Vor 45 Jahren
Warum wurde John Lennon ermordet?
Vor 45 Jahren erschoss Mark David Chapman den Musiker John Lennon vor dessen Wohnhaus in New York. Bis heute bleiben die Motive dieses Täters ein verstörender Mix aus Fanatismus, psychischer Krise und persönlicher Besessenheit.
© IMAGO / ZUMA Press
John Lennon 1969 in Toronto, Kanada.
Von Katrin Jokic
Am 8. Dezember 1980 erschoss Mark David Chapman den Musiker John Lennon vor dem Dakota Building in New York. Der Mord schockierte die Welt: Was bringt einen Mann dazu, einen der berühmtesten Musiker der Geschichte zu töten?
Die Antwort ist eine Mischung aus Fanatismus, psychischer Instabilität, persönlicher Krise und dem Drang, Bedeutung zu erlangen.
Früher Verehrung, später Besessenheit
Chapman wuchs mit einer starken Verehrung für die Beatles auf. Aus dem Fan wurde ein Fanatiker. Seine Jugend war geprägt von Drogenproblemen, Klinikaufenthalten und später einer extremen religiösen Hinwendung. Besonders Lennons Satz aus dem Jahr 1966, die Beatles seien „populärer als Jesus“, traf auf Chapmans fundamentalistische Weltanschauung und begann, seine Wahrnehmung zu verzerren.
Aus Bewunderung wurde Verbitterung: Chapman sah in Lennon zunehmend einen „Heuchler“. Einerseits, so sang Lennon in Hits wie „Imagine“ von einer Welt ohne Besitztümer, ohne Gier und Hunger. Andererseits lebte Lennon selbst im Luxus.
Bücher über Lennons Lebensstil verstärkten diese Sicht. Chapmans Denken driftete ab: Er fühlte sich persönlich betrogen von einem Mann, den er zuvor vergöttert hatte.
Welche Rolle „Der Fänger im Roggen“ spielte
Chapman litt jahrelang unter schweren psychischen Problemen. Sechs von neun Gutachtern bescheinigten später eine Psychose. Sein Denken kreiste um J.D. Salingers Roman „Der Fänger im Roggen“. Er identifizierte sich mit der Figur Holden Caulfield und missinterpretierte das Buch als Auftrag, einen „Phony“ – einen vermeintlichen Schwindler – zu töten.
Chapman schrieb in ein Exemplar des Buchs „This is my statement“ und signierte mit „Holden Caulfield“. Für ihn wurde die Tat zum perversen Versuch, dem Roman Bedeutung zu verleihen oder selbst eine symbolische Rolle einzunehmen.
Eine Mischung aus Wut, Neid und Größenwahn
Chapmans Begründungen wechselten über die Jahre. Teilweise sprach er von religiöser Rechtfertigung, teilweise von der Idee, durch den Mord berühmt zu werden. In einer späteren Anhörung nannte er seine Motive „egoistisch“. Andere Aussagen zeigen klassischen Größenwahn: Er glaubte, Lennon zu „entlarven“, weil dieser angeblich nicht lebte, was er predigte.
Zentral bleibt: Chapman war ein Mensch, der in seinem eigenen Leben Halt verlor, seine Identität an ein Idol band und aus dieser Überhöhung heraus in Hass, Neid und ein paranoides Weltbild rutschte.
Vorbereitung und Tat
Chapman plante den Mord über Monate – jedoch chaotisch und psychotisch getrieben. Er reiste mehrfach nach New York, verwarf Pläne, kehrte zurück. Seine Frau wusste von seinen Fantasien, meldete es aber nicht.
Am 8. Dezember 1980 wartete Chapman vor Lennons Wohnhaus. Am Nachmittag ließ er sich das Album „Double Fantasy“ signieren. Am Abend schoss er Lennon viermal in den Rücken. Chapman blieb danach am Tatort, setzte sich auf den Bordstein und las „Der Fänger im Roggen“, bis die Polizei eintraf.
Nachwirkungen
Chapman wurde 1981 zu 20 Jahren bis lebenslänglich verurteilt. Er zeigt bis heute widersprüchliche Erklärungen zu seinen Motiven. Mehrere Bewährungsgesuche wurden abgelehnt – auch, weil Yoko Ono bis heute Angst vor ihm hat. Seit 2022 sitzt er in der Green Haven Correctional Facility in Beekman, New York. In diesem Jahr ist Chapman 70 Jahre alt geworden.
Der Mord an Lennon bleibt ein Beispiel dafür, wie gefährlich die Verknüpfung aus psychischer Instabilität, Fanatismus und der Wunsch nach Aufmerksamkeit werden kann.
