Klimawandel

Was Hitze mit uns Menschen macht

Schlaflose Nächte, Kreislaufprobleme, höhere Aggressivität: Wie Hitzewellen Körper, Psyche und sogar ganze Volkswirtschaften belasten.

Asphaltierte Städte heizen sich bei hohen Temperaturen besonders stark auf.

© Henning Kaiser/dpa

Asphaltierte Städte heizen sich bei hohen Temperaturen besonders stark auf.

Von Von Larissa Schwedes, dpa

Berlin - Die Hitze hat Deutschland in diesen Tagen fest im Griff. Bei fast 40 Grad, wie sie in dieser Woche unter anderem im Westen und Südwesten erwartet werden, ist Vorsicht geboten. Besonders für bestimmte Menschen können die Temperaturen lebensbedrohliche Folgen haben. Mit zunehmender Erderwärmung werden solche Hitzewellen häufiger und intensiver - und die Risiken größer.

Was passiert im Körper bei Hitze?

Hitze bedeutet für den menschlichen Körper Schwerstarbeit. Denn der Organismus ist bemüht, seine Temperatur konstant um die 37 Grad zu halten, denn dann arbeiten die meisten Zellen, Proteine und das Immunsystem optimal. Bei extremen Schwankungen sind solche Prozesse gestört. Steigt die menschliche Körpertemperatur über 42 Grad oder sinkt sie unter 32 Grad, kann das tödlich sein.

Eine Faustregel heißt: Gefährlich wird es, wenn der Körper unter bestimmten Bedingungen mehr Wärme aufnimmt, als er wieder abgeben kann. Denn dann gerät die Körpertemperatur außer Kontrolle und steigt rasch an. Diese Grenze ist sehr individuell und hängt mit Lebensalter, Gesundheitszustand, Aktivität und Gewöhnung zusammen. Bei über 30 Grad hat der Körper vieler Mitteleuropäer deutlich mehr Stress, sich selbst wieder zu kühlen, als bei niedrigeren Temperaturen. 

Wer ist besonders gefährdet?

Das Herz-Kreislauf-System ist bei Hitze stark belastet. Menschen mit chronischen Vorerkrankungen in diesem Bereich sollten deshalb besonders vorsichtig sein. Mit steigendem Lebensalter verlangsamt sich die Regulierung der Körpertemperatur und es gibt weniger Schweißdrüsen – die körpereigene Klimaanlage funktioniert also schlechter.

Da ältere Menschen außerdem seltener Durst verspüren, besteht die Gefahr, dass sie austrocknen. Schon ein bis zwei Prozent zu wenig Wasser im Körper können nach Angaben des Malteser-Hilfsdienstes zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Schwindel führen. Auch bei Babys und Kleinkindern ist Flüssigkeitsmangel ein Risiko und die Schweißproduktion geringer. 

Was kann dann passieren?

Gerät die Schwitz-Kapazität des Körpers an Grenzen, kommt es zum Wärmestau: Die Körpertemperatur steigt schnell – oft innerhalb von 10 bis 15 Minuten – auf über 40 Grad oder mehr. In der Folge schwillt das Gehirn an und es kommt zu Kopfweh, Bewusstseinsveränderungen oder Bewusstlosigkeit – ein Fall für den Rettungsdienst.

Bei einem Hitzekollaps wiederum kommt es zu einem Abfall des Blutdrucks. Die Folge ist eine verminderte Gehirndurchblutung, die von einem Schwächegefühl über Übelkeit und Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit führen kann. Auch das ist ein Notfall.

Laut Deutscher Gesellschaft für Neurologie (DGN) erhöht Hitze auch das Risiko für neurologische Erkrankungen. Eine im "European Heart Journal" veröffentlichte Studie deutscher Neurologen kommt zu dem Schluss, dass aufgrund zunehmender nächtlicher Hitze das Schlaganfallrisiko signifikant gestiegen ist. 

Ist Hitze wirklich tödlich?

