Verteidigung fordert Freispruch im Windreich-Prozess

dpa/lsw Stuttgart. Mit Millionensummen verkalkuliert oder gar nicht insolvent? Im Windreich-Prozess in Stuttgart liegen Anklage und Verteidigung weit auseinander. Die Staatsanwaltschaft wittert Betrug und Trickserei, Firmengründer Balz eine Verschwörung.

Eine Ausgabe des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Eine Ausgabe des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Der Betrugsprozess um die Insolvenz des Windparkentwicklers Windreich steht kurz vor dem Abschluss: Die Verteidigung forderte am 70. Verhandlungstag Freispruch für Unternehmensgründer Willi Balz. Rechtsanwalt Philipp Kauffmann sagte am Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart, es sei keinerlei strafrechtlich relevanter Schaden entstanden. Der Mittelständler sei jederzeit zahlungsfähig gewesen. „Liquidität war da.“ Zugleich kritisierte er, dass die Anklage jahrelang bei Gericht gelegen habe und nichts passiert sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte für Balz fünf Jahre und drei Monate Haft beantragt. Sie wirft ihm unter anderem vor, falsche Angaben in der Bilanz des Jahres 2010 gemacht zu haben. Der 60 Jahre alte Balz bekräftigte in seinem Schlusswort: „Ich habe weder getäuscht noch betrogen.“ Vielmehr sei es die Durchsuchung der Staatsanwaltschaft im März 2013 gewesen, die letztlich zur Insolvenz geführt habe, hatte er zuvor argumentiert. Er sah sich als Opfer einer Intrige.

Windreich hatte im September 2013 Insolvenz angemeldet. Die Anklage ist aber der Ansicht, dass die Unternehmensgruppe schon sehr viel früher zahlungsunfähig gewesen sei und Balz das gewusst, aber trotzdem seine Geschäfte fortgeführt und damit enormen Schaden angerichtet habe.

Das Unternehmen ist laut Anklage seit Ende März 2012 zahlungsunfähig gewesen. Neben Banken und Investoren habe Balz gleichfalls eine Vielzahl kleinerer Gläubiger geschädigt. Mit geschönten Bilanzen habe er außerdem 125 Millionen Euro bei Anlegern eingesammelt.

Ursprünglich waren acht Personen in dem Prozess angeklagt. Gegen sieben von ihnen wurde das im Sommer 2019 begonnene Verfahren im Laufe der Zeit eingestellt. Die Verteidigung kritisierte, dass sich der frühere Finanzvorstand des Unternehmens nicht vor Gericht verantworten musste. Anwalt Alexander Schork sagte: „Windreich war nicht zahlungsunfähig.“ Balz habe sich auf seine Berater verlassen. Die hätten das Thema Zahlungsfähigkeit geprüft und dies verneint.

Der frühere Unternehmer ist unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Bilanzmanipulation, Insiderhandel und besonders schweren Betrugs angeklagt. Seine beiden Anwälte kritisierten weiter, dass die Staatsanwaltschaft bei der Betrachtung der Liquidität zu Unrecht ein gestundetes Darlehen und nicht fällige Verbindlichkeiten nicht berücksichtigten.

Balz galt als Pionier für Windkraftanlagen zur Stromerzeugung auf dem Meer. Er entwickelte und plante die Projekte und verkaufte sie dann an Investoren weiter. Das Urteil soll am 2. Dezember verkündet werden.

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Erstellt:
25. November 2020, 01:37 Uhr

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