Warten auf genaue Regelungen

Behörden und Schulen verweisen darauf, dass das Gesetz zur Masern-Impfpflicht noch nicht alle Hürden genommen hat

Die Impfpflicht für Masern kommt: Das Bundeskabinett hat ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht, das sicherstellen soll, dass Kinder in Schulen und Kitas geimpft sind. Die Stadt Backnang will nach diesem Beschluss aber nichts überstürzen. „Wir warten ab, was letztendlich im Gesetzestext steht“, erklärt die Leiterin des Amts für Familie, Jugend und Bildung, Regine Wüllenweber.

Im Impfbuch wird festgehalten, welche Impfungen vorgenommen wurden. Erklärtes Ziel ist es, Krankheiten wie Masern weltweit zu eliminieren. Foto: A. Morlok

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Im Impfbuch wird festgehalten, welche Impfungen vorgenommen wurden. Erklärtes Ziel ist es, Krankheiten wie Masern weltweit zu eliminieren. Foto: A. Morlok

Von Armin Fechter

BACKNANG. Wüllenweber weist darauf hin, dass es im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, bei den Beratungen im Bundestag, durchaus noch Änderungen in den Bestimmungen geben kann. Sie hält es deshalb verfrüht, jetzt schon Elternbriefe zu verschicken oder andere Vorbereitungen zu treffen: „Wir machen keinen schallu.“ Man werde sich auf dem Laufenden halten, abwarten, was im Detail dann im Gesetz steht, und dann prüfen, welche Konsequenzen dies hat.

Der geschäftsführende Schulleiter der Backnanger Schulen, Heinz Harter, sieht gleichfalls keinen akuten Handlungsbedarf. „Bislang haben wir uns in der Backnanger Schulleiterrunde mit der Impfpflicht gegen Masern und deren konkreter Umsetzung noch nicht beschäftigt, noch ist sie ja im Bundestag nicht beschlossen“, erklärt er. Um sich mit dem Thema konkret auseinandersetzen zu können, brauche es „einen klaren amtlich verfügten Rahmen“. Dies auch vor dem Hintergrund, dass bei der Impfpflicht die Meinungen auseinandergehen.

Allerdings bringt das Gesetz neue Aufgaben mit sich: Bei der Schulanmeldung müssten schon jetzt verschiedene Dokumente vorgelegt werden, von der Geburtsurkunde bis zur Grundschulempfehlung. Künftig werde die Impfbescheinigung dazukommen. Diese Vorlage und auch die Kontrolle der Impfbescheinigung von Schülern, die sich bereits in der Schule befinden, bedeuteten einen Mehraufwand, macht Harter deutlich und mahnt, dass man diesen sehen und für die Schulsekretariate auch bedenken müsse. Schwierig für die Schulen könnte das Thema dann werden, wenn die erforderlichen Bescheinigungen nicht innerhalb des angedachten Zeitraums bis Juli 2021 vorliegen. Harter: „Diese dann einzufordern, ist mit Sicherheit unangenehm und auch emotional schwierig.“

Christoph Ernst, Geschäftsführer der Waldorfschule Backnang, lässt keine Zweifel: „Wir werden das Gesetz ausführen.“ Allerdings weist auch er darauf hin, dass es sich bislang erst um einen Kabinettsbeschluss handelt. Noch stehe nicht fest, was am Ende tatsächlich im Gesetz stehen werde und was in puncto Ausführung festgelegt wird. Die eigentliche Entscheidung, was die Impfpflicht angeht, liege im Übrigen bei den Eltern und sei nicht Sache der Schule, macht er deutlich: Es werde eine spannende Frage sein, ob alle Eltern dabei mitmachen.

Die Entscheidung über das Impfen liegt bei den Eltern

Von der Impfpflicht betroffen sind aber nicht nur Kinder und Jugendliche in den Kitas und Schulen. Sie soll vielmehr auch für bestimmte Gruppen von Erwachsenen gelten, beispielsweise Bewohner von Flüchtlingsunterkünften. In diesem Zusammenhang unterstreicht das Landratsamt: „Das Ziel des Gesetzes ist der Schutz der Allgemeinheit.“ Die Masern-Impfung sei ein fester Bestandteil der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko), also eine allgemein für Deutschland empfohlene Impfung.

