Während der Ausbildung ins Ausland gehen

Einige Firmen in Backnang und der Region ermöglichen ihren dualen Studenten und Auszubildenden, ein paar Wochen im Ausland Erfahrungen zu sammeln. Wir haben mit drei davon über ihre Zeit bei den Kollegen in Tschechien, den USA und Großbritannien gesprochen.

Andreas Horst ist dualer Student und arbeitet bei Harro Höfliger in Allmersbach im Tal. Das Unternehmen hat ihm ermöglicht, ein paar Wochen bei der Tochtergesellschaft in den USA zu arbeiten und dadurch wichtige Erfahrungen zu sammeln. Foto: Harro Höfliger

Andreas Horst ist dualer Student und arbeitet bei Harro Höfliger in Allmersbach im Tal. Das Unternehmen hat ihm ermöglicht, ein paar Wochen bei der Tochtergesellschaft in den USA zu arbeiten und dadurch wichtige Erfahrungen zu sammeln. Foto: Harro Höfliger

Von Anja La Roche

Rems-Murr. Viele Unternehmen ermöglichen ihren dualen Studenten und Auszubildenden, einen Teil ihrer Ausbildungszeit an einem Standort im Ausland zu verbringen. Dadurch können die Lernenden ihren Horizont erweitern: Sie erleben ein anderes Arbeitsumfeld in einer anderen Kultur, verbessern ihre Sprachkenntnisse und müssen sich selbstständig in einem neuen Team einbringen. Nicht zuletzt bieten die Unternehmen ihren Azubis eine einmalige Erfahrung und gestalten ein duales Studium oder eine Ausbildung attraktiver für junge Menschen – in Zeiten, in denen es an Fachkräften mangelt und bei einem Studium oft ein mögliches Auslandssemester winkt, ist das vermutlich keine schlechte Idee.

Markus Gebhardt, der Ausbildungsleiter der Firma Stoba in Backnang, sagt: „Die Azubis sollen neben unserem größten Standort in Backnang auch unsere Auslandsstandorte kennenlernen, um so die Beziehungen zu den internationalen Kollegen und Kolleginnen zu stärken und noch mehr Kompetenzen zu erlangen.“ Nach der Coronapandemie seien nun erstmals wieder vier Mitarbeiter in die Welt geschickt worden, um mehr von Stoba kennenzulernen.

Auch beispielsweise die Unternehmen Murrelektronik aus Oppenweiler und Harro Höfliger aus Allmersbach im Tal bieten Aufenthalte an ihren Standorten im Ausland an. Wir haben mit zwei dualen Studenten und einem Auszubildenden über ihre dortigen Erfahrungen gesprochen.

Daniel Wolf war in Großbritannien

Bei Stoba haben zwei Auszubildende für Zerspanungsmechanik den tschechischen Standort in Brno kennengelernt und zwei Auszubildende für Mechatronik haben Small Dole besucht – einer davon ist Daniel Wolf. Vor zirka einem Monat war der 22-jährige Backnanger in dem südenglischen Dorf. Zwei Wochen durften er und sein Kollege die Produktion dort kennenlernen. „Ich finde es toll, wie freundlich die Menschen dort sind“, sagt Daniel Wolf. Besonders spannend seien für ihn die Unterschiede im Betrieb gewesen, zum Beispiel sei die Prozesstechnik am britischen Standort ganz anders. Nach einer Einführung erhielten die Backnanger Azubis unter anderem Einblicke ins Instandhaltungs- und ins Ingenieurteam, in die Qualitätssicherung und die Logistik. Gewohnt haben sie jeder in einem eigenen Apartment.

Daniel Wolf ist Auszubildender bei der Firma Stoba und ist froh, dass er Gelegenheit hatte, das kleine englische Dorf Small Dole kennenzulernen. Foto: Stoba

Daniel Wolf ist Auszubildender bei der Firma Stoba und ist froh, dass er Gelegenheit hatte, das kleine englische Dorf Small Dole kennenzulernen. Foto: Stoba

Small Dole beschreibt Daniel Wolf als „ein kleineres Dörfchen mit Industriegebiet“. In seiner Freizeit habe er sich die Umgebung angeschaut, beispielsweise den Urlaubsort Brighton an der Südküste Englands. „Ich find es schön, dass wir die Gelegenheit bekommen haben“, resümiert er.

