Vier Jahre Gefängnis für Hammerattacke auf Ehefrau

67-Jähriger wird von Landgericht wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung verurteilt

Vier Jahre Gefängnis für Hammerattacke auf Ehefrau

© Romolo Tavani

Von Hans-Christoph Werner

STUTTGART/ASPACH. Über zwei Monate hinweg an insgesamt sechs Verhandlungstagen wurde vor dem Landgericht Stuttgart der Fall eines 67-jährigen Busfahrers erörtert. Er hatte seine Ehefrau in einer Oktobernacht des Jahres 2018 lebensgefährlich verletzt und sich anschließend der Polizei gestellt. Da sich Täter und Opfer zum Tathergang nicht äußerten, war durch die Vernehmung vieler Zeugen und die Äußerungen zweier Gutachter der Tathergang akribisch rekonstruiert worden. Die Staatsanwältin hatte in ihrem Plädoyer am vorletzten Verhandlungstag fünf Jahre Gefängnis wegen versuchten Mordes und Heimtücke gefordert.

Familie und Freunde des Angeklagten nehmen regen Anteil an dem, was am letzten Verhandlungstag passiert. Insgesamt zwölf Personen folgen der Verhandlung. Der Verteidiger des Angeklagten bringt in seinem Plädoyer nochmals in Erinnerung, was Familienmitglieder über ihren Vater geäußert haben. Der Angeklagte sei, so hatten einzelne Familienangehörige im Zeugenstand angegeben, ein „Kümmerer, schaffig und warmherzig“ gewesen. Meinungsverschiedenheiten mit irgendwelchen körperlichen Attacken auszutragen, hätte ihm ferngelegen. Was nach den Worten des Verteidigers bei dem Angeklagten zu der Bluttat geführt hatte, war die angestaute Wut, der reichliche Alkoholgenuss in der Tatnacht und die wahnhafte Annahme der Untreue seiner Frau. Vor allem stört sich der Verteidiger daran, dass die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer dem Angeklagten Heimtücke unterstellt hatte. Und wortreich versucht der Jurist zu beweisen, dass sein Mandant in jener verhängnisvollen Nacht vom Tötungsvorsatz „zurückgetreten“ sei. Wenn der 67-Jährige „gewollte hätte, hätte er weitermachen können.“ Der Verteidiger erinnert: Sohn und Tochter der Geschädigten, die als Zeugen vernommen worden waren, hatten aus Gesprächen mit ihren Eltern nach der Tat berichtet. Ihr Vater, der Angeklagte, so haben sie erzählt, sei über das viele Blut erschrocken und habe wie versteinert dagestanden. Dann sei es noch zu einem kurzen Wortwechsel mit der schwer verletzten Ehefrau gekommen.

Familienmitglieder zeigen sich großmütig

Der Busfahrer habe, so betont der Jurist, zwar der Bitte seiner Frau, den Rettungsdienst zu alarmieren, nicht entsprochen. Er sei aber auch nicht geflohen oder habe auch nicht versucht, die Tat zu vertuschen. Ferner sei er durch die bereits angeführten Umstände der Tat nur vermindert steuerungsfähig gewesen. Sein Mandant, so der Rechtsanwalt, sei somit vom versuchten Totschlag zurückgetreten und wegen schwerer Körperverletzung zu verurteilen. Ist der Angeklagte nun milde oder hart zu bestrafen? Der Verteidiger nimmt Bezug auf die Aussagen der Familienangehörigen. Ehefrau und Kinder des Angeklagten verzeihen ihm die Tat. Ferner habe er sich bei seiner Ehefrau entschuldigt. Die Sozialprognose sei im Übrigen positiv. „Müsse“, so fragt der Verteidiger, der Staat bestrafen, was die Familie verzeihe? Zum konkreten Strafmaß für seinen Mandanten will sich der Rechtsanwalt nicht äußern.

Eine gute Stunde beraten die drei Berufs- und die zwei Laienrichter über das Urteil. Dieses lautet dann: Vier Jahre Gefängnis für versuchten Totschlag und Körperverletzung. Zum anderen wird dem Angeklagten eine Entziehungskur verordnet und ihm werden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Wie schon der Verteidiger sieht das Gericht für die Tatnacht mehrere Umstände zusammenkommen. Der den körperlichen Attacken vorausgehende Streit sei äußerst heftig geführt worden. Auch die Ehefrau habe nicht mit beleidigenden Worten gespart. Durch den Alkoholgenuss sei der Angeklagte enthemmt gewesen. Und schließlich habe sein Eifersuchtswahn eingewirkt. Durch die von einer Gutachterin untersuchten Blutspuren seien sechs massive Schläge mit dem Hammer nachgewiesen.

Insbesondere habe die Ehefrau keine Chancen zum Ausweichen oder zur Flucht gehabt. Der Angeklagte habe den Tod seiner Frau billigend in Kauf genommen. Angesichts der Verletzungen, die der Angeklagte seiner Frau zugefügt habe, sei es ein Glück gewesen, dass sie so schnell genesen sei. Auch die Richter verneinen den von der Staatsanwältin erhobenen Vorwurf der Heimtücke. Allerdings attestiert das Richtergremium dem Angeklagten einen bedingten Tötungsvorsatz. Der Angeklagte habe „alles getan, dass es zum Tod seines Opfers kommt“. Insbesondere habe er keinen Notruf abgesetzt. Auf die Argumentationslinie des Rücktritts vom versuchten Totschlag, wie sie der Verteidiger vorgetragen hatte, geht das Gericht nicht ein.

Für den Angeklagten müsse in die Waagschale geworfen werden, dass er bis zur Tat ein unbescholtenes Leben geführt habe, sich um seine Kinder kümmere, sich selbst gestellt habe und Scham über seine Tat empfinde. Gegen den Angeklagten spreche der brutale Tatverlauf. Geht vom Angeklagten, so stellt der die Urteilsbegründung vortragende Richter in den Raum, Gefahr aus? Da sei zum einen die Massivität der Tat. Zum anderen neigen nach den Erfahrungen des Gerichts viele Ersttäter zu weiteren Gewaltattacken. Schließlich: Ist die Familie des Angeklagten wirklich so intakt, wie sie von verschiedenen Seiten vor Gericht geschildert wurde? Tiefer sitzende Konflikte, so der Richter, lassen sich erahnen. Insbesondere aber müsse der Verurteilte sein Trinkverhalten ändern. Deshalb habe ihm die Schwurgerichtskammer eine Entziehungskur auferlegt. Und an die anwesenden Familienangehörigen gewendet betont er: „Ihr Vater war für Sie da. Seien Sie nun für ihn da!“

Am Ende grüßen sich beide Seiten freundlich nickend oder winkend.

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Erstellt:
1. Juni 2019, 06:00 Uhr

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