Grün statt blau
Warum die Ozeane immer grüner werden
Vielfach sind von den Folgen des Klimawandels diejenigen betroffen, die kaum dazu beigetragen haben. Das gilt auch für die vielen Küstenfischer südlicher Länder.

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Mehr Phytoplankton bedeutet grüneres Wasser, weniger Phytoplankton blaueres Nass.
Von Annett Stein (dpa)/Markus Brauer
Die Ozeane ergrünen polwärts, wie Satellitenbilder zeigen. Gleichzeitig wird das Ozeanwasser in subtropischen Regionen der Nordhalbkugel blauer. Die Färbung geht auf das grüne Pigment Chlorophyll zurück, über das die energieliefernde Photosynthese von Phytoplankton – winzigen Algen und Cyanobakterien – abläuft.
Weniger Chlorophyll bedeutet eine geringere Energieausbeute und damit ein geringeres Wachstum der Lebensformen im Meer, die die Grundlage aller Nahrungsketten bilden. Auswirkungen auf die Fischerei und die Wirtschaft von Küstenstaaten seien zu befürchten, schreibt das Team um Haipeng Zhao von der Duke University in Durham (USA) im Fachjournal „Science“.
ฅNya! Here's the latest from [ Science Current ]: " Greener green and bluer blue: Ocean poleward greening over the past two decades" : https://t.co/kklWhwGqX7 — Dr. Meow (@Dr_Nyaa) June 19, 2025
Weniger Phytoplankton, weniger Energie
Die Färbung wird verursacht von winzigen Algen und Cyanobakterien, sogenanntem Phytoplankton. Phytoplankton trägt den grünen Farbstoff Chlorophyll in sich und betreibt damit Fotosynthese – gewinnt also mithilfe von Licht aus Kohlendioxid (CO₂) Energie. Mehr Phytoplankton bedeutet grüneres Wasser, weniger Phytoplankton blaueres.
Gibt es wenig Phytoplankton, bedeutet das allerdings auch eine geringere Energieausbeute. Die Lebewesen im Meer, welche die Grundlage aller Nahrungsketten bilden, wachsen langsamer. Auswirkungen auf die Fischerei und die Wirtschaft von Küstenstaaten seien zu befürchten, schreibt das Team um Haipeng Zhao von der Duke University in Durham (USA).
„Als ob die Reichen reicher und die Armen ärmer werden“
Der Auswertung zufolge verzeichnete unter anderem der Arktische Ozean einen deutlichen Chlorophyll-Anstieg. Die Forscher haben Satellitenbilder von der Meeresoberfläche des offenen Ozeans aus den Jahren 2003 bis 2022 ausgewertet.
Demnach gibt es ein zunehmendes Ungleichgewicht: Grüne Bereiche mit höherem Chlorophyllgehalt werden vor allem in der nördlichen Hemisphäre grüner. Es wird von Lebensformen dort also offenbar immer mehr Fotosynthese betrieben.
Blaue Bereiche hingegen werden blauer, verlieren also an ohnehin geringerer Produktivität. „Das ist so, als ob die Reichen reicher und die Armen ärmer werden“, erklärt Zhao.
Sorge um Fischfang
Die Ozeane tragen etwa zur Hälfte zur Primärproduktion der Erde bei, auf der das Nahrungsnetz aller Lebewesen basiert. Geht das Phytoplankton in äquatorialen Regionen weiter zurück, könnte das die Fischerei verändern. Auf die aber seien viele Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen wie die Pazifikinseln für ihre Ernährung und wirtschaftliche Entwicklung angewiesen, schreiben die Autoren.
Mehr als die Hälfte des weltweiten Fischfangs stammt demnach derzeit aus tropischen und subtropischen Regionen, in denen die Ozeane blauer werden. Die Wissenschaftler halten einen Rückgang der Fischbestände und damit der Fangmengen dort und eine Zunahme in hohen Breitengraden für möglich.
Steigende Temperatur problematisch
„Insgesamt gehen wir davon aus, dass steigende Temperaturen eine zentrale Rolle bei der Ausprägung dieser beobachteten Muster spielen“, erläutert Zhao. Obwohl das Team mit seinem Datensatz allein keine Kausalität nachweisen könne, werde dieser Zusammenhang durch Ergebnisse aus anderen Studien gestützt.
„So können beispielsweise höhere Temperaturen in Polarregionen das Schmelzen des Meereises beschleunigen, was wiederum zu einer längeren Wachstumsperiode für Phytoplankton führt – und damit zu erhöhten Chlorophyllwerten“, konstatiert der Forscher.
Beständige und eindeutige Trends
In subtropischen Regionen hingegen würden wärmere Gewässer in der Regel die Schichtung verstärken, wodurch der Nährstoffaustausch aus tieferen Schichten eingeschränkt werde. „Das führt letztlich zu einem Rückgang von Phytoplankton und Chlorophyll-Konzentrationen.“ Setzt sich der Farbtrend fort, könnte das die Fischerei beeinträchtigen
Weitere entscheidende Einflussfaktoren für die Chlorophyllkonzentration sind den Wissenschaftlern zufolge die Lichtverfügbarkeit, Windgeschwindigkeit und die Dicke der gut durchmischten Oberflächenwasserschicht. „Was mich am meisten überrascht hat, war, wie beständig und eindeutig die breitenabhängigen Trends waren.“
Trend im Norden besonders ausgeprägt
Das Team habe eine neue Methode entwickelt, um globale Trends in der Phytoplankton-Population anhand von Chlorophylldaten über Breitengrade hinweg zu analysieren, schreibt der Meeresforscher Raphael Kudela von der University of California, Santa Cruz, in einem die Studie begleitenden Kommentar .
„Die Ergebnisse zeigen: In den Subtropen und Tropen nimmt die Chlorophyllkonzentration ab (das Wasser wird blauer), während sie in hohen Breiten zunimmt (das Wasser wird grüner). Besonders ausgeprägt ist dieser Trend auf der Nordhalbkugel“,resümiert er.
Auch Kudela ist überzeugt: „Wenn sich dieses Muster fortsetzt, könnten tiefgreifende Auswirkungen auf die globalen marinen Ökosysteme auftreten, die nicht nur die Fischerei, sondern auch die Biogeochemie und Ökologie der Meeresumwelt betreffen.“
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