Verschwindet die Maske aus dem Alltag?

Mit dem Ende der Maskenpflicht im ÖPNV fällt eine der letzten sichtbaren Maßnahmen gegen die Coronapandemie. In einigen Bereichen des alltäglichen Lebens wird uns die Maske aber weiterhin begegnen.

Im Pflegeheim Staigacker gelten wie in allen medizinischen Einrichtungen bundesweit nach wie vor verschiedene Hygienebestimmungen, darunter auch die Maskenpflicht. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Im Pflegeheim Staigacker gelten wie in allen medizinischen Einrichtungen bundesweit nach wie vor verschiedene Hygienebestimmungen, darunter auch die Maskenpflicht. Foto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Rems-Murr. Ein ungewohntes Bild bietet sich seit dieser Woche Bus- und Bahnreisenden, für die die Maske im öffentlichen Personennahverkehr in den vergangenen drei Jahren zur Standardausstattung gehörte. Zwar wurde der Umgang mit der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen schon in den vorangegangenen Wochen merklich nachlässiger, doch erst seit Dienstag darf die Mund-Nasen-Bedeckung gemäß geänderter Coronaverordnung des Landes auch offiziell zu Hause gelassen werden. Also aus den Augen, aus dem Sinn? Nicht ganz, denn es gibt durchaus Passagiere, die sagen, auch weiterhin nicht auf den Schutz durch die Maske verzichten zu wollen.

Einige Reisende tragen die Maske freiwillig weiter

Einer von ihnen ist ein Pendler aus Schwaikheim. Er trägt auf seiner Fahrt nach Backnang eine Mund-Nasen-Bedeckung und sagt, er wolle seine Entscheidung darüber keiner auslaufenden Verordnung überlassen. „Ich war bis vor wenigen Tagen selbst noch positiv und bevor ich jemanden anstecke oder noch mal angesteckt werde, trage ich das Ding lieber noch eine Weile.“ Ähnlich sieht es Suad Hasanovic. Der Rentner fährt mit der Linie S3 zum Arztbesuch nach Backnang und trägt ebenfalls eine FFP2-Maske. Er sei aufgrund seines Alters und zweier schwerer Operationen Risikopatient und müsse aufpassen, sagt er. Trotz vierfacher Impfung versuche er, sich weiterhin mit der Maske zu schützen.

Auch Elke Brünle geht es um den Schutz eines gefährdeten Angehörigen im eigenen Haushalt. Die Bibliothekarin trägt auf ihrem Arbeitsweg von Backnang nach Stuttgart daher weiterhin eine Mund-Nasen-Bedeckung, „zumindest noch für die kalte Jahreszeit, danach sieht man weiter“, sagt sie. Brünle verweist darauf, dass sich die Maske als hocheffizienter Schutz gegen Infektionskrankheiten bewährt habe.

In medizinischen Einrichtungen bleibt die Maskenpflicht bestehen

Im Einzelhandel, wo die Maskenpflicht bereits seit April des vergangenen Jahres Geschichte ist, tragen nur noch wenige Kunden eine Maske, allerdings wird in einigen Geschäften an der Eingangstür noch immer zum Tragen einer solchen geraten. Auch bei der Buchhandlung Kreutzmann in Backnang hängt noch ein entsprechendes Schild im Laden, aber nur wenige kommen dieser Empfehlung nach. „Das Gros der Kunden kommt ohne Maske. Es sind vor allem ältere Leute und Menschen, die im medizinischen Bereich tätig sind, die noch eine tragen“, sagt Friedrich Kreutzmann. Auch einige Mitarbeiter setzten nach eigenem Ermessen eine Maske auf, die das Unternehmen nach wie vor zu Verfügung stelle.

Anders sieht es in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen aus, wo bundesweite Regelungen greifen, die weiterhin eine Maskenpflicht vorsehen. Dasselbe gilt für Patientinnen und Patienten in Arztpraxen, wohingegen das Praxispersonal seit dieser Woche ebenfalls vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit ist.

Jens Steinat, Vorsitzender der Ärzteschaft Backnang und Pandemiebeauftragter des Rems-Murr-Kreises, bezeichnet diese Entscheidung als unglücklich und hätte eine konsequente Regelung für Beschäftigte und Patienten bevorzugt. In seiner Praxis und, wie Steinat vermutet, auch bei vielen seiner Kolleginnen und Kollegen werde die Maske daher auch beim Personal der Regelfall bleiben.

Akzeptanz der Besucher im Pflegeheim sinkt

Bezogen auf den ÖPNV äußert Steinat Verständnis für den Schritt weg von der Pflicht, wünscht sich aber im Gegenzug mehr Eigenverantwortlichkeit von der Bevölkerung: „Wenn ich mich in einer dichten Menschenmenge durch eine Maske relativ einfach vor einer Infektion schützen kann, wieso sollte ich darauf verzichten?“ Insbesondere im Hinblick auf knapper werdende Ressourcen und Versorgungsengpässe auch im medizinischen Bereich wirbt er für einen Lerneffekt aus der Pandemie. In der kalten Jahreszeit diene eine Maske schließlich auch der Vorbeugung anderer Infektionskrankheiten. „Jede Infektion ist schlecht für das Immunsystem“, betont er. Daher müsse von der Politik verstärkt an das Bewusstsein der Bevölkerung appelliert werden, indem man die Vorteile der Maske betone, anstatt sich auf das Verlängern einer Maskenpflicht zu beschränken. Diese schüre gerade bei vielen Jugendlichen ohnehin nicht zuletzt Trotzreaktionen und sei keine Dauerlösung.

