Weihnachtsbäume als Anschlagsziel

Buttersäure macht 300 Bäume unbrauchbar – Fünfte Attacke in Backnang seit 2014 – Baumanbieter Stoll spielt Vorfall herunter

Noch keine Spur gibt es zu den Tätern, die am Wochenende beim Kaufland in der Industriestraße rund 300 Christbäume mit Buttersäure besprüht und damit unverkäuflich gemacht haben. Der Schaden wird auf etwa 6000 Euro geschätzt (wir berichteten). Bereits 2016 und in den Vorjahren hat es solche Anschläge in Backnang gegeben. Immer betroffen die Firma Karl Stoll Christbaumkulturen, die den Vorfall herunterspielt.

Weihnachtsbäume als Anschlagsziel

© Visharo - stock.adobe.com

Von Florian Muhl




BACKNANG. „Wir haben noch keinen Tatverdacht“, sagte Polizeisprecher Rudolf Biehlmaier gestern auf Anfrage unserer Zeitung. Dass es ein gezielter Anschlag auf den Anbieter von Christbäumen aus Neresheim war, möglicherweise sogar von Konkurrenten, will die Polizei nicht ausschließen. Einen Hinweis darauf gibt es nicht. Wie berichtet hatte ein Angestellter des Christbaumverkaufsstands beim Kaufland in der Industriestraße Ecke Weissacher Straße am Montagmorgen zu Dienstbeginn bemerkt, dass sich am Wochenende Unberechtigte auf dem Verkaufsgelände aufgehalten hatten. Insbesondere waren auch am Bauzaun entsprechende Manipulationen feststellbar. Entgegen dem üblicherweise wohltuenden Nadelduft erreichte die sensible Nase des Angestellten ein stechender Gestank. Bei der Überprüfung wurde festgestellt, dass der unangenehme Geruch von den Weihnachtsbäumen ausging. Es wurde vermutet, dass diese mutwillig mit Buttersäure kontaminiert worden waren (siehe Infokasten). Betroffen davon waren laut Polizei ungefähr 300 Bäume. Unter der Annahme, dass die Bäume dadurch unverkäuflich gemacht wurden, wäre der verursachte Schaden auf mindestens 6000 Euro zu beziffern. Die betroffenen Bäume wurden offensichtlich vom Anbieter rasch abtransportiert und neue angeliefert, sodass der Christbaumverkauf am Dienstag wieder mit frischer Ware laufen konnte. Wie Polizeisprecher Biehlmaier sagte, ist dieses Problem wohl „örtlich begrenzt“. Ihm ist jedenfalls noch kein ähnlich gelagerter Fall in einem anderen Ort bekannt geworden.

Auch Martin Rometsch ist perplex, fast sprachlos. Der Geschäftsführer des Christbaumverbands Baden-Württemberg sowie des Bundesverbands der Weihnachtsbaumerzeuger in Deutschland sagt zu dem Vorfall in Backnang: „Das ist ohne Worte.“ Rometsch sieht folgende zwei Aspekte, die den oder die unbekannten Täter dazu bewogen haben könnten, diese Attacke durchzuführen: „Entweder soll dieser spezielle Betrieb getroffen werden oder der oder die Täter haben es auf den Christbaum als solchen abgesehen.“ Der Geschäftsführer kennt Fälle, in denen Vandalen auf andere Weise gewütet und so jeweils Schäden von mehreren Tausend Euro verursacht haben. In Bühl beispielsweise hätten Unbekannte in einer Christbaumkultur von Hunderten von Bäumen die Spitzen abgeschnitten. Im Odenwald hätten Übeltäter im vergangenen Jahr 300 bis 400 Weihnachtsbäume in spe in einer Höhe von 80 bis 120 Zentimetern umgesägt.

In Oberbayern hat ein Unbekannter vor einem Jahr ein Feld mit Nordmanntannen zerstört. Er hatte die Plantage mit Glyphosat besprüht. Dabei entstand ein Schaden von etwa 6000 Euro.

„Ein Wahnsinn, wenn man bedenkt, welche Arbeit dahintersteckt“

„Ein Wahnsinn, wenn man bedenkt, welche Arbeit dahintersteckt. Die Betriebe kaufen die Jungbäume von Baumschulen, wenn sie etwa 30 Zentimeter groß sind, und hegen und pflegen die Bäume zehn bis zwölf Jahre lang, bis sie etwa zwei Meter groß sind“, sagt Rometsch. Solche Anschläge würden die Unternehmen schwer treffen, weil es sich bei den Christbaumanbietern in der Regel um kleinere Familienbetriebe mit einer Anbaufläche von maximal zehn Hektar handeln würde.

