Von der Bahn zu Go-Ahead

Der Zug der Zeit: Mit Go-Ahead und neuen Triebwagen durchs Remstal – Chaotischer Start am Pfingstwochenende

Auf der Remsstrecke hat der Bediener fast geräuschlos von der Bahn-AG zum neu in Deutschland aufgestellten britischen Konzern Go-Ahead gewechselt. Während der Feiertage schien alles nahezu reibungslos zu funktionieren, doch der Start in die Arbeitswoche verlief holprig, Verspätungen und Ausfälle sorgten für Ärger bei den Fahrgästen.

Am Pfingstsonntag, dem ersten Tag der neuen Remsbahn Go-Ahead, war sie sehr gut besucht. Bereits am Dienstag gab es dann die ersten Probleme. Foto: G. Schneider

© Gaby Schneider

Am Pfingstsonntag, dem ersten Tag der neuen Remsbahn Go-Ahead, war sie sehr gut besucht. Bereits am Dienstag gab es dann die ersten Probleme. Foto: G. Schneider

Von Jörg Nolle und Martin Winterling

WAIBLINGEN. Nicht, dass alle Verbesserung ausgerechnet einem englischen Eisenbahnunternehmen zugesprochen werden. Die Triebzüge hat das Land bestellt, es stellt sie Go-Ahead und anderen Anbietern zur Verfügung im Zuge des endlich gewählten Ausschreibungsverfahrens. Der erste Eindruck der „Flirt 3“-Züge von Stadler: Da rumpelt nichts. Da quietscht in Kurven keine Verkleidung und es klappern nicht die Verbindungstunnel. Zunächst sah am Pfingstwochenende alles danach aus, als könnte der Betreiberwechsel ein Komfortgewinn für alle Nutzer der Öffentlichen sein. Doch der Unmut ließ nicht lange auf sich warten. Die „Flirt“-Triebwagen sind ganz ohne Stufen, aber auch nicht ganz ebenerdig. Sanft gewellt zeigt sich der Untergrund. Wer von einem Wagen zum nächsten gehen will, sollte trittsicher sein.

Auf Schritt und Tritt aber spürt man, dass Winfried Herrmann und sein Verkehrsministerium zeigen wollen, wie Bahnfahren geht. Es gibt viele Erklärungen im Zug, aber sie sind im Ton freundlich gehalten. Bahnfahrer, kommst du mit dem Fahrrad, ganz im Sinn des Auto-Ausbrems-Ministers – du bist willkommen, machst freilich bei gehäuftem Aufkommen doch Probleme. Da heißt es dann im Rad-Abstellbereich: „Unsere Fahrgäste haben Priorität. Ihr Fahrrad nehmen wir gerne mit, sofern es die Kapazitäten erlauben und niemand dadurch beeinträchtigt wird.“ Und schon gleich zu Beginn sorgen die Fahrräder für Probleme. 111 der geplanten 115 Fahrten am Sonntag seien laut GoAhead durchgeführt worden. Ärger machten aber an Pfingsten die vielen Radler, die die Remsbahn benutzen wollten. Die Folge: Nur jeder zweite Zug sei pünktlich unterwegs gewesen.

Dreirädrige Fahrzeuge sind aus Platzgründen ausgeschlossen. Falls jemand sein Geschäftsmodell auf einem Lastenfahrrad mit Bahn-Beanspruchung aufbaut: So weit geht es dann doch nicht. Übrigens: „Es entscheidet das Zugpersonal.“ Vorrang haben auf jeden Fall Kinderwagen und Rollstuhl.

Ohne Ticket vorab geht nichts

Bahnfahrer, solltest du gemeinerweise ohne Ticket angetroffen werden – es sind nach wie vor 60 Euro fällig. Fahrkarten sind grundsätzlich vor Fahrtantritt zu lösen. Es war mal ein schöner Zug (der Bahn), dass Säumige noch im Zug zum Schaffner gehen konnten. Die Sanktionen drohen neuerdings in vier Sprachen, auch auf Türkisch.

