Was bleibt, ist Schadensbegrenzung

Der Vertrauensverlust durch die „Geister-Lehrer“ ist immens. Versagt wurde an breiter Front.

Von Annika Grah

Stuttgart - Es ist nicht nur, dass Baden-Württemberg zum bundesweiten Gespött im Netz wurde. Es ist vielmehr das schlechte Gefühl, dass über 20 Jahre niemand so genau hingeschaut hat. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass 1440 Lehrerstellen nicht besetzt wurden, weil sie wegen eines Datenfehlers fälschlicherweise als belegt in den Programmen der Kultusverwaltung geführt wurden.

Schnell versucht sich die Landesregierung an Erklärungen: Das Problem begrenze sich auf die Kultusverwaltung, die wegen Deputatsstunden und vielen unterschiedlichen Arbeitsmodellen eine besonders komplizierte Personalplanung zu stemmen habe. Das Finanzministerium habe keine Einblicke in die Personalplanung gehabt und hätte angesichts der immer weiter anwachsenden Personalkosten auch nicht stutzig werden können. Die Kultusministerin merkte an, die Stellen hätten in den vergangenen Jahren angesichts des Lehrermangels ohnehin nicht besetzt werden können.

Doch damit ist es nicht getan. Sicher – ein materieller Schaden ist auf den ersten Blick nicht entstanden. Die rund 120 Millionen Euro, die die 1440 Stellen über den Daumen gepeilt jährlich gekostet hätten, sind nicht ausgegeben und auch nicht zurückgehalten worden. Sie wurden sogar nicht einmal verplant, wie das Finanzministerium erläutert. Denn der Kultusetat orientiere sich an den Ist-Ausgaben. Wenn die Stellen nun besetzt werden sollen, werden sie kurzfristig aus einem Topf für ungeplante Personalkosten finanziert.

Ob aber die Unterrichtsversorgung an den 4500 Schulen im Land nicht schon auf einem ganz anderen Stand wäre, wenn schon viel früher klar gewesen wäre, wie viele Lehrerstellen tatsächlich nicht besetzt sind? Der politische Druck für eine bessere Steuerung – damit etwa Studienangebote ausgebaut werden – wäre vielleicht schon früher aufgebaut worden, die Not an den Schulen früher gelindert worden.

Und hier liegt das eigentliche Problem. Hört man sich dieser Tage um, fällt häufig der Satz – es habe vor allem bei Schulleitern immer schon den Verdacht gegeben, am amtlichen Lehrer-Schüler-Verhältnis in Baden-Württemberg könne irgendetwas nicht stimmen.

Ebenso bedenklich ist, dass die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) 2016 schon einmal ein Gutachten beim Rechnungshof anstieß. Der Titel, des 2018 veröffentlichten Werks: „Ressourcensteuerung und Konsolidierungsmöglichkeiten im Lehrkräftebereich.“ In der Untersuchung ging es zwar nicht um die fragliche Stellensoftware. Trotzdem kam der Rechnungshof zu dem Schluss, dass das Kultusministerium zum Zwecke der Gesamtsteuerung der Lehrkräfte für valide und aufeinander abgestimmte Daten sorgen sollte. Eisenmann versprach schon damals Abhilfe.

Trotzdem fiel der Fehler nicht auf. Stattdessen wurden Zweifel und Störgefühle ignoriert. Damit muss jetzt Schluss sein: Um den Schaden zu begrenzen, muss der Sachverhalt vollends aufgeklärt werden – in der Verwaltung, aber auch auf parlamentarischer Ebene. Das Wort Untersuchungsausschuss wird angesichts der knappen Zeit bis zur Landtagswahl im März 2026 noch zurückhaltend verwendet, doch die Opposition wird dieses Instrument gründlich prüfen.

Sind die Ursachen geklärt, muss auch geklärt werden, ob die Fehler der völlig veralteten Software, die auch in anderen Ressorts verwendet wird, wirklich nirgendwo sonst zu Fehlplanungen geführt haben, wie jetzt betont wird. Und es müssen Konsequenzen gezogen werden dafür, wie eine Verwaltung modern aufgestellt werden kann. Nur so kann der entstandene Schaden eingegrenzt – und das verloren gegangene Vertrauen vielleicht wieder zurückgewonnen werden.

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Erstellt:
18. Juli 2025, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
18. Juli 2025, 23:54 Uhr

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