Das jetzt in Backnang betroffene Unternehmen, die Firma Karl Stoll Christbaumkulturen aus Neresheim, spielt den Vorfall herunter. Der Betriebsleiter, Karl Stoll junior, war für unsere Zeitung nicht zu sprechen. Klaus Weber von der Betriebsleitung sagte auf Anfrage, dass es sich lediglich um einen oder zwei Bäume gehandelt habe, die „wohl vor sich hin gegoren hätten“. Die wenigen betroffenen Bäume habe man rasch ausgetauscht. Ein nennenswerter Schaden sei nicht entstanden. Das alles sei nicht so schlimm.

Diese Aussage aus dem Munde eines Firmensprechers klingt nicht nur deshalb äußerst unglaubwürdig, weil sie der Mitteilung der Polizei, die vor Ort war, komplett widerspricht. Sondern auch aus folgendem Grund: Genau vor drei Jahren registrierte die Polizei gleich gelagerte Attacken. An den Weihnachtsbaumverkaufsständen vor den beiden Backnanger Kaufland-Filialen gab es Buttersäure-Anschläge. Hunderte Bäume sind unverkäuflich geworden. Und bereits damals war es nicht das erste Mal, dass Unbekannte auf diese Weise zugeschlagen hatten. Auch in den Vorjahren gab es ähnliche Vorfälle in Backnang. Und immer war dabei Buttersäure eingesetzt worden. Vor drei Jahren schreckten die Übeltäter selbst nicht vor den unübersehbaren Transparenten zurück, die auf eine Videoüberwachung der eingezäunten Weihnachtsbäume hinwiesen. Laut Polizei hatten die unbekannten Täter die Bäume mit der Säure eingesprüht. Der Verkäufer, der damals die Bäume des Unternehmens Karl Stoll Christbaumkulturen bei der Kaufland-Filiale in der Industriestraße/Weissacher Straße verkauft hat, war zu diesem Zeitpunkt schon zum dritten Mal Opfer eines solchen Anschlags geworden. „In den letzten beiden Saisons“, so sagte er vor drei Jahren, sei das ebenfalls vorgekommen.

Das große Glück 2016 war noch, dass es nicht heftig geregnet hat, so der Verkäufer, denn dann wäre die Säure an den ganzen Bäumen herabgelaufen und das hätte dann noch sehr viel schlimmer gestunken. Etwa 150 Bäume hat er entsorgen müssen. Im Verkauf hätten sie durchschnittlich 20 bis 25 Euro pro Stück gebracht, sodass allein der materielle Schaden hier erheblich über 3000 Euro lag. Auch vor drei Jahren wollte die Polizei keine Schuldzuweisung aussprechen: „Das Motiv ist völlig unklar.“ Ein Anschlag der Konkurrenz? Möglich, aber nicht erwiesen. Es könne sich auch um Vandalismus handeln oder um einen schlechten Scherz von Jugendlichen.

Darüber wollten damals die Weihnachtsbaumverkäufer höchstens milde lächeln. „Das waren keine Jugendlichen“, sagte einer der Verkäufer mit einer Bestimmtheit, die keine Zweifel zuließ. Er erzählte, dass auch vor einer Kaufland-Filiale in Fellbach ein ähnlicher Anschlag stattgefunden habe. Auch sein Kollege, der vor der Filiale in der Sulzbacher Straße die Bäume verkaufte, legte sich fest. Das Christbaumgeschäft sei hart umkämpft. Sprich: Die Konkurrenz habe bewusst den Schaden angerichtet.

Symbolfoto: Adobe-Stock_307228535

Info
Buttersäure

Buttersäure (Butansäure) stinkt erbärmlich nach Erbrochenem und ranziger Butter. Die Säure wird schon in kleinen Dosierungen wahrgenommen.

Die Dämpfe der Säure können Augen und Atemwege reizen.

Die Buttersäure ist eine vollkommen farblose Flüssigkeit und durchsichtig. Sie ist in allen Verhältnissen, im Wasser, im Alkohol und Holzgeist löslich.

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Erstellt:
12. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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