Acht Randalierer in U-Haft, Stadt berät Alkoholverbot

dpa/lsw Stuttgart. Krawallmacher haben am Wochenende Teile der Stuttgarter Innenstadt verwüstet, Polizisten verletzt, Geschäfte geplündert. Mehrere junge Männer sitzen nun hinter Gittern. Die Politik fordert harte Strafen. Aber was tun, damit sich solche Szenen nie wiederholen?

Polizeieinheiten sammeln sich, um gegen Randalierer vorzugehen. Foto: Simon Adomat/dpa/Archivbild

Polizeieinheiten sammeln sich, um gegen Randalierer vorzugehen. Foto: Simon Adomat/dpa/Archivbild

Nach den Krawallen in Stuttgart sitzen acht mutmaßliche Randalierer in Untersuchungshaft, einer von ihnen wegen Verdachts auf versuchten Totschlag. Ein weiterer Haftbefehl war gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Dienstag. Die Liste der Vorwürfe ist lang, sie reicht vom Landfriedensbruch über gefährliche Körperverletzung, tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und Diebstahl in besonders schwerem Fall.

Viele der zunächst 25 festgenommenen Männer im Alter zwischen 16 und 33 Jahren seien in der Randale-Nacht stark betrunken gewesen und der Polizei bekannt. Der höchste Alkoholwert wurde mit 2,34 Promille bei einem 20-Jährigen festgestellt, wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag sagte. 15 Tatverdächtige seien der Polizei bereits bekannt - sie seien schon bis zu zwei Dutzend Male angezeigt worden. Neun Festgenommene hätten einen Flüchtlingsbezug. Verdächtigt werden Männer mit deutscher, kroatischer, irakischer, portugiesischer und lettischer Staatsangehörigkeit. 16 zunächst vorläufig festgenommene mutmaßliche Beteiligte wurden den Angaben zufolge wieder entlassen.

Einer der verhafteten mutmaßlichen Randalierer, ein 16-Jähriger, muss sich dagegen wegen versuchten Totschlags verantworten. Er soll in der Nacht einen bereits am Boden liegenden Studenten gezielt gegen den Kopf getreten haben. Der Jugendliche soll mit vielen anderen jungen Krawallmachern durch die zentrale Einkaufsstraße Stuttgarts gezogen sein. Die Menge hatte Schaufenster zerstört und Geschäfte geplündert. Nach Angaben der Polizei waren bis zu 500 Menschen an dem Geschehen beteiligt.

Während Polizei und Justiz ermitteln, suchen Stadt und Land nach Antworten auf die Frage, warum die Gewalt mitten in der Nacht zu Sonntag so plötzlich ausbrechen konnte. Nach wie vor ist zwar auch von einer enthemmten „Partyszene“ die Rede, doch verweisen andere auf die Folgen der Corona-Auflagen, den fehlenden Respekt vor Ordnungshütern und auf den Wunsch, in den sozialen Medien mit Videos und Fotos angeben zu können.

Auch die Landesregierung befasste sich in der Kabinettssitzung am Dienstag mit den Hintergründen der Krawalle. Ministerpräsident Winfried Kretschmann verurteilte die Gewalt und stärkte den Polizisten den Rücken. „Wir haben bei unserer Polizei keine amerikanischen Verhältnisse“, sagte er. Die Beamten in Deutschland zögen nicht sofort die Schusswaffe. Selbst bei einem so brutalen Vorgehen wie jüngst in Stuttgart habe die Polizei besonnen und umsichtig gehandelt.

Innenminister Strobl schlug der Stadt eine enge Zusammenarbeit bei der Sicherheit vor. Das Land habe bereits Sicherheitspartnerschaften mit Freiburg und Heidelberg vereinbart, sagte er. „Selbstverständlich kann ich mir so etwas auch mit Stuttgart vorstellen, wenn die Stadt das wünscht.“ Videoüberwachung, Aufenthaltsverbote und Alkoholkonsumverbote seien nur zusammen mit der Stadt möglich. „Nicht alles liegt in der Zuständigkeit der Polizei. Allein die Polizei wird es auch nicht richten können.“

Wie ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, können Kommunen Alkoholkonsumverbote für öffentliche Plätze aussprechen, wenn sich dort alkoholbedingte Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten häufen, man dort mit anderen polizeilichen Maßnahmen nicht dauerhaft weiterkommt und dort auch künftig mit Straftaten zu rechnen ist.

In einem Gremium will die Stadt gemeinsam mit der Polizei die nächsten Schritte beraten und beschließen. Nach Angaben des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn (Grüne) prüft die Verwaltung ein Alkoholverbot oder eine Videoüberwachung an bestimmten Plätzen der Stadt. Auch der Einsatz von Streetworkern vor Ort werde beraten. „Wir werden die ganze Palette der polizeilichen präventiven und repressiven Mittel abarbeiten“, sagte Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Ein Alkoholverbot auf Stuttgarter Plätzen hatte zuvor auch die Deutsche Polizeigewerkschaft gefordert.

Nach Ansicht der Städte und Gemeinden ist es aber überaus schwer, Alkohol auf öffentlichen Plätzen zu verbieten. „Wegen der hohen Hürden können (...) nur wenige Städte das Instrument nutzen, da das Gesetz relativ enge Grenzen setzt, was die bereits vorgefallenen Straftaten am jeweiligen Ort angeht“, sagte die Landeschefin des Städtetags, Gudrun Heute-Bluhm. Eine Sprecherin des Gemeindetags äußerte sich ähnlich. Schwierig sei etwa, dass die Menschenmenge, die störe, aus mehr als 50 Menschen bestehen müsse.

Die Polizei bereitet sich indes auf mögliche weitere Auseinandersetzungen am kommenden Wochenende vor. Es würden polizeiliche Maßnahmen entwickelt, um an verschiedenen Punkten in der Innenstadt die Sicherheit zu verstärken, sagte Polizeivizepräsident Thomas Berger. „Uns ist es gelungen, eine friedliche Silvesterfeier in der City abzusichern. Das wird uns auch in den Sommernächten gelingen.“

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Erstellt:
23. Juni 2020, 14:00 Uhr

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