Wechselkröten, Orchideen, Streuobstwiesen

Beim Naturschutztag gibt es jede Menge zu entdecken. Um die Vielseitigkeit und Einzigartigkeit der Schutzgebiete im Naturpark erlebbar zu machen, haben sich Fachleute, Vereine und ehrenamtlich Engagierte zusammengetan und spannende Touren angeboten.

Gustav Zeltwanger, Ingrid Grolich, Jürgen Burr zeigen Ben, Jan und Nick (von links) eine der Orchideenschönheiten im Sommerrain.

© Tobias Sellmaier

Gustav Zeltwanger, Ingrid Grolich, Jürgen Burr zeigen Ben, Jan und Nick (von links) eine der Orchideenschönheiten im Sommerrain.

Von Christine Schick

rems-murr. „Heute ist ja Naturschutztag“, sagt Miriam Hozak, die von einer ganzen Reihe Kindern und deren Eltern umringt ist. „Was ist das eigentlich, Natur?“, fragt sie. „Bäume, Wiesen, Tiere!“, zählt ein Junge auf und erntet Zustimmung. Und um die geht es am Sonntag, an dem im Naturpark verschiedenste Exkursionen und Mitmachaktionen auf dem Programm stehen.

Die Naturpädagogin Miriam Hozak führt die Gruppe von der Bushaltestelle in Mittelschöntal über eine Wiese zum Hof von Stefan Soldner. Dann geht es gemeinsam vorbei an hochgewachsenen grünen Wiesen, Obstbaumreihen, Feldern und Streuobstzeilen auf Entdeckungsreise ins Wüstenbachtal. Dort findet sich ein eingezäunter kleiner Fleck Erde, der erst mal wie ein Garten wirkt. Stefan Soldner erzählt, dass der aber nicht für Gemüse oder Kräuter reserviert ist, sondern für die schützenswerte Wechselkröte. Die braucht seichtes Gewässer und Tümpel, weshalb mit einer in die Erde eingelassenen Wanne etwas nachgeholfen wurde. Das ungewöhnliche Wohnangebot ist als Ausgleichsmaßnahme entstanden, erklärt Soldner. „Wieso heißt die Wechselkröte denn eigentlich Wechselkröte?“, will Miriam Hozak wissen. Sie könnte das Gewässer wechseln, ins Schwarze trifft aber vielmehr, dass der „Lurch des Jahres“ seine Farben völlig verändern, sprich wechseln kann. So macht sie es ihren Fressfeinden wie Storch, Graureiher und Mäusebussard einfach schwerer, sie zu finden.

Gleich nebenan kommt Stefan Soldner darauf zu sprechen, dass ein mit Büschen und Bäumen zugewachsener Bachlauf früher von einer Höhle umschlossen war. Als das Wasser den Kalkstein immer mehr ausgewaschen hat, brach die Decke schließlich ein. Ein Beispiel für einen sogenannten Erdfall. Mit einem kleinen Versuch – Kalkstein mit einer sauren Lösung übergossen – zeigt Stefan Soldner, sozusagen im Extremzeitraffer, wie sich der harte Bursche in seine Bestandteile zerlegen lässt. Es steht noch einiges auf dem Programm: Fossiliensuche und wie Wasser über Erdschichten und Flusslauf – am Wüstenbach – gereinigt und gefiltert wird.

