Was bringt die Mehrwertsteuersenkung?

Seit gestern und bis Ende des Jahres gilt der gesenkte Mehrwertsteuersatz von 16 statt 19 Prozent . Diese Steuereinsparungen sollen Kunden zum Kaufen animieren und die Wirtschaft ankurbeln. So gehen einige Backnanger Unternehmen damit um.

Das Backnanger Möbelhaus Opti-Wohnwelt gibt den gesenkten Steuersatz schon seit drei Wochen an die Kunden weiter. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Das Backnanger Möbelhaus Opti-Wohnwelt gibt den gesenkten Steuersatz schon seit drei Wochen an die Kunden weiter. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Bereits seit der Verkündung der Mehrwertsteuersenkung Anfang Juni steht vor allem eine Frage im Raum: Wie viel von der Steuersenkung kommt auch beim Endkunden an? Denn die einzelnen Unternehmen sind nicht dazu verpflichtet, ihre Preise entsprechend der neuen Mehrwertsteuer zu senken. Zu bedenken ist hier, dass unterschiedliche Branchen auch verschieden schwer von der Coronakrise betroffen sind. Die Möbelbranche zumindest könne zufrieden sein, so Oliver Föst, Geschäftsführer von Opti-Wohnwelt. „Die langen Schließungen stecken uns noch in den Knochen, das war kein gutes Jahr. Aber wird schauen nach vorne und im Gegensatz zu anderen Branchen sind wir gut weggekommen.“ Er habe sich bereits am Tag nach der Verkündung des Konjunkturpakts für eine Senkung auf 16 Prozent Mehrwertsteuer entschieden. Denn bei Küchen oder Polstermöbeln brauche es ohnehin mehrere Wochen Lieferzeit, selbst im Juni bestellte Ware wäre also erst im Juli angekommen und würde demnach unter den gesenkten Steuersatz gefallen. „Wir geben die Senkung also schon seit dem 6. Juni an die Kunden weiter und die schätzen das auch“, sagt Föst.

Und obwohl er die Senkung definitiv begrüßt, sei der Aufwand groß gewesen. Denn alle Anzahlungen, die vorher getätigt wurden, mussten nach dem gesenkten Mehrwertsteuersatz neu berechnet werden. Die Preisschilder in seinen Möbelhäusern neu zu beschriften, sei den Aufwand allerdings nicht wert gewesen. „Wir sprechen da von tausenden Artikeln, die wir hätten umschreiben müssen. Da ist es einfacher, den Wert an der Kasse abzuziehen.“

Steuersenkung unterstützt beim Erhalt der Mitarbeiter.

Anders geht die Bäckereikette Mildenberger mit der Situation um. Sie haben sich entschlossen, die Preise nicht zu verändern. Die Bäckerei habe sich dazu entschieden, weil sie finanziell durch die Schließung aller Cafés stark getroffen wurde. Es sei kein Geheimnis, dass manche Branchen stärker betroffen sind, als andere, so Friedrich Mildenberger. „Und für uns gab es abgesehen von der Kurzarbeit keine Unterstützung, um die massiven Verluste auszugleichen.“ Seit Beginn der Krise sei es seinem Unternehmen vor allem darum gegangen, alle Arbeitsplätze zu sichern. Zwar hätte man für den Erhalt aller Mitarbeiter auch ohne die Mehrwertsteuersenkung alles getan, aber diese unterstütze sehr bei diesem Vorhaben. „Bei der Entscheidung, ob wir unser gutes Personal behalten oder ein Brötchen für 39 anstatt 40 Cent verkaufen, haben wir uns klar für die Mitarbeiter entschieden. Und Fakt ist einfach: viel Umsatz fehlt.“ Auch habe sich das Unternehmen entschieden, seit Juni die Kurzarbeit wieder zu beenden, damit alle Mitarbeiter auf ihr volles Gehalt zugreifen können. In den kommenden Wochen will Mildenberger die Lage weiterhin im Blick behalten. Sollte es die finanzielle Lage dann zulassen, will er die Einsparungen durch die Steuersenkungen direkt an seine Mitarbeiter weitergeben. „Die haben im Moment einen harten Job, egal ob sie mit der Maske den ganzen Tag im Verkauf sind oder vor dem heißen Backofen stehen.“ Er hoffe, dass seine Kunden diese Entscheidung nachvollziehen können und Verständnis zeigen. Um den Schritt möglichst gut zu erklären, hat er an alle Filialen ein Infoschreiben herausgegeben, falls nach der verminderten Mehrwertsteuer gefragt wird. Die Entscheidung betrifft allerdings nur den Verkauf in Filialen. Bei internen Aufträgen, also zum Beispiel größeren Bestellungen, bei denen es eine normale Rechnung gibt, wird die Senkung an die Kunden weitergegeben.

