könnte. Denn in seinem derzeit laufenden Projekt zu den Folgen des Klimawandels für die Streuobstwiesen zeige sich, dass vor allem Bäume an exponierten Südlagen wegen der längeren Hitze- und Trockenperioden extrem litten. Auch neue, tödliche Krankheiten wie der Schwarze Rindenbrand breiteten sich aus.

Eigentlich hat der Südwesten die strengste Regelung

Das verschärft die ohnehin dramatische Krise der Streuobstwiesen. Das Hauptproblem ist nach wie vor, dass sehr viele Stückle nicht mehr gepflegt werden, weil die alten Besitzer nicht mehr können und die Nachkommen kein Interesse haben. Rund 80 Prozent der Bäume seien deshalb verwildert und überaltert, betont Schmieder. Ein Großteil stehe ohnehin vor dem Absterben, und es würden viel zu wenige davon durch neue Stämmchen ersetzt.

Daneben werden viele Streuobstwiesen in Baugebiete umgewandelt, obwohl Baden-Württemberg seit 2020 die strengste Regelung in Deutschland besitzt – danach soll die Rodung die absolute Ausnahme sein. Ein Fall in Bretten, der kurz vor Weihnachten landesweit Aufsehen erregt hat, legt aber offen, dass die Wirklichkeit anders aussieht. Das Landratsamt des Landkreises Karlsruhe trickste den Nabu aus, indem es der Stadt Bretten die Rodungsgenehmigung per E-Mail zuschickte, den Nabu aber per Post informiert – dessen Einspruch kam deshalb zu spät, 39 von 40 Bäumen waren bereits gefällt.

Von 54 Rodungsanträgen wurden nur zwei abgelehnt

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe macht jetzt aber Hoffnung. Denn es sah in der genannten Vorgehensweise nicht nur einen Verfahrensfehler, sondern es hat auch Zweifel, ob die Entscheidung in der Sache richtig war. Andre Baumann (Grüne), Staatssekretär im Umweltministerium, hofft, dass die Behörden nun verstanden hätten, dass „strengere Maßstäbe bei der Abwägung anzusetzen sind.“ Drei Erlasse des Ministeriums hatten dies bisher nicht vermocht.

Bei den derzeit laufenden Naturschutztagen in Radolfzell, die der Nabu und der BUND jedes Jahr veranstalten, sind die Streuobstwiesen ein großes Thema. Einer Abfrage des Nabu zufolge waren bis Februar 2022 von 54 Anträgen auf Rodung nur zwei abgelehnt worden. Das Gesetz sei deshalb weiter ein zahnloser Tiger, betont BUND-Landeschefin Sylvia Pilarsky-Grosch.

Die Verbände fordern deshalb, dass die Landesregierung erneut nachbessert. Und die Prüfung solle durch die Regierungspräsidien erfolgen. „Die Landratsämter sind einfach zu nah dran an den Kommunen“, sagt Pilarsky-Grosch. Nabu und BUND selbst wollen weiter juristische Schritte einleiten, wo immer dies nötig werde.

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Erstellt:
6. Januar 2023, 12:38 Uhr

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