Vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen

30-jähriger Lastwagenfahrer unterschreibt ein „Geständnis“. Stunden später will er die Sache nicht mehr wahrhaben.

Vor dem Amtsgericht Backnang musste sich eine 30-Jährige wegen Urkundenfälschung verantworten. Foto Edgar Layher

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Vor dem Amtsgericht Backnang musste sich eine 30-Jährige wegen Urkundenfälschung verantworten. Foto Edgar Layher

Von Hans-Christoph Werner

Backnang. Vor dem Amtsgericht hat sich eine 30-jährige Fachangestellte wegen Urkundenfälschung zu verantworten. Ausführlich erklärt sie den Hergang der Ereignisse. Durch ein angeblich manipuliertes Schreiben soll sie ihren Ex-Freund in Misskredit gebracht haben. Der Ex-Freund sagt als Zeuge aus. Zahlreiche Fragen von Richter und Verteidiger kann er nicht schlüssig beantworten. Nach einstündiger Verhandlung plädiert der Staatsanwalt auf Freispruch.

Seit mehr als zwei Jahren lebt die Fachangestellte von ihrem Freund getrennt. Beide sind damit befasst, die Scherben ihrer Beziehung zu sortieren. Gemeinsam haben sie einen Sohn, um den sich beide kümmern wollen. Offenbar wird wegen des gemeinsamen Kindes bereits das Familiengericht bemüht. In letzterer Sache, so dachte die Fachangestellte, wäre die gerichtliche Auseinandersetzung vereinfacht, wenn ihr Ex das, was er sich habe zuschulden kommen lassen, mit einem entsprechenden Schriftstück eingestehen würde.

Reue, so formuliert die Angeklagte, solle ihr Ex-Freund zeigen. Und damit hätte sie auch weniger Angst. Erstaunlicherweise ließ sich der 30-jährige Ex-Freund damals, im Januar 2020, auf ein schriftliches Geständnis ein. Ja, er delegierte die Sache sogar an seine Ex. Sie möge, so gab er ihr an, einen entsprechenden Text aufsetzen. So traf man sich in der Wohnung der Fachangestellten. Sie hatte getan, wie er sie geheißen hatte: In dreifacher Ausfertigung lag das Schreiben auf dem Wohnzimmertisch. Keineswegs, so betont die Angeklagte, habe sie ihren Ex-Freund gedrängt. Sie erhoffte sich, so fügt sie hinzu, einen besseren gegenseitigen Umgang.

Obskur nennt der Richter die ganze Angelegenheit

Nun soll er, so erzählt es die Fachangestellte, das sogenannte Geständnis unterzeichnet, sogar mit einem Fingerabdruck versehen haben. Inhalt des „Geständnisses“ soll auch eine Vergewaltigung gewesen sein, die aber die Fachangestellte nicht angezeigt hatte. Stunden später kommen dem Ex-Freund, von Beruf Lastwagenfahrer, Bedenken. Per Handy teilt er seiner Ex-Freundin mit, dass er seine Unterschrift zurückziehe. Man vereinbart einen neuen Termin.

Wie die Sache weiterging, wird nicht so ganz klar. Der Lasterfahrer dachte, mit einem gemeinsamen Gespräch beim Psychiater könne man die Differenzen beilegen. Und nur dazu sollte das „Geständnis“ seiner Meinung nach dienen. Offenbar wurde aus dem neuen Gesprächstermin nichts. Und die Fachangestellte nutzte die Zeit und versandte das „Geständnis“ ihres Ex-Freundes an die Staatsanwaltschaft nach Stuttgart und an die Polizei im Raum Backnang. So ist der Lasterfahrer einigermaßen überrascht, als er dann von der Polizei vorgeladen wird.

Die Polizei gewinnt den Eindruck, dass man offenbar dem 30-Jährigen etwas anhängen wolle. Und leitet die Sache an die Staatsanwaltschaft weiter. Von dieser wiederum erhält die Fachangestellte einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung. Mithilfe eines Rechtsanwalts widerspricht sie diesem.

Vor Gericht bestreitet der Brummifahrer, je eine Unterschrift unter besagtes Schriftstück gesetzt zu haben. Und wie kommt sein Fingerabdruck auf das Schriftstück? Ohne Zweifel, so stellte die Polizei fest, stammt er von dem 30-Jährigen. Mit dem gemeinsamen Sohn, so erklärt der Zeuge, habe er öfter gespielt und dabei gezeigt, wie man Fingerabdrücke macht. Der Verteidiger der Angeklagten hat zur Verhandlung die verschriftlichten Sprachnachrichten beider Kontrahenten mitgebracht. Die lesen sich so, als habe der Lastwagenlenker tatsächlich drei Schriftstücke namens „Geständnis“ unterzeichnet. Vor Gericht behauptet der 30-Jährige allerdings, es sei in dem Schriftstück um den gemeinsamen Sohn gegangen. Auf Anregung ihres Verteidigers sucht die Angeklagte besagte Sprachnachrichten auf ihrem Telefon. Passagenweise werden diese allen Prozessbeteiligten vorgespielt. Die Schriftform des Telefongesprächs ist damit bestätigt. Der 30-Jährige räumt ein, dass das seine Stimme sei. Aber zu allen weiteren Fragen zuckt er nur mit der Schulter.

Obskur nennt der Richter die ganze Angelegenheit und erteilt dem Staatsanwalt für das Schlussplädoyer das Wort. Der muss feststellen, dass sich der Tatvorwurf gegen die Angeklagte nicht erhärten ließ. Im Gegenteil, der Hauptbelastungszeuge, ihr Ex-Freund, sei in entscheidenden Fragen die Antwort schuldig geblieben. Die Angeklagte müsse freigesprochen werden.

Dem hat der Verteidiger der Angeklagten nichts hinzuzufügen. In ihrem letzten Wort spricht die Angeklagte nochmals davon, wie stark sie die Sache belaste. Doch kurz darauf der Urteilsspruch des Richters: Die Angeklagte ist freigesprochen.

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Erstellt:
23. November 2021, 06:00 Uhr

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