Bei den Bäckereien geht es nur um Centbeträge, bei größeren Investitionen ist der Unterschied von drei Prozent viel mehr spürbar. So zum Beispiel beim Autokauf. Dass viele Kunden auf genau diesen Rabatt aus sind, hat auch Luisa Stühler vom Autohaus Lorinser bemerkt. „Im vergangenen Monat waren viel weniger Interessierte oder Käufer hier in der Filiale, um sich beraten zu lassen.“ Die Kunden wüssten genau, wie viel die drei Prozent bei einem Autokauf ausmachen und warten auf diesen Rabatt. Bereits heute, am ersten Tag der Senkungen, habe sie das bemerkt, die Nachfrage sei im Vergleich zu den vergangenen Wochen stark gestiegen.

Die Umstellung habe aber zwei Seiten, so Stühler. Auf der einen Seite hätten die Kunden den Eindruck, ein Schnäppchen gemacht zu haben und würden sich darüber freuen. „Aber das war auch mit sehr viel Arbeit und Stress für uns verbunden.“ Alle Rechnungen, die noch nach dem alten Steuersatz berechnet wurden, mussten verschickt werden, das System musste umgestellt und geprüft werden, bei neuen Rechnungen muss genau darauf geachtet werden, dass alles stimmt, und die Preise müssen neu ausgezeichnet werden. Dabei habe es gestern noch einige Probleme gegeben, was aber am Hersteller gelegen habe. „Alle Filialen arbeiten an der Umstellung, da war das System in Köln einfach überlastet. Und in einem halben Jahr haben wir genau den Aufwand dann wieder“, sagt Stühler. Und obwohl die Umstellung besser geklappt hat, als sie dachte, ist heute am ersten Tag der neuen Mehrwertsteuer trotzdem noch nicht alles geregelt. Auch ob die Wirtschaft dadurch tatsächlich angekurbelt wird oder die Kunden, die ohnehin kaufen wollten, nur auf den Rabatt gewartet haben, könne sie noch nicht sagen.

Und auch Oliver Föst, der in deinen Möbelhäusern bereits seit etwa einem Monat die Preise gesenkt hat, ist sich unsicher, ob die guten Möbelverkäufe darauf zurückzuführen sind: „Die gute Lage der Möbelhäuser könnte auch daran liegen, dass die Leute viel Zeit daheim verbracht haben und zum Beispiel viel mehr Zuhause gekocht haben. Da will man sich dann eher eine neue Küche oder ein bequemeres Sofa gönnen.“

Informationen zur coronabedingten Mehrwertsteuersenkung

Als Teil des Corona-Konjunkturpakets wurde die Mehrwertsteuer gesenkt, um den Konsum anzukurbeln.

Die reduzierten Mehrwertsteuersätze gelten seit dem 1. Juli. Statt 19 Prozent werden nur noch 16 Prozent Steuern fällig, der ermäßigte Steuersatz, zum Beispiel für Grundnahrungsmittel, sinkt von 7 auf 5 Prozent. Die Senkung wird den Bund knapp 20 Milliarden Euro kosten.

Wer Zuhause sparen will, der sollte darauf achten, dass Leistungen zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember 2020 erbracht werden. Wann ein Artikel bestellt oder ein Auftrag erteilt wurde, spielt nämliche keine Rolle. Auch das Datum der Rechnung ist nicht entscheidend, sondern die Lieferung der Ware oder die Ausführung einer Dienstleistung. Insbesondere bei großen Projekten, wie etwa Bauvorhaben, kann viel Geld gespart werden, wenn die Bauabnahme in dem genannten Zeitraum erfolgt.

Eine Verpflichtung, die Preise zu senken, besteht für den Handel nicht. Allerdings haben bereits viele Unternehmen angekündigt, die niedrigeren Steuersätze komplett an die Kunden weiterreichen zu wollen.

Das Bundeswirtschaftsministerium sagte eine möglichst unbürokratische Umsetzung zu. Demnach wird es zum Beispiel nicht nötig sein, alle Waren neu auszuzeichnen. Händler können stattdessen pauschal Rabatte an der Kasse gewähren, ähnlich wie bei einem Schlussverkauf.

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Erstellt:
2. Juli 2020, 06:00 Uhr

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