Methoden der Meteorologie
Was taugen Langzeitprognosen beim Wetter?
Kommt ein warmer Sommer? Vielleicht. Wird er extrem trocken? Wahrscheinlich. Ist das sicher? Nein. Wetterprognosen wirken oft beeindruckend. Und können sich doch ganz anders entpuppen.

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Kommt wieder ein Hitzesommer, bei dem sogar das Eis in der Hand schmilzt?
Von Markus Brauer/dpa
Erste Prognosen für den Sommer 2025 weisen auf extreme Wetterlagen hin und schüren gleichzeitig Sorgen vor Dürre und Hitzewellen. Doch wie verlässlich sind solche langfristigen Vorhersagen überhaupt?
Der Faktencheck
- These: Deutschland steht erneut ein heißer und trockener Sommer mit Dürreperioden bevor.
- Bewertung: Wahrscheinlich, aber nicht sicher.
- Fakten: Langfristige Aussagen über das Wetter im kommenden Sommer lassen sich nur eingeschränkt treffen. Zwar erstellen meteorologische Dienste wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach hierzulande sogenannte Jahreszeitenvorhersagen. Diese liefern jedoch keine konkreten Wetterdaten für einzelne Tage oder Wochen. Stattdessen beruhen sie auf Wahrscheinlichkeiten für klimatische Tendenzen über einen Zeitraum von etwa drei Monaten. Es handelt sich dabei also nicht um klassische Wetterprognosen, sondern um langfristige Vorhersagen, die auf komplexen Klimamodellen basieren.
Starke Tendenz für wärmere Sommer
Dem DWD zufolge gibt es aktuell eine starke Tendenz für einen wärmeren Sommer 2025 in Deutschland. „Auch in Zukunft ist mit einem Anstieg der Häufigkeit von Hitzewellen und Trockenperioden im Sommer zu rechnen“, erklärt Andreas Paxian vom DWD. Diese erwartete Zunahme ist auf den Klimawandel zurückzuführen.
Auch das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) in Hamburg geht von einem wahrscheinlich heißen Sommer aus und bezieht sich auf Ozean-Daten: Europäischen Hitzesommern gehe häufig ein Wärmestau im Nordatlantik voraus, der sich jeweils etwa drei Jahre vor einem Hitzeextrem aufbaue.
Solche extrem warmen Sommer ließen sich also bis zu drei Jahre im Voraus vorhersagen. Ursache des Wärmestaus sind Anomalien des Wärmetransports im Ozean, die sich auch auf die Atmosphäre auswirken.
Ferne Vorhersage bedeutet schlechte Prognosekraft
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Durchschnittstemperatur von Juni bis August über dem langjährigen Mittel (1991–2020) liegt, beträgt laut DWD nach aktuellen Modellrechnungen rund 81 Prozent. Damit wird ein wärmerer Sommer als wahrscheinlich eingestuft. Eine konkrete Wetterprognose ist das aber nicht.
Saisonale Vorhersagen beschreiben klimatische Tendenzen über drei Monate hinweg und unterscheiden sich deutlich von der täglichen Wettervorhersage. Zwar lassen sich daraus Hinweise auf mögliche Entwicklungen ableiten, doch die Aussagekraft bleibt begrenzt.
Für den Sommer 2025 bewertet der DWD die Prognosegüte lediglich als „mittel“. Sie ist also nicht wesentlich besser als eine statistische Abschätzung auf Basis vergangener Jahre.
Für den Spätsommer liegt die Wahrscheinlichkeit für überdurchschnittlich warme Bedingungen laut DWD zwar bei 83 Prozent, allerdings bei „schlechter“ Vorhersagequalität. Das bedeutet: Die Prognosekraft ist hier so gering, dass empfohlen wird, alle drei Temperaturkategorien – kälter, normal, wärmer – als gleich wahrscheinlich anzunehmen.
KI soll Prognosen intelligenter machen
Künstliche Intelligenz spielt in der Wettervorhersage eine zunehmend wichtige Rolle, insbesondere in der Modellierung und Datenverarbeitung. Der DWD entwickelt derzeit eigene KI-Modelle, die noch in diesem Sommer erstmals in die Vorhersagen eingebunden werden sollen.
Ziel ist es, Prognosen schneller, präziser und nutzergerechter zu gestalten. Vorteile liegen in der schnellen Verarbeitung großer Datenmengen und der besseren Anpassung an verschiedene Nutzergruppen, erklärt Jan Keller, zuständig für Datenassimilation und Verwendung neuer und unkonventioneller Beobachtungen beim DWD.
Es gibt nach seinen Worten aber auch Risiken: KI-Systeme können physikalische Zusammenhänge nur begrenzt abbilden und liefern möglicherweise fehlerhafte Ergebnisse bei Extremwetterlagen.