Schön dann wieder die dynamische Fahrtzielanzeige. Mit einem Blick sieht der Kunde, wohin er transportiert wird. Was der nächste Halt ist, wie die weiteren Halte heißen. Und das entlang einer geschwungenen Kurve. Sodass der Eindruck entsteht: Das ist wirklich der Zug der Zeit. Wenn sich jetzt noch die Infrastrukturbereitsteller auf eine einheitliche Infrastruktur einigen könnten, wäre es fast super. Im Stuttgarter Hauptbahnhof wie auch in Waiblingen stimmt die Bahnsteighöhe nicht. Das Trittbrett fährt 20 Zentimeter zu tief aus. Aber es können auch keine Kleinkinder mehr bis aufs Gleis plumpsen.

Doch so idyllisch die Fahrt an den Feiertagen auch war, die ersten Beschwerden kommen am ersten Werktag nach dem Betreiberwechsel auf. Rudolf Sillaey wollte um 5.24 Uhr von Gmünd nach Schorndorf, er arbeitet bei Catalent. Zug um 5.24 Uhr ist ausgefallen, ebenso um 5.54 Uhr. Dann: Zug um 6.23 Uhr kam mit 20 Minuten Verspätung, „voll bis obenhin“. Er hatte dann bei jedem Halt gefühlte 20 Minuten Aufenthalt, weil die Türen nicht das Frei-Signal gegeben haben. Das Problem bei zu vollen Zügen. Der Zug fuhr dann auch nur bis Schorndorf und nicht nach Stuttgart.

Rudolf Sillaey war mit dem Ärger nicht allein. Eine Pendlerin, die morgens von Plüderhausen in Richtung Stuttgart zur Arbeit fahren wollte, erlebte Folgendes: Der Zug um 5.36 Uhr fiel aus. Der Zug um 6.06 Uhr fiel aus. Der Zug um 6.36 Uhr fiel aus. Der Zug um 7.06 Uhr kam irgendwann; weil viele einstiegen wollten, war er überfüllt und hatte eine überlange Standzeit am Bahnhof Plüderhausen...Andere, die zuvor auf den Bus in Richtung Schorndorf umgestiegen sind, mussten vor geschlossener Schranke warten, obwohl kein Zug fuhr. Irgendwann ging die Schranke wieder auf, ohne dass ein Zug durchgefahren wäre.

Bei aller Kritik am durcheinandergewirbelten Fahrplan: Sehr positiv fiel der Pendlerin auf, dass der neue Zug sehr leise ist. Davon haben nicht nur die Zugfahrer was, sondern auch die Anlieger. Nur die DB-Oldtimer, vor allem die Güterzüge, rumpeln noch sehr laut durch die Gegend.

Für Go-Ahead-Flottenmanager Christoph Schneider handelt es sich am Dienstag um die üblichen Fahrzeugstörungen beim Betriebsstart, die einem Bahnunternehmen das Leben schwer machen. Angefangen bei den Lokführern, die neu auf der Strecke unterwegs sind, über die technischen Probleme bei den Zügen bis hin zu den Fahrgästen, die sich ebenfalls auf die neuen Gegebenheiten in den neuen Wagen einstellen müssen.

Übliche Fahrzeugstörungen beim Betriebsstart

Wie die Schwäbische Post berichtet, war am Dienstag aufgrund von Dispositionsproblemen kein Zugverkehr zwischen Ellwangen und Crailsheim möglich. Stattdessen verkehrten Busse.

Nicht nur um Anlaufschwierigkeiten scheint es sich jedoch beim IRE Karlsruhe–Stuttgart–Aalen zu handeln, der zweistündig im Wechsel mit dem IC der Deutschen Bahn die Strecke bedient. „Die Fahrzeiten sind nicht fahrbar“, erklärte Flottenmanager Schneider. Die Folge: Der Zug fährt nur Karlsruhe–Stuttgart. Go-Ahead sei nun mit dem Land Baden-Württemberg, dem Aufgabenträger, in Verhandlung, wie die Strecke bedient werden kann. Das Problem ist wohl, dass die Fahrzeiten auf der insgesamt 160 Kilometer langen Strecken zu kurz bemessen sind. Die jeweils zehn Minuten, die den Zügen in Aalen und Karlsruhe für die Wende bleiben, reichten nicht aus.

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Erstellt:
12. Juni 2019, 06:00 Uhr

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