Klitschko bei Maischberger
„Warum 50 Tage Zeit für Putin?“
Kiews Bürgermeister fordert in der ARD-Talkrunde mehr Druck auf Moskau, und Sigmar Gabriel (SPD) lobt den „Außenkanzler“ Friedrich Merz.

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Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko war der Sendung zugeschaltet (Archivbild).
Von Christoph Link
Die neue härtere Gangart von US-Präsident Donald Trump gegenüber Russland war natürlich das Top-Thema bei der ARD-Talkrunde von Sandra Maischberger und sie fand einhellige Zustimmung bei allen Studiogästen.
„Ich stehe voll auf der Seite der Ukraine“, bemerkte der geladene Kabarettist Jürgen Becker („Mitternachtsspitzen“) und Michael Bröcker, Chefredakteur von Tablemedia, befand, dass die von Trump angekündigten „sekundären Zölle“ in Höhe von 100 Prozent gegen Länder, die in Russland Waren einkaufen, sehr schmerzhaft für die russische Ökonomie sein könnten, vor allem im Öl- und Gasgeschäft mit Ländern wie Indien und China.
Tatsache ist aber auch, dass diese Zölle erst erhoben werden sollen, falls es nicht binnen 50 Tagen zu einem Deal mit Moskau über den Ukraine-Krieg kommt. „Ich weiß nicht, ob Donald Trump weiß, ob er das auch wirklich durchziehen will“, meinte die „Zeit“-Journalistin Anna Mayr. Dass die Ukraine jetzt weitere amerikanische Waffen zur Verteidigung erhalte, das sei aber eine Win-Win-Situation für das angegriffene Land.
„1000mal Dank an Deutschland“
Dankbar und halbwegs erleichtert zeigte sich auch der zugeschaltete Bürgermeister Vitali Klitschko: „Wir brauchen Patriots und andere Luftabwehrsysteme. Die Angriffe auf die Hauptstadt sind intensiver geworden, wir erleben jeden Tag Luftalarm und Anflüge von Kamikaze-Drohnen und Raketen“, so Klitschko. Seit Kriegsbeginn seien in Kiew 1600 Gebäude zerstört und mehr als 300 Zivilisten – darunter viele Kinder – getötet worden. „Ich möchte in dieser Situation aber auch 1000mal Dank sagen für die Luftabwehrsysteme aus Deutschland und den USA“. Man brauche auch weiterhin Waffen für die 1500 Kilometer lange Frontlinie mit Russland.
„Aber warum noch mal 50 Tage Zeit für Putin?“, fragte Klitschko in Bezug auf die von Trump gesetzte Frist. Trump hoffe vielleicht, dass Putin den Krieg noch stoppen werde, doch der russische Präsident verstehe nur die Sprache der Stärke. Im Übrigen, so Klitschko, sei dieser Verteidigungskrieg der Ukrainer nicht nur deren eigene Sache: „Wir verteidigen auch Euch in Europa.“
Friedensnobelpreis für Trump?
Eine Kehrtwende in der amerikanischen Politik stellte auch der Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) fest. Trump habe offenbar erkannt, dass er von Putin „am Nasenring durch die Manege geführt“ werden sollte. Auf die Frage, inwieweit die Person Trump als Kandidat für den Friedensnobelpreis in Betracht gezogen werden könnte, antwortete Gabriel sehr ausweichend, aber er gab immerhin zu verstehen, dass er es nicht für ganz abwegig hält.
Er zitierte ein Interview, das Trump schon 1980 dem „Playboy“ gegeben hat, worin er erstens deutsche Luxusautos von der Fifth Avenue verbannen will und zweitens seine Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement der Amerikaner irgendwo auf der Welt bekundete. Er folge da einer Spur des US-Demokraten Bernie Sanders: „Stopp these endless wars!“. Trump sei keiner, der mit dem Krieg spiele, meinte Gabriel, und seinem Luftschlag gegen den Iran sei Warnungen vorausgegangen. Tatsache sei aber auch, dass Trump jetzt in der Ukraine mit einem Krieg zu tun habe, der schon existiere.
Gabriel gibt Merz gute Noten
Auf die deutsche Ukraine-Politik angesprochen bemerkte Gabriel, dass er das SPD-Friedensmanifest der Genossen Ralf Stegner und Rolf Mützenich für „unhistorisch“ halte. Es propagiere eine Wende hin zur Diplomatie, die Moskau bereits mehrfach angeboten worden, aber ausgeschlagen worden sei. Das Papier setze fehlerhaft die frühere Sowjetunion mit dem heutigen Russland gleich. Die Sowjetunion sei am Status quo interessiert gewesen, Russland heute sei aber eine „revisionistische Macht“, die die Grenzen mit Gewalt verschieben wolle.
Dem in der Sendung mehrfach als „Außenkanzler“ titulierten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gab Gabriel für seine außenpolitischen Leistungen gute Noten. In der vergangenen Regierung – unter Olaf Scholz (SPD) – sei das deutsch-französische Verhältnis, aber auch das zwischen Deutschland und Polen, „verheerend“ gewesen. Diese negative Entwicklung habe aber schon unter Kanzlerin Angela Merkel begonnen. Es sei gut gewesen, dass Merz das jetzt wieder „in Ordnung“ gebracht habe.
Lernen von Dänemark
Die Perspektive aus einem Nachbarland brachte am Ende der Sendung der Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU )aus Schleswig-Holstein ein, der in Kopenhagen geboren ist und die dänische und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Madsen ist vielen Zuschauern noch aus der Corona-Zeit in Erinnerung, als er als Bürgermeister von Rostock oft als Gast in die TV-Studios eingeladen wurde, weil er eine eigenwillige, die Infektionszahlen drückende Politik verfolgte. Jetzt sprach Madsen darüber, dass die Dänen bisher schon immer mit Skepsis auf die Sparpolitik der Deutschen geschaut hätten: „Wollen die sich kaputt sparen?“ habe es geheißen, denn in Kopenhagen habe die Wirtschaft mit einer lockereren Geldpolitik floriert und die Arbeitslosigkeit habe bei zwei Prozent gelegen.
Madsen ist überzeugt davon, dass durch das beschlossene Infrastrukturprogramm jetzt ein „Ruck“ durchs Land gehen werde, die Wirtschaft müsse Vertrauen gewinnen, Straßen und Schienen seien verschlissen, das gebe auch gut Aufträge. Allerdings werde „von Geld allein“ auch nichts gebaut. „Wir müssen auch an die Prozesse ran. Wenn Planung und Bau einer Eisenbahnbrücke zehn bis 20 Jahre dauern, dann ist das zu lange.“ Von Dänemark lernen könnte Deutschland laut Madsen auch in der Migrationspolitik, etwa beim Schmuckabgabegesetz, wonach in Dänemark ankommende Ausländer zunächst einmal eigene Vermögenswerte einsetzen, bevor sie staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, oder beim Getto-Gesetz, das einen Migrantenanteil in Wohnvierteln begrenzt, damit keine Parallelgesellschaften entstehen.