Andreas Horst war in den USA

Die Firma Harro Höfliger mit Sitz in Allmersbach im Tal bietet zwar kein Auslandsprogramm für Auszubildende an, aber die angehenden Wirtschaftsingenieure der Studienrichtung Internationales Technisches Vertriebsmanagement könnten bei der US-Tochtergesellschaft in Doylestown Praxisluft schnuppern, erklärt die Kommunikationsmanagerin Rosemarie Christ. Für Andreas Horst aus Kirchberg an der Murr war es vergangenes Jahr so weit: Der 24-jährige duale Student arbeitete siebeneinhalb Wochen in der US-Stadt nahe New York City.

Bei dem Allmersbacher Hersteller von Produktions- und Verpackungsmaschinen arbeitet er schon seit 2015. Dass er während seines dualen Studiums den Standort in den USA besuchen darf, war ihm daher bekannt. Es sei zwar nicht das entscheidende Kriterium gewesen, bei Harro Höfliger weiterzuarbeiten, aber es habe durchaus einen Einfluss gehabt, sagt Andreas Horst. „Ich bin sehr USA-affin.“

Er erzählt: „Ich habe intensiv den Betriebsalltag in den USA kennengelernt.“ Besonders aufgefallen sei ihm dabei, dass die Menschen untereinander einen entspannteren Umgang pflegen als in Deutschland. „Ich habe gelernt, wie ich anderen begegne“, sagt Andreas Horst. „Nicht förmlich, sondern locker.“ Sein Englisch habe er nicht unbedingt in fachlicher Hinsicht, dafür aber im Small Talk verbessert. Ein Skill, der ihm beim Kundenkontakt sicherlich helfen wird. Gewohnt hat er in einem Reihenhaus der Firma.

Insgesamt habe die Erfahrung im Ausland ihm geholfen, seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln, „im menschlichen und beruflichen Sinn. Das bieten nur ganz wenige Firmen“, sagt Andreas Horst.

Jonathan Pretzer ist in Tschechien

Bei der Firma Murrelektronik in Oppenweiler haben die dualen Studenten und die Azubis die Möglichkeit, die verschiedenen Niederlassungen des Unternehmens weltweit zu besuchen. Ausgewählt wird der Standort aufgaben- und projektbezogen. Jonathan Pretzer ist beispielsweise in Tschechien, weil er eine Kapazitäts- und Prozessanalyse bei einer Produktgruppe durchführt, die dort produziert wird.

Der Schwaikheimer absolviert ein duales Studium zum Wirtschaftsingenieur mit Vertiefung in der Elektrotechnik. Er studiert an der DHBW Stuttgart und arbeitet bei Murrelektronik. In Stod, einer Kleinstadt in Tschechien nahe der deutschen Grenze, ist er bereits seit acht Wochen, zwei weitere folgen noch.

Jonathan Pretzer lernt gerade das Arbeitsklima in Tschechien kennen. Foto: Murrelektronik

Jonathan Pretzer lernt gerade das Arbeitsklima in Tschechien kennen. Foto: Murrelektronik

„Alle Mitarbeiter sind sehr freundlich. Das Problem ist aber, dass viele kein Deutsch oder Englisch können“, erzählt Jonathan Pretzer, der 20 Jahre alt ist, von seinem bisherigen Aufenthalt. Die Arbeitsatmosphäre sei lockerer als in Oppenweiler, es werde mehr gesprochen, was aber auch am Großraumbüro liegen könne.

Positiv findet er, dass er mehr Eigenständigkeit lernt. „Ich muss mich selbstständig um alles kümmern und auf die Leute zugehen“, erzählt er. Auch die Stadt gefällt ihm. „Ich habe ein bisschen Tourist gespielt und mir alles angeschaut.“ Die Auslandserfahrung sei auch bei seiner Entscheidung für eine Firma durchaus relevant gewesen. „Ich habe da schon drauf geachtet“, sagt er.

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Erstellt:
12. Juli 2023, 15:30 Uhr

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