Weiter führt das Landratsamt aus: „Durch die ordnungsgemäß durchgeführte Impfung kann die Masern-Erkrankung zuverlässig verhindert werden – eine Erkrankung, die relativ häufig mit Komplikationen einhergeht und sogar tödlich verlaufen kann. Insofern ist aus medizinisch-epidemiologischer Sicht eine Masern-Impfpflicht grundsätzlich zu begrüßen.“ Allerdings sei noch unklar, wie die genaue Umsetzung aussieht. Weiter hält die Behörde fest: „Impfpflicht heißt im Übrigen nicht, dass die Impfung zwangsweise durchgeführt werden darf.“ Man müsse allerdings, so die Mahnung, mit Nachteilen rechnen, wenn man selbst oder sein Kind nicht geimpft ist.

Wolfgang Steinhäußer, Vorsitzender der Backnanger Ärzteschaft, weist auf die Risiken einer Masern-Erkrankung hin, die mit schweren Krankheitsbildern und bleibenden Schäden bis hin zum Tod einhergehen könne. Die Kinderärzte seien daher sehr konsequent, wenn es um die Schutzimpfungen geht. Auch der Impfstatus älterer Patienten werde in den Praxen regelmäßig geprüft und aktualisiert. Steinhäußer erinnert auch an die Impfungen, die in jüngster Zeit hinzugekommen sind, etwa gegen Gebärmutterhalskrebs oder Gürtelrose, und an den Kampf gegen Hepatitis A und B. Diskussionen gebe es aber vor allem um die Masern-Impfung, dabei werde die Krankheit, so warnt er, ganz leicht durch Tröpfcheninfektion übertragen. Dass das neue Gesetz ein Bußgeld für Impfverweigerer vorsieht, findet Steinhäußer nicht schön: „Aber ich weiß um die Fakten.“

Info
Bei Verstößen droht ein Bußgeld von 2500 Euro

Nach dem Gesetzentwurf müssen ab März 2020 Eltern vor der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kita oder Schule nachweisen, dass diese geimpft sind. Die Impfpflicht gilt auch für Tagesmütter und das Personal in Kitas, Schulen, in der Medizin und in Gemeinschaftseinrichtungen wie Flüchtlingsunterkünften. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 2500 Euro. Ungeimpfte Kinder dürfen in Kitas nicht mehr aufgenommen werden. Nach dem Kabinett muss jetzt noch der Bundestag zustimmen.

Kinder und Personal, die bei Inkrafttreten des Gesetzes nächsten März schon in einer Kita, Schule oder Gemeinschaftseinrichtung sind, müssen die Impfung bis spätestens 31. Juli 2021 nachweisen.

Erbracht werden kann der Nachweis durch den Impfausweis, das gelbe Kinderuntersuchungsheft oder durch ein ärztliches Attest, aus dem hervorgeht, dass man die Masern schon hatte. Ziel ist, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), möglichst alle Kinder vor Masern zu schützen.

Hintergrund ist ein weltweiter Anstieg der Masern-Erkrankungen. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 543 Fälle gemeldet. Bis Mitte Juli waren es laut Robert-Koch-Institut schon mehr als 440 Fälle.

Der Deutsche Ethikrat hat sich gegen eine generelle Impfpflicht ausgesprochen. Das Gremium empfahl stattdessen eine Pflichtimpfung ausschließlich für bestimmte Berufsgruppen, etwa im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich. Eine Impfpflicht für Kinder, verbunden mit finanziellen Sanktionen, lehnt der Ethikrat ab – unter anderem, weil die Kinder finanziell schlechter gestellter Eltern wesentlich stärker unter den Folgen zu leiden hätten als Kinder wohlhabender Eltern.

2017 waren bundesweit 97,1 Prozent der Schulanfänger einmal gegen Masern geimpft, die zweite Impfung hatten 92,8 Prozent. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Quote von mindestens 95 Prozent mit beiden Impfungen erforderlich, um die Masern zu eliminieren.

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Erstellt:
19. Juli 2019, 06:00 Uhr

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