Rekordverdächtig trockenes Frühjahr
Aktuelle DWD-Daten zeigen, dass seit Monaten im Vergleich zum langjährigen Mittel sehr wenig Regen gefallen ist. Sollte der Mai ebenfalls weitgehend trocken bleiben, könnte das Frühjahr 2025 das trockenste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 werden. Bisheriger Negativrekord war das Frühjahr 1893 mit nur 85,3 Millimeter Niederschlag, gefolgt von 2011 mit 89,5 Millimeter.
Im März und April fielen deutschlandweit rund 47,3 Millimeter Regen, im bisherigen Mai etwa 13 Millimeter. Bliebe es in den restlichen Maitagen trocken, läge die Gesamtsumme bei nur etwa 60 Millimetern. Ob es tatsächlich zu einem neuen Negativrekord kommt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
Wie funktioniert eine Wettervorhersage?
Die weltweiten, automatisch abgelesenen Wetterdaten von Strahlung, Temperatur, Wind, Feuchte und Luftdruck werden an das Offenbacher Rechenzentrum des Deutschen Wetterdienstes weitergeleitet, wo sie in die Wettervorhersage-Programme eingespeist werden.
Der DWD arbeitet mit drei Computermodellen (daneben gibt es eine Vielzahl weiterer nationaler Simulationsmodelle):
- ein Globalmodell für die ganze Erde
- ein Regionalmodell für Europa
- ein hochauflösendes Modell nur für Deutschland
Um die anfallenden Daten zu berechnen, wird das entsprechende Gebiet gerastert. Der Computer überzieht es mit einem virtuellen Gitter, dessen Maschenbreite 2,8 Kilometer für Deutschland, sieben für Europa und 20 für den Globus beträgt.
Gleichzeitig wird die Atmosphäre in Stockwerke unterteilt. So entsteht ein dreidimensionales Bild vom aktuellen Wetter. Je kleiner die Maschenbreite ist, umso exakter sind die Vorhersagen – umso größer ist aber auch der Rechenaufwand. Irgendwann kommen selbst die stärksten Computer an ihre Grenzen, so dass die Prognosen immer ungenauer werden je weiter man in die Zukunft blickt.
Der menschliche Faktor
Am Ende muss der Mensch die Daten, Karten und Prognosen bewerten. Und da kommen die Meteorologen ins Spiel: Alle paar Minuten laufen die aktuellen Beobachtungen der Satelliten und des Wetterradars auf ihren Monitoren ein. Diese Daten vergleichen sie mit den Wetterkarten, die aufgrund der Computerprognosen erstellt wurden. Es ist Aufgabe dieser Experten, die gesamten Informationen zu beurteilen und daraus Wetter-Vorhersagen zu erstellen, die mehrmals täglich veröffentlicht werden.
Hauptaufgabe der staatlichen und privaten Wetterdienste ist es, Vorhersagen für die Öffentlichkeit und spezielle Nutzer zu treffen – wie den Schiffs- und Flugverkehr, Landwirte, Autofahrer oder Allergiker. Vor allem aber warnen sie vor wetterbedingten Gefahren wie Unwettern, Stürmen oder Starkregen.
Chaostheorie und Schmetterlingseffekt
Auch wenn die Vorhersagen immer genauer werden, wird die Trefferquote „niemals hundertprozentig sein, weil schon kleinste Schwankungen in der Atmosphäre das Wetter stark beeinflussen können“, heißt es seitens des DWD. Die Atmosphäre ist ein chaotisches System, das von einer Vielzahl meteorologischer Kräfte bestimmt wird. Wie sich diese Vorgänge wechselseitig auswirken, ist nur annähernd zu bestimmen.
Mit jedem Tag verlieren Wettervorhersagen an Genauigkeit. Seriöse Prognosen sind bis zu sieben Tagen möglich, grobe bis zu zehn Tagen. Für den russischen Mathematiker Wladimir Igorewitsch Arnold (1937-2010) sind zwei Wochen die obere Grenze für seriöse Wettervorhersagen. Alles darüber hinaus ist Spekulation.
Der Grund hierfür liegt in einem Phänomen, das der US-Meteorologe und Begründer der Chaostheorie, Edward Lorenz, entdeckte: Der Schmetterlingseffekt, benannt nach einem Vortrag Lorenz’ mit dem Titel „Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien ein Tornado in Texas auslösen?“ aus dem Jahr 1972. Der Satz ist als Metapher zu verstehen: Komplexe physikalische Systeme wie das Wetter reagieren sehr empfindlich auf kleinste Veränderungen der Ausgangsbedingungen, was zu völlig unterschiedlichen Entwicklungen führen kann.
Globale Datenwüsten
Kleinste Fehler oder Ungenauigkeiten in den Daten und Simulationen können eine Vorhersage komplett verfälschen. Hinzu kommt: Riesige Gebiete in Afrika, der Arktis und Antarktis sowie die Ozeane sind Datenwüsten, die nur unzureichend beobachtet werden.
Deshalb verwendet der DWD und andere Wetterdienste heute die sogenannte Ensemble-Vorhersage: Der Computer berechnet parallel mehrere leicht abgewandelte Szenarien. Die wahrscheinlichste Vorhersage bildet schließlich die Grundlage für den offiziellen Wetterbericht.