Von der Leyen droht Ungarn mit Strafverfahren

dpa Brüssel. Das Vorgehen von Viktor Orban in der Corona-Krise hat europaweit Besorgnis ausgelöst. Manche sehen die Demokratie in Gefahr. EU-Kommissionschefin von der Leyen will die Entwicklung beobachten - und hält sich Schritte offen. Andere wollen mehr sehen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen droht Ungarn erneut mögliche Konsequenzen an. Foto: Zheng Huansong/XinHua/dpa

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen droht Ungarn erneut mögliche Konsequenzen an. Foto: Zheng Huansong/XinHua/dpa

Angesichts des umstrittenen Corona-Notstandsgesetzes in Ungarn hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Budapest mit einem Strafverfahren gedroht.

„Ich bin bereit zu handeln, wenn die Einschränkungen das erlaubte Maß übersteigen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. „Dann drohen Vertragsverletzungsverfahren.“ Andere Politiker forderten schon jetzt konkrete Schritte gegen Ungarn.

Der rechtsnationale ungarische Regierungschef Viktor Orban hatte sich Ende März vom Parlament in Budapest mit umfassenden Sondervollmachten zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie ausstatten lassen. So kann er ohne zeitliche Befristung und gegebenenfalls ohne parlamentarische Kontrolle auf dem Verordnungsweg regieren. Das Notstandsgesetz hatte im In- und Ausland Kritik und Besorgnis ausgelöst.

Von der Leyen betonte, es sei grundsätzlich in Ordnung, wenn EU-Länder mit Notfallmaßnahmen auf die Krise reagierten. „Aber: Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, zeitlich begrenzt, demokratisch kontrolliert.“ Die Kommission beobachte das in allen Staaten, „aber bei Ungarn sehen wir aufgrund von kritischen Erfahrungen der Vergangenheit besonders genau hin“.

Ähnlich hatte die CDU-Politikerin sich bereits geäußert. Anfang des Monats sagte sie, sie sei „insbesondere über die Situation in Ungarn besorgt“, und erklärte: Falls nötig, werde die EU-Kommission handeln. Ein Vertragsverletzungsverfahren hat die Behörde seitdem allerdings nicht eingeleitet. Am Ende eines solchen Verfahrens könnte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof stehen.

Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley forderte hingegen schon jetzt konkrete Schritte gegen Ungarn und auch gegen Polen wegen deren Vorgehens in der Corona-Krise. „Derzeit ist die Versuchung für Regierungen in manchen Ländern der EU groß, sich unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung unbegrenzte Machtbefugnisse zu verschaffen“, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag).

In den EU-Verträgen hätten sich alle Länder zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Gewaltenteilung verpflichtet. Wo nationale Regierungen dies infrage stellten, müsse die EU-Kommission als Hüterin der Verträge handeln und Klage vor dem EuGH einreichen, forderte Barley. Sie verwies auf Ungarn, wo Orban unter dem Vorwand der Corona-Bekämpfung das Parlament auf unbestimmte Zeit entmachtet habe. Im Falle Ungarns hatte Barley schon zuvor gefordert, die EU-Kommission müsse eine einstweilige Verfügung beim EuGH beantragen.

In Polen halte die regierende PiS-Partei mit aller Macht an der Präsidentschaftswahl im Mai fest, obwohl ein freier und fairer Wahlkampf wegen der Pandemie unmöglich sei. „Für die Zukunft der EU ist es entscheidend, dass die Bekämpfung der Pandemie im Einklang mit den europäischen Werten einer liberalen Demokratie steht.“

Der konservative Seeheimer Kreis in der SPD fordert in einem Positionspapier, das dem Nachrichtenportal t-online.de vorlag, die EU solle Ungarn „in einem ersten Schritt“ alle EU-Gelder streichen. „Die Regierungen in Polen und Ungarn nutzen die Corona-Krise bewusst aus, um demokratische Strukturen in ihren Ländern immer weiter auszuhebeln“, heißt es in dem Papier, wie t-online.de am Samstag berichtete. „Beide Staaten treten europäische Werte mit den Füßen.“ Polen müsse die „verfassungswidrige Änderung“ seines Wahlrechts „sofort zurücknehmen und zu Rechtsstaatlichkeit zurückkehren“.

Auf welche Weise Ungarn Geld gestrichen werden soll, wird nicht klar. Derzeit verhandeln die EU-Staaten über einen neuen Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027. Deutschland und andere Länder dringen darauf, die Auszahlung von EU-Mitteln künftig an die Einhaltung gemeinsamer Werte wie Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Eine solche Koppelung an den Finanzrahmen wäre neu, ist aber umstritten.

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Erstellt:
12. April 2020, 09:39 Uhr

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