Auch auf Wasser beziehungsweise Feuchtigkeit angewiesen sind die Schönheiten, die sich im Naturschutzgebiet Sommerrain bei Allmersbach im Tal finden: Orchideen. Jürgen Burr und Ingrid Grolich von den Berg- und Wanderfreunden empfangen die Gäste mit weiteren Vereinsmitgliedern an einem Wanderparkplatz südlich der Gemeinde und weisen den Weg zu dem kleinen Rundgang. Nach einem Stück Fußweg öffnet sich der Blick auf eine ungewöhnliche Landschaft mit vergleichsweise schmächtigen Krüppelkiefern, die viel Licht nach unten lassen. Der Boden ist von einem satten, wogenden Grün bedeckt, dem sogenannten Pfeiffengras, in dem verschiedene Orchideen aufscheinen. „Einige kommen im Juni“, sagt Jürgen Burr. Trotzdem, das Fuchs Knabenkraut zeigt sich schon oder die Grünliche Waldhyazinthe. Auch der Türkenbund als Lilienart oder die Blaue Akelei sind zu bestaunen. Jürgen Burr zeigt auf eine Linie, die sich durch die Fläche zieht. „Ein alter Entwässerungsgraben“, sagt er, was darauf verweist, dass es im Sommerrain früher um einiges feuchter war. Mittlerweile machen sich die höheren Temperaturen und Trockenheit auch hier bemerkbar. Die Berg- und Wanderfreunde Allmersbach im Tal haben die Pflege dieses Kleinods übernommen. Das heißt beispielsweise: Das Gras wird nur im Herbst gemäht und abgenommen, sodass der Magerwiesencharakter erhalten bleibt. Die Krüppelkiefern sind altehrwürdiger, als es auf den ersten Blick scheint. Burr zeigt auf ein Exemplar, dessen Stamm sich vermutlich gut mit zwei Händen umfassen lässt. „Die ist an die 70 Jahre alt.“ Ein Schild gibt Auskunft über die spezifischen Bedingungen für das Gebiet und weitere mögliche Besonderheiten, die dort noch sprießen können, wie das Breitblättrige Knabenkraut, der Fliegen-Ragwurz und Vogel-Nestwurz. „Interessant ist auch, dass jedes Plätzchen auch ein wenig seine eigene Art hat“, sagt Burr.

Beim Streifzug durchs Wüstenbachtal ist der Storch als Fressfeind der Wechselkröte Thema, auf den hier spielerisch verwiesen wird. Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Beim Streifzug durchs Wüstenbachtal ist der Storch als Fressfeind der Wechselkröte Thema, auf den hier spielerisch verwiesen wird. Fotos: Tobias Sellmaier

Nicht in dem Maße exotisch, aber in ihrem ökologischen Wert hoch einzuschätzen, ist die Streuobstwiese. Ihr hat das Naturparkzentrum in Murrhardt eine Ausstellung gewidmet, die den Apfel als Frucht nochmals besonders ins Rampenlicht stellt. „Beim Naturschutztag geht es darum, Biotope vorzustellen und zu erläutern“, sagt Franziska Hornung vom Naturparkteam, „die Streuobstwiese ist eines davon.“ Sie bietet einer stattlichen Anzahl an Tieren, Insekten und auch Pflanzen Lebensraum. Eine Besucherin erzählt, wie wichtig sie es findet, dass nicht zu früh gemäht und ab Mitte Mai nicht mehr durch die offene Wiese geschlendert wird. Und sie berichtet, wie begeisterungsfähig kleine Leute sind, wenn man mit ihnen die Natur erkundet.

Dann nimmt sie Platz, um ein paar Samenkugeln herzustellen. Das Naturparkteam hat heimisches Saatgut vorbereitet, das mit Erde vermischt und gut gerollt erstklassige Blühüberaschungen in sich trägt. Elena Schick macht sich indes dran, eine Runde Dummyäpfel in Form von Tennisbällen auszugeben, über die sich zwei Mädchen mit Apfelsammlern hermachen können, um sie ins Innere des Streuobsthelfers zu befördern. Wer beim Apfelquiz mitmacht, ist gefordert, kann sich aber gute Tipps in der Ausstellung im Naturparkzentrum abholen. Die erzählt von ihrer kulturellen Entwicklung, der Pflege und ihren Vorzügen als Wohnraum in schönster Lage. Im Streuobstwiesenquartier können es sich Grün- und Buntspecht, Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf, Steinkauz genauso gutgehen lassen wie Fledermaus, Zauneidechse, Haselmaus, Siebenschläfer, Igel und Reh.

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Erstellt:
23. Mai 2022, 11:30 Uhr

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