Geschlossene Gesellschaft

Warum die Deutschen heute weniger tolerant sind

Weniger Offenheit in Deutschland: Das ist das Ergebnis des Vielfaltsbarometers. Laut Erhebung ist nur noch für jeden Dritten Vielfalt bei der Religion eine Bereicherung.

CSD am 30. August 2025 in der thüringischen Kleinstadt Suhl: Die Toleranz der Deutschen hat einen Dämpfer erlitten.

© Imago/Müller-Stauffenberg

CSD am 30. August 2025 in der thüringischen Kleinstadt Suhl: Die Toleranz der Deutschen hat einen Dämpfer erlitten.

Von Markus Brauer/KNA

GLassen Sie andere oder fremde Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten gewähren? Sind Sie gegenüber Minderheiten duldsam? Die Deutschen sind es immer weniger. Laut einer Studie sind die Bundesbürger heute weniger tolerant als noch vor fünf Jahren.  

  Bei einer am Dienstag (16. September) in Stuttgart veröffentlichten Umfrage der Robert-Bosch-Stiftung sagten lediglich 34 Prozent, dass sie Vielfalt bei der Religion als Bereicherung erachteten und 56 Prozent bei der ethnischen Herkunft. 2019 waren dies mit 44 sowie 73 Prozent noch deutlich mehr.

Vielfalt in 7 Kategorien gemessen

Insgesamt wurden beim sogenannten Vielfaltsbarometer sieben Kategorien erfasst: Er ist eine repräsentative Befragung und misst Einstellungen zu Lebensalter, Behinderung, Geschlecht, sexueller Orientierung, wirtschaftlicher Schwäche, ethnischer Herkunft sowie Religion.

Aus allen Themenfeldern berechnen die Studienautoren einen Durchschnitt. Auch dieser „Vielfaltsgesamtindex“ fiel von 68 Punkten im Jahr 2019 auf aktuell 63 Punkte. Am stärksten war die Akzeptanz von Vielfalt in den Bereichen Behinderung (82 zu 83 im Jahr 2019) und Geschlecht (74/69).

35 Jahre nach der Deutschen Wiedervereinigung konnten die Autoren in der Gesamtbilanz keinen spezifischen Ost-West-Unterschied mehr feststellen. „Der Westen hat sich dem Osten stark angenähert“, sagt Studienleiterin Regina Arant. Hintergrund sei ein starker Toleranzrückgang in Stadtstaaten und westdeutschen Flächenländern.

Krisen führen zu weniger Toleranz

Im Vergleich zwischen den Bundesländern macht die Befragung aber weiterhin Unterschiede deutlich:

So zeigen die Menschen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit je 65 auf einer Skala bis 100 den höchsten Wert für die Akzeptanz von Vielfalt.

Das Saarland und Hamburg folgten mit 64.

Mit 63 genau im Bundesdurchschnitt lagen Niedersachsen, Bremen, Berlin, Bayern und Rheinland-Pfalz.

Hessen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Baden-Württemberg erreichten den Wert von 62.

Thüringen und Sachsen mit 60 sowie Mecklenburg-Vorpommern mit 59 erzielten in der Befragung die niedrigsten Werte.

Als Grund sinkender Toleranz verweisen die Studienautoren auf ein Zusammenspiel unterschiedlicher globaler Krisen wie Corona, Krieg und Rezession. „Viele Menschen fühlen sich aktuell verunsichert oder überfordert. Verlustängste führen dazu, dass Abgrenzung als vermeintlicher Schutz empfunden wird“, betont die Leiterin Globale Fragen bei der Bosch Stiftung, Ottilie Bälz.

Für die Umfrage wurden laut Bosch-Stiftung im Mai rund 4800 deutschsprachige Personen ab 16 Jahren online befragt. Darunter waren etwas mehr als 1000 Menschen mit Migrationsgeschichte.

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Erstellt:
16. September 2025, 11:48 Uhr

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