Sabine Laible, stellvertretende Leiterin des Pflegeheims Staigacker, sieht die für ihre Einrichtung weiterhin bestehende Maskenpflicht nüchtern: „Wir sind es gewohnt und waren angesichts der Grippewelle und anderer Erkältungskrankheiten zuletzt eigentlich ganz froh darüber.“ Es sei allerdings spürbar, dass die Akzeptanz der Besucher sinke, je mehr die Maske aus anderen Bereichen des Alltags verschwinde.

Von ähnlichen Erfahrungen weiß man auch im Rems-Murr-Klinikum Winnenden zu berichten: „Insbesondere unsere Mitarbeitenden an der Besucherinformation und auch unser Pflegepersonal erleben inzwischen öfter, dass die Maskenpflicht den Menschen angesichts der allgemeinen Lockerungen immer schwieriger zu vermitteln ist“, sagt Torsten Ade, Chefarzt der interdisziplinären Notaufnahme. Für sinnvoll hält er die Masken in Krankenhäusern aber nach wie vor, zumindest in bestimmten Bereichen und bei besonderen Tätigkeiten.

Die bundesweiten Schutzmaßnahmen enden im April

Am 7. April laufen nach derzeitigem Stand die bundesweiten Coronaschutzmaßnahmen allerdings aus, was das Ende der Maskenpflicht auch in medizinischen Einrichtungen bedeuten würde. Sabine Laible geht davon aus, dass dies auch so kommen wird. Sorgen bereitet ihr dieses Datum angesichts der dann hoffentlich herrschenden Temperaturen aber nicht.

Torsten Ade hält sich mit einer Einschätzung, wie sich das Ende der Maskenpflicht auswirken wird, zurück: „Sich darüber Gedanken zu machen wäre Spekulation.“ Die Infektionslage hänge immer mit dem gesamten Umfeld zusammen und könne nicht einzeln an der Klinik festgemacht werden, zumal es zu Infektionen häufig im privaten Bereich komme. Im häuslichen Umfeld, in der Freizeit, vor allem im Urlaub verhielten sich die Menschen bisweilen anders als am Arbeitsplatz und es könne sein, dass sich dieser Effekt stärker auf die Ansteckungshäufigkeiten auswirke als das Tragen von Masken am Arbeitsplatz.

In vielen Teilen des alltäglichen Lebens scheint das Tragen einer Maske seine Selbstverständlichkeit zunehmend zu verlieren. Auch Jens Steinat ist skeptisch, was den erhofften Lerneffekt in der Bevölkerung betrifft. Lediglich in seiner Praxis habe er das Gefühl, dass das konsequente Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als Qualitätsstandard aufgefasst und mit Hygiene und ärztlicher Sorgfalt verbunden werde. Ansonsten habe er aber den Eindruck, mit seiner Maske allzu oft allein in der Menge zu stehen.

Die aktuellen Regelungen zur Maskenpflicht in Baden-Württemberg

Bus und Bahn Am 31. Januar entfiel die Maskenpflicht für den öffentlichen Personennahverkehr, seit 2. Februar muss auch im Fernverkehr keine Maske mehr getragen werden.

Arztpraxen Beschäftigte in Arztpraxen müssen seit 31. Januar keine Mund-Nasen-Bedeckung mehr tragen. Für Patientinnen und Patienten besteht hingegen weiterhin die Maskenpflicht.

Krankenhäuser und Pflegeheime Diese Maßnahmen werden vom Bund geregelt und sehen bis 7. April eine Maskenpflicht vor, sowohl für Mitarbeiter als auch für Besucher und Patienten.

Zum Artikel

Erstellt:
4. Februar 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Ärzte sehen Schließung der Notfallpraxis Backnang als Akt der Vernunft

Im Raum Backnang bedauern viele Ärzte die angekündigte Schließung der Notfallpraxis, betrachten sie aber zugleich als notwendigen Schritt, um den Mangel an Hausärzten nicht weiter zu verschärfen. Die Inanspruchnahme der Notfallpraxis sei zudem oftmals nicht angemessen.

Stadt & Kreis

Backnang-Kärtle für alle Mitarbeiter der Stadt

Die Stadt Backnang setzt bei der Mitarbeitergewinnung auf weiche Arbeitgeberfaktoren. Der Zuschuss für jeden Beschäftigten beträgt 25 Euro pro Monat und kostet die Stadt pro Jahr 270000 Euro. Der Verwaltungs- und Finanzausschuss empfiehlt dem Gemeinderat die Zustimmung.