Phlegräische Felder
Was die Geologie über Europas Supervulkan offenbart
Phlegräische Felder bei Neapel: Die Analyse der zunehmenden Bebentätigkeit in den vergangenen Jahren deckt lange periodische Signale auf, die auf rissartige Strukturen hinweisen. Das bietet neue Ansätze zur Risikoeinschätzung.

© Imago/ZumaPress Wire
Satellitenaufnahme des Golfs von Neapel und Kampaniens: Unter der Oberfläche der Phlegräischen Felder schlummert Europas Supervulkan.
Von Markus Brauer
In den letzten Jahren sorgen die zunehmenden Erdbeben im Vulkankomplex der Phlegräischen Felder unter dem Ballungsraum der Millionnen-Metropole Neapel in Süditalien für Unruhe. Erst kürzlich wurde das bisher stärkste Beben der Region mit einer Stärke von 4,6 registriert.
Die Beben gehen mit der Hebung des Bodens einher, die seit 2005 rund 1,4 Meter betrug. Die Analyse ausgewählter Beben der letzten zehn Jahre hat nun neue Einblicke in die vulkanischen Strukturen ermöglicht.
Die Studie ist im Fachmagazin „Nature Communications Earth and Environment“ veröffentlicht worden.
Rissartige Struktur in großer Tiefe
So weisen neu entdeckte lange periodische seismische Signale auf eine rissartige Struktur in rund 3,5 Kilometern Tiefe hin. Sie verbindet das darunterliegende Magma- und Gasreservoir mit oberflächennahen Fumarolen – also vulkanischen Dampfaustrittsstellen.
Die Resonanzfrequenz der Signale hat sich über die vergangenen Jahre hinweg nicht geändert, was darauf hinweist, dass das Deckgebirge über dem magmatischen Reservoir derzeit noch stabil ist.
Beben und Bodenhebung in den Phlegräischen Feldern
Die Phlegräischen Felder sind ein Vulkankomplex innerhalb einer großen Calderastrukur in der dicht besiedelten Bucht von Neapel in Italien. Seit 2005 hat sich dort der Boden um circa 1,4 Meter gehoben, begleitet von Erdbeben zunehmender Stärke bis zu einer Magnitude von 4,6 am 30. Juni 2025.
Erdbeben und Bodenhebung werden auf eine entgasende Magmaquelle und die Wechselwirkungen zwischen magmatischen und hydrothermalen Flüssigkeiten zurückgeführt. Über die Wechselwirkungen und die Geometrie der seismogenen Strukturen wird in der Wissenschaft jedoch diskutiert.
Neue Einblicke in die geologische Strukturen
Nun hat ein internationales Team aus Forschern des Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV), der Universität Pisa (Italien) und des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung in Potsdam vulkanisch-tektonische Erdbeben der letzten 10 Jahre in den Phlegräischen Feldern untersucht. Aus der Analyse der seismischen Wellenformen rekonstruierten die Forschenden die Geometrie der verschiedenen seismogenen Strukturen.
Unter anderem haben sie Ort, Tiefe und Orientierung zahlreicher Schwächezonen und die Mechanismen der Erdbeben-Quellen bestimmt. Dabei bestätigen die aktuellen Ergebnisse für den Landbereich frühere Studien, liefern für den untermeerischen Bereich östlich von Bacoli jedoch auch neue Geometrien und Verwerfungsarten.
Erstmaliger Nachweis langer periodischer Signale
Die Studie liefert auch den ersten Nachweis von resonanzartigen Signalen mit sehr langer Periode (abgekürzt: VLP) in den Phlegräischen Feldern. Die Forscher berichten von mehr als einem Dutzend solcher VLPs mit einer Dauer von 60 bis 90 Sekunden seit 2018. Die VLPs treten unterhalb von Solfatara auf, einem Trockenmaar im Stadtgebiet von Pozzuoli, westlich von Neapel.
„Wir interpretieren die VLP-Signale als Resonanz einer oder mehrerer mit Fluid gefüllter Risse, die die Verformungsquelle in der Tiefe mit den Fumarolen an der Oberfläche verbinden. Diese oszillierende, mit Gas gefüllte Struktur bietet einen Weg für die Entgasung, wobei es zu einer Wechselwirkung zwischen Flüssigkeitsaufstieg, flachem Aufbrechen und Resonanzprozessen kommt”, erklärt Giacomo Rapagnani, Erstautor der Studie von der Universität Pisa.
Die Dimension der neu entdeckten Struktur wird von den Forschern aufgrund der Resonanzfrequenz und der Lage eines darüber befindlichen Clusters ungefähr auf eine Länge von 1000 Meter, eine Breite von 650 Meter und eine Höhe von rund 0,35 Meter geschätzt.
Was haben die Beobachtungen zu bedeuten?
„Interessanterweise waren die VLP-Wellenformen und -Spektren in den letzten Jahren äußerst ähnlich. Dies deutet darauf hin, dass die Geometrie und die Bedingungen der Resonanzquelle recht stabil geblieben sind und wir keine Anzeichen für wesentliche Veränderungen der physikalischen Eigenschaften der Fluide sehen“, konstatiert Simone Cesca, zweiter Autor und Wissenschaftler in der GFZ-Sektion „Erdbeben- und Vulkanphysik“.
„Die unveränderliche Resonanzfrequenz zeigt uns, dass die Rissstrukturen unter der Solfatara in den letzten Jahren wahrscheinlich nicht gewachsen sind, trotz stetiger Bodenhebung. Insofern haben wir bisher keine Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Ausbruch in der Solfatara.“
Diese Beobachtung würden die Relevanz der erzielten Ergebnisse für die Verfolgung der dynamischen Entwicklung des Vulkans unterstreichen, betont Gilberto Saccorotti vom INGV. „Diese Studie zeigt, wie wichtig die Entwicklung und Anwendung ausgefeilter Techniken zur Analyse seismologischer Daten für ein besseres Verständnis komplexer geophysikalischer Prozesse wie Erdbeben und Vulkanausbrüche ist.“
Nur wenn man die Analyse großer Mengen heterogener Daten erweitern könne, sei das Verständnis dieser Phänomene besser zu verstehen und könnten die damit verbundenen Risiken wirksamer vermindert werden, ergänzt Francesco Grigoli von der Universität Pisa.