Was Magnesium kann – und was nicht

Bei Muskelkrampf hilft das Mineral kaum, doch bei schweren Erkrankungen ist Magnesium wohl eine echte Alternative

Viele Menschen greifen zu speziellen Präparaten oder einem Öl, um damit Erkrankungen vorzubeugen. Doch viele Produktversprechungen sind mit Vorsicht zu genießen.

Ismaning/Hangzho Jährlich 250 Millionen Euro geben die Menschen hierzulande für Magnesiumpräparate aus. Verbunden ist damit meist wohl die Hoffnung, dadurch vielen Krankheiten vorbeugen zu können – zum Beispiel Krämpfen, Osteoporose, Diabetes, Bluthochdruck, Schnupfen, Depressionen und anderen Leiden. Ein Blick auf die aktuelle Studienlage zeigt: Das Mineral vermag vieles, doch beileibe nicht alles, was man ihm und den Produkten zuschreibt, die Magnesium enthalten.

Es schmeckt salzig, wenn man den Mund damit spült, prickelt, wenn man die Füße darin badet, und bleibt lange schmierig, wenn man die Haut damit besprüht. Aber das alles sollen nur Nebeneffekte sein. Denn „Transdermales Magnesiumöl“ ist derzeit ein großer Trend auf dem bunten Markt der alternativen Heilverfahren. Das Öl soll das Mineral über Haut und Schleimhaut viel schneller und effektiver in den Körper einschleusen als die üblichen Präparate zum Einnehmen. Weswegen es, wie einige Anbieter werben, geradezu ein „Gesundheits-Turbo“ sei.

Jürgen Vormann vom Institut für Prävention und Ernährung in Ismaning kann diesen Versprechungen nur wenig abgewinnen. Sein Hauptargument dagegen: „Mag­ne­si­um­öl ist kein Öl, sondern eine konzentrierte Magnesiumchlorid-Lösung.“ Und in dieser sei das Mineral ionisiert und dadurch gar nicht in der Lage, die Haut zu durchdringen. Was auch, wie der Biochemiker betont, durchaus zu begrüßen sei. Denn sonst hätte das Baden im Toten Meer nicht etwa einen therapeutischen Nutzen, sondern es würde den Patienten – wegen der hohen Magnesiumkonzentrationen – schlicht vergiften.

Dass also ein Magnesium-Fußbad größere Mengen des Minerals in den Körper überführt, ist vergleichbar mit der Behauptung, dass ein Bier-Fußbad betrunken mache. Dabei sind solche Mythen eigentlich überflüssig. Denn Magnesium hat inzwischen viele wissenschaftliche Belege für seine gesundheitlichen Wirkungen sammeln können. Und zwar schlicht mittels seiner klassischen Anwendungsform über den Mund und Verdauungstrakt.

Ein chinesisches Forscherteam hat insgesamt 40 Studien gefunden, die einen Zusammenhang zwischen der Magnesiumaufnahme durch Lebensmittel und verschiedenen Gesundheitsrisiken untersuchten. Demnach senkt ein täglicher Anstieg der Magnesiumzufuhr um 100 Milligramm etwa das Risiko einer Herzschwäche um 22 Prozent und das einer Diabeteserkrankung um 19 Prozent. Auch die Sterberate geht dadurch, so die Untersuchung, um zehn Prozent zurück.

Studienleiter Fudi Wang von der Zhejiang University in Hangzhou rät daher, den Verzehr von Vollkorn, Kakao, Nüssen und vor allem von grünem Gemüse zu steigern. In dessen Chlorophyll befinden sich große Mengen des Minerals. „Dies dürfte durchaus die Volksgesundheit verbessern“, so der Ernährungsmediziner. Denn auch in Ländern mit reichhaltigem Nahrungsangebot hätten bis zu 15 Prozent der Bevölkerung ein Magnesiumdefizit, was vor allem auf den Verzehr industrieller Lebensmittel zurückginge.

Andreas Götte von der Deutschen Herzstiftung rät, regelmäßig die Kalium- und Magnesiumwerte kontrollieren zu lassen. Denn, so der Kardiologe, „diese Mineralien bilden elektrische Impulse in den Herzzellen und sind für deren Weiterleitung von Zelle zu Zelle von entscheidender Bedeutung“. Sofern ihre unteren Grenzwerte im Blut – bei Kalium 3,6 mmol/l und bei Magnesium 0,7 mmol/l – unterschritten werden, können sich Extraschläge im Herzen ausbilden. „Im schlimmsten Fall kann extremer Magnesiummangel sogar das lebensbedrohliche Kammerflimmern begünstigen“, warnt Götte. Glücklicherweise passiert so etwas in Deutschland nur ausgesprochen selten, beispielsweise als Folge eines Nierenversagens.

Wegen seiner engen Verbindung zu den Stoffwechsel- und Elektroprozessen im Körper liegt die Vermutung nahe, dass Magnesium auch bei Hirnerkrankungen wie Demenz und Depressionen mitspielt. Die medizinische Literatur liefert Fallberichte von Patienten, die sich binnen einer Woche von ihrem depressiven Schub erholten, indem man ihnen ein Magnesiumpräparat zu den Mahlzeiten und zur Nacht verabreichte. Bestätigt werden diese Beobachtungen durch eine kleine klinische Studie der University of Vermont, USA. Doch noch ist es zu früh, um eine Magnesiumkur generell zur Depressionstherapie empfehlen zu können.

Eine andere Empfehlung ist mittlerweile aber sogar überholt, nämlich das klassische Einsatzgebiet der Magnesiumpräparate: der Wadenkrampf. Denn Forscher haben inzwischen festgestellt: Dieser wird wohl nicht durch einen Mangel des Minerals, sondern durch fehlerhafte Rückenmarksreflexe ausgelöst. Dadurch wird der Muskel zum Schutz angespannt, obwohl keine Gefahr für ihn besteht. Gegen diesen Irrtum kann Magnesium nichts ausrichten.

Dagegen kann es in diesem Falle offenbar helfen, ein Glas Essiggurkenwasser zu trinken. Das haben Forscher von der North Dakota State University ermittelt. Die Muskelentkrampfung erfolge dann bereits weniger als eine Minute nachdem man dieses Wasser getrunken habe. Die US-Forscher vermuten, dass der saure Geschmack des Gurkenwassers schon im Mund einen Reiz auslöst, der die gestörten Reflexe im Körper wieder in Ordnung bringt.

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Erstellt:
21. Januar 2019, 16:10 Uhr

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