Ja. In den Jahren 2023 und 2024 sind nach Schätzung des Umweltbundesamts und des Robert Koch-Instituts mutmaßlich jeweils etwa 3.000 Menschen hitzebedingt gestorben – vor allem Menschen über 75 Jahren mit Vorerkrankungen wie Demenz, Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen.

Bleibt es über mehrere Tage in Folge heiß, ohne nächtliche Abkühlung, steigt die Sterblichkeit dem Umweltbundesamt zufolge weiter an und erreicht ein nach etwa drei bis vier Tagen gleichbleibend hohes Niveau.

Fallen die Temperaturen auch nachts nicht unter 20 Grad, spricht man von tropischen Nächten. Weil der Körper sich nicht ausreichend von der Hitze erholen kann, sind oft Schlafstörungen die Folge – und die wiederum können psychische und geistige Folgen haben. 

Wie äußert sich das?

Hitze kann aggressiver machen – was wiederum Konflikte verstärkt. Eine japanisch-südkoreanische Studie – veröffentlicht im Yale Journal of Biology and Medicine – kommt zu dem Schluss, dass das Risiko für Todesfälle durch Übergriffe pro Grad Anstieg der Umgebungstemperatur um 1,4 Prozent ansteigt.

Die Zahl der aggressiven Zwischenfälle steigt, so kommt es auch zu mehr Notaufnahmen in Akutpsychiatrien. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) steigt sogar die Zahl der Suizide.

Sebastian Karl, Arzt am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und Mitautor eines Positionspapiers der DGPPN, betont: "Viele Leute haben schon am eigenen Leib erlebt, dass sie sich schlechter fühlen, dass sie schlechter schlafen oder dass sie sich schlechter konzentrieren können, wenn es richtig heiß ist: Hitze schlägt auf die Psyche. Wenn die Temperaturen steigen, steigt auch das Risiko für psychische Erkrankungen: pro Grad Celsius um 0,9 Prozent." 

Werden wir nicht nur aggressiver, sondern auch bräsiger?

Ein anschauliches Beispiel dafür, dass das Gehirn bei Hitze beeinträchtigt ist, liefern Forscher aus Deutschland und Dänemark in einer im Fachblatt "iScience" veröffentlichten Studie: Sie analysierten mehr als sieben Millionen Reden von Politikerinnen und Politikern aus acht Ländern und kamen zu dem Schluss, dass die Redner an heißen Tagen weniger komplexe Sprache verwendeten. Zwar könne einfachere Sprache auch positive Auswirkungen für Bürger haben, gleichzeitig sei sie auch ein Indikator für geringere geistige Aktivität, schreiben die Autoren.

Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Auch Volkswirtschaften leiden unter Hitze: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ausgerechnet, inwieweit die Produktivität durch Hitzewellen abnimmt. Sie kommt in einem Sonderbericht zu dem Schluss: Zehn zusätzliche Tage mit Temperaturen über 35 Grad führen zu einem Rückgang der jährlichen Arbeitsproduktivität um 0,3 Prozent. Dieser Effekt sei vergleichbar mit den Produktivitätseinbußen, wenn Energiepreise um fünf Prozent steigen würden. Insbesondere längere Hitzewellen haben demnach enorme Auswirkungen.

Das Umweltbundesamt verweist auf Studien, die für Zeiten hoher Hitzebelastung in Mitteleuropa durch mehr Arbeitsunfälle und weniger Konzentration und damit einhergehende Fehler bis zu 12 Prozent weniger Produktivität annehmen.

Überschreiten die Raumlufttemperaturen in Arbeitsräumen die Schwelle von 26 Grad, sollte der Arbeitgeber gemäß der Arbeitsstättenverordnung Maßnahmen ergreifen – ab 30 Grad wird dies verpflichtend.

Arbeiten in der Hitze: In Berufen wie dem Bau eine besondere Gefahr.

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Zu wenig Trinken ist besonders bei Älteren ein enormer Risikofaktor

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Erstellt:
1. Juli 2025, 05:14 Uhr

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