Russland

Warum Putin seinen Getreuen Schoigu versetzt

Die Absetzung des russischen Verteidigungsministers zeigt, dass in der Ukraine nicht alles nach Plan läuft. Der neue Mann – Andrej Beloussow – steht für den Krieg als Basis der russischen Wirtschaft.

Sergej Schoigu, bisher russischer Verteidigungsminister, wird Sekretär des Sicherheitsrates.

© dpa/Alexander Zemlianichenko

Sergej Schoigu, bisher russischer Verteidigungsminister, wird Sekretär des Sicherheitsrates.

Von Inna Hartwich

Noch am vergangenen Donnerstag hatte Sergej Schoigu mit finsterer Miene die Militärparade auf dem Roten Platz angeführt. Ihn, der mit Russlands Präsident Wladimir Putin immer wieder durch die Taiga streifte, der aber nicht die erwünschten Erfolge in der Ukraine einbrachte, schien nichts erschüttern zu können.

Am Sonntagabend folgte jedoch eine brisante Entscheidung: Putin enthob Schoigu seines Amtes als Verteidigungsminister. Das erfolgte im Rahmen der Regierungsumbildung nach Putins Amtseinführung vor einer Woche. Schoigus Nachfolger soll der bisherige Vizeregierungschef Andrej Beloussow werden, ein Zivilist und Wirtschaftsexperte, der als Ideologe der Staatsökonomie gilt.

Wechsel in den Nationalen Sicherheitsrat

Schoigu soll derweil den Posten des Sekretärs im Nationalen Sicherheitsrat übernehmen und dem Putin-Vertrauten Nikolai Patruschew nachfolgen, dabei weiterhin für Rüstungsfragen verantwortlich sein. Was aus Patruschew wird, ist noch nicht bekannt. Das Parlament muss die Entscheidungen noch bestätigen, das gilt allerdings als Formsache.

Die Absetzung ist überraschend, und sie ist es gleichzeitig nicht. Überraschend ist sie deshalb, weil keiner derer, die in den vergangenen Wochen innerhalb und außerhalb Russlands Putins Personalpolitik vorherzusagen versucht hatten, Beloussows Aufstieg vorhergesehen hat. Ein promovierter Ökonom, der nicht gedient hat – auch Schoigu hat im Übrigen nicht gedient – und nie dadurch aufgefallen war, sich in Armeefragen auszukennen, wird plötzlich der Mann der Stunde.

Neuer Verteidigungsminister ist ein Wirtschaftsexperte

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von einer bewussten Entscheidung, die Armee in zivile Hände zu geben, um diese innovativer zu machen. Der Schritt, den früheren Wirtschaftsberater Putins, der in den vergangenen gut vier Jahren Russlands Wirtschaftspolitik koordiniert hat, zum Armeechef zu machen, zeigt, dass der Krieg in der Ukraine mittlerweile die Basis für die russische Wirtschaft ist. Der 65-jährige Beloussow soll das Ministerium offenbar effizienter machen und die Kosten an der Front optimieren. Für militärische Entscheidungen dürften weiterhin Generalstabschef Waleri Gerassimow und Putin selbst zuständig sein.

Nicht unerwartet kommt die Absetzung, weil Schoigus Stuhl praktisch seit der Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 gewackelt hat. Der bald 69-Jährige, der die Armee als modernen und effizienten Apparat verkauft hatte, lieferte nicht das, was Putin gehofft hatte: die Einnahme Kiews innerhalb von drei Tagen.

Festnahme eines Schoigu-Vertrauten

Schoigu stand ständig in der Kritik der Soldaten und der sogenannten Militärblogger. Jewgeni Prigoschin, der mittlerweile umgekommene Chef der Söldnertruppe Wagner, hatte ihn praktisch täglich verbal angegriffen. Diese oft sprachlich entgleisenden Attacken hatte Schoigu genauso überlebt wie Prigoschins gescheiterte Rebellion im Juni 2023 und die Wechsel in der Generalität. Dass ein Damoklesschwert über ihm schwebte, zeigte die Festnahme seines Stellvertreters Timur Iwanow vor drei Wochen. Wegen Korruption in Millionenhöhe sitzt Schoigus langjähriger Vertrauter in U-Haft.

Das war auch ein Zeichen an Schoigu, der dem Militär über Jahre hinweg zum Ansehen in der russischen Gesellschaft verholfen hatte. Er stammt aus der ärmlichen Region Tuwa an der Grenze zur Mongolei. Von dort rekrutiert der Staat nun vielfach seine Soldaten für den Krieg in der Ukraine.

Der „militärischen Spezialoperation“ wird alles untergeordnet

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war der studierte Bauingenieur nach Moskau gekommen. Unter Boris Jelzin wurde er Minister für Katastrophenschutz, ein nahbarer, wenn auch wortkarger Problemlöser. 2012 machte ihn Putin zu seinem Verteidigungsminister. Er war es, der für die Eroberung der ukrainischen Halbinsel Krim zuständig war und auch für die Intervention in Syrien ein Jahr später. Die einst rückständige Truppe wurde unter Schoigu zur hochgerüsteten Schlagkraft. Unter Schoigu verlor sie allerdings diesen Status auch wieder.

„Alles läuft nach Plan“, sagt Wladimir Putin immer wieder gern. Sein Umbau im Verteidigungsministerium offenbart, dass der Plan nun ein anderer sein muss. Welcher, wird sich unter Beloussow zeigen. Der sagte bereits im ersten Kriegsjahr, dass die Gesellschaft sich endlich darüber bewusst werden müsse, dass alles den Nöten der „militärischen Spezialoperation“ unterliege.

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Erstellt:
13. Mai 2024, 11:44 Uhr

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