Virtual Reality bringt die Welt in die Max-Eyth-Realschule

Ein Spaziergang über den Vaihinger Uni-Campus, ohne dorthin fahren zu müssen? Im Weltraum schweben und die Erde von oben betrachten? Das und noch viel mehr können Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 9 mit Informatik als Wahlfach an der Max-Eyth-Realschule erleben.

Aktiv-Stereo-Brillen mit Flüssigkristallgläsern ermöglichen es, die Stadt auf dem Bildschirm dreidimensional zu sehen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Aktiv-Stereo-Brillen mit Flüssigkristallgläsern ermöglichen es, die Stadt auf dem Bildschirm dreidimensional zu sehen. Foto: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. Am Montag war Premiere: Zum ersten Mal haben Hermann Knaus von der Hochschule Esslingen sowie Uwe Wössner und Leyla Kern vom Hochleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) eine Schule besucht, um das Forschungsprojekt „Dimension Lab 3“ direkt an die Schülerinnen und Schüler zu bringen. Erst im vergangenen September ist das Projekt gestartet. Neben Wössner und Knaus gehört ihm noch Frank Rückert von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Saar an, getragen wird es von der Stiftung für Innovation der Hochschullehre. Ziel des auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojekts sei es, das Thema Digitalisierung an die Schulen zu bringen, sagt Knaus, der Professor an der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften, Energie- und Gebäudetechnik ist.

Etwa zwei Stunden hat allein der Aufbau des Equipments im Klassenzimmer gedauert, rund 50000 Euro kostet es. Den Raum beherrschend steht eine große Leinwand, eine sogenannte Wall, im Raum, auf der zwei sich überlagernde Bilder zu sehen sind: eins für das rechte, eins für das linke Auge. Das dreidimensionale Erlebnis kommt durch die Aktiv-Stereo-Brillen mit Flüssigkristallgläsern. Um die 700 Euro kostet so eine Brille. Jeweils links und rechts oben an der Wall sind Kameras befestigt, die später die Position der Masterbrille auf der Wand verorten können und somit die Perspektive anpassen. Die Bilder werden von hinten projiziert, was den großen Vorteil hat, dass keine Schatten geworfen werden, wenn man davorsteht, wie man es eigentlich von Projektionen kennt.

Die Technik existiert schon lange

Bereits seit Mitte der 1950er-Jahre existiere die 3-D-Technik, erklärt Uwe Wössner, der seit 2004 die Abteilung Visualisierung am HLRS leitet. Im Bereich Virtual Reality (wörtlich: virtuelle Realität) ist besonders das Head-Mounted Display (HMD) bekannt – ein Ausgabegerät, das man auf dem Kopf trägt und das Bilder entweder auf die Netzhaut oder auf einen Bildschirm direkt vor den Augen projiziert. Der Nachteil dieser Technik: Man ist allein in der virtuellen Welt. Was jedoch für Zuschauerinnen und Zuschauer ausgesprochen lustig sein kann.

Per Wall und 3-D-Brille ist ein Gemeinschaftserlebnis möglich. Alle sehen dasselbe. So gibt es an der Universität Stuttgart eine sogenannte Cave, einen Raum mit fünf Wänden inklusive Decke, auf die die entsprechenden Darstellungen projiziert werden. So wirkt das Erlebnis, sich an einem anderen Ort zu befinden, noch realer.

Abwechselnd wandert die Masterbrille in der Gruppe von einem Schüler zum nächsten. „Der Blickwinkel wird durch die Masterbrille gesteuert“, erklärt Hermann Knaus. Mit einer Maus, die eher einem verzweigten Zauberstab als einer normalen Computermaus gleicht, kann man in die Grafik hineinzoomen oder sie verschieben. So ist man nach einer Erkundung des Uni-Campus mittlerweile am Marienplatz in Stuttgart angekommen. Doch mit der Technik lässt sich noch viel mehr erkunden, so lassen sich etwa Strömungen simulieren. Wie breiten sich Schadstoffe bei bestimmten Wetterlagen aus? Und wo ist die Feinstaubkonzentration am höchsten? Auch lassen sich auf diese Weise Gebäude gemeinsam begehen oder Autos fahren.

Auch ein Einblick in AR ermöglicht

Neben der VR-Leinwand wird zusätzlich ein Einblick in die Anwendung von Augmented Reality (AR, wörtlich: erweiterte Realität) gegeben. So sieht man auf einem großen Bildschirm das ganz reale Lehrerpult. Darauf steht ein Turm. Virtuell jedoch lassen sich die Luftströme am Turm sichtbar machen. Man wolle das Verständnis für Naturwissenschaften verbessern, indem man den Spieltrieb anspreche. Denn durch diese Technik könne man – vor allem gefahrlos – selbst einiges ausprobieren und austesten. Und auch gleich sehen, wie sich die Interaktion auswirkt.

Den Schülern macht es sichtlich Spaß, sich in den virtuellen Welten zu bewegen. Auch Eva Vierkorn zeigt sich ausgesprochen zufrieden mit dem virtuellen Montag. Sie leitet die Fachschaft Informatik an der Max-Eyth-Realschule und hat das Forschungsprojekt auf einer Fortbildung kennengelernt. Und dann das Projekt an ihre Schule geholt. „Hier war total großes Interesse“, freut sich Uwe Wössner und nutzt die Gelegenheit für etwas Werbung: „Wir machen das an der Universität. Ihr macht einfach weiter und dann kommt ihr zu uns an die Uni.“ Dabei müsse man nicht einmal Informatik studieren. Denn die virtuellen Anwendungsmöglichkeiten liegen in vielen Bereichen – Ingenieurwesen, Physik, Technik, Biologie, Chemie, „das ist hier fast so gut wie ein echtes Experiment“.

Virtual und Augmented Reality

Virtual Reality (VR) Die virtuelle Realität ermöglicht, in eine computergenerierte „Wirklichkeit“ einzutreten und sie so zu erleben, als befinde man sich tatsächlich dort. Genutzt wird die Technik bei Computerspielen (zum Beispiel Playstation VR), aber auch in Gewerbe und Industrie. 3-D-Anwendungen bieten dabei die intensivste Erfahrung. Um in die virtuelle Welt einzutauchen, ist eine spezielle Hardware notwendig, zum Beispiel 3-D- oder VR-Brillen oder ein Head-Mounted Display. Zusätzlich bieten unter anderem spezielle Handschuhe die Möglichkeit haptischer Erfahrungen.

Augmented Reality (AR) Bei der erweiterten Realität überlagern sich computergenerierte und reale Bilder. Es können verschiedene Informationen zu realen Elementen abgerufen werden. Ein Beispiel für die spielerische Anwendung ist etwa das Handyspiel „Pokémon Go“, bei dem auf dem Display einerseits die reale Umgebung zu sehen ist, andererseits auch animierte Spielfiguren unterwegs sind.

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Erstellt:
25. Januar 2023, 06:00 Uhr

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