Weihnachtsgottesdienst auf dem Stiftshof

Backnanger Stiftskirche steht an Heiligabend nicht zur Verfügung – Gottesdienste in der Stadthalle und unter freiem Himmel

Am 24. Februar fand der letzte Gottesdienst in der Stiftskirche statt. Dann haben in Backnangs größtem Gotteshaus die Bauarbeiter das Kommando übernommen. Ausweichquartier ist seitdem das Gemeindehaus im Heininger Weg, doch für die Gottesdienste an Heiligabend ist der Raum dort viel zu klein. Mit kreativen Ideen versucht die Gemeinde, das Problem zu lösen.

Pfarrerin Sabine Goller-Braun freut sich auf den Gottesdienst auf dem Stiftshof. Wer am Ende das Friedenslicht nach Hause tragen will, sollte eine Laterne oder ein Windlicht mitbringen.

© Alexander Becher

Pfarrerin Sabine Goller-Braun freut sich auf den Gottesdienst auf dem Stiftshof. Wer am Ende das Friedenslicht nach Hause tragen will, sollte eine Laterne oder ein Windlicht mitbringen.

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Rund 1000 Plätze hatte die Stiftskirche vor Beginn der Renovierungsarbeiten, und an Heiligabend waren diese in den vergangenen Jahren gleich dreimal fast vollständig besetzt. Am 24. Dezember findet traditionell um 15 Uhr ein Familiengottesdienst statt, in dem Kinder ein weihnachtliches Musical aufführen. Um 17 Uhr ist dann die feierliche Christvesper, bei der die Kantorei singt, und um 23 Uhr ist schließlich Christmette, ein eher stiller und meditativer Gottesdienst, der von vielen Kirchgängern als besinnlicher Abschluss des Weihnachtsabends geschätzt wird.

Die Frage, wo diese Gottesdienste in diesem Jahr stattfinden werden, beschäftigt Pfarrerin Sabine Goller-Braun schon, seit über die Generalsanierung des Backnanger Wahrzeichens diskutiert wird. Klar war, dass das Gemeindehaus im Heininger Weg mit nur etwa 200 Plätzen nicht infrage kommt und auch ein Umzug in eine andere Kirche schwierig ist, denn die anderen Gemeinden feiern zur selben Zeit ihre eigenen Gottesdienste, die ebenfalls rappelvoll sind. Nur für den Spätgottesdienst gilt das nicht. Er kann in der Matthäuskirche, Backnangs zweitgrößtem Gotteshaus, stattfinden. Wenn man dort die Falttür zum Gemeindesaal öffnet, dürften die Plätze für die Christmette reichen, hofft Goller-Braun.

Gemeinderat macht eine Ausnahme

Für die beiden Nachmittagsgottesdienste wurden andere Lösungen gesucht und gefunden. Der Familiengottesdienst wird diesmal in der Stadthalle stattfinden. Dafür war freilich eine Sondergenehmigung nötig, denn eigentlich stellt die Stadt ihre Hallen und Räume nicht für religiöse Zwecke zur Verfügung. Der Gemeinderat entschied allerdings einstimmig, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen. Sabine Goller-Braun ist mit dem Ausweichquartier zufrieden, für die Musicalaufführung sei die Stadthalle ideal: „Der Vorteil ist, dass es eine Bühne gibt und man sehr gut sieht.“ Und dank weihnachtlicher Kulissen und Dekoration ist sie auch davon überzeugt, dass festliche Stimmung aufkommen wird.

Mit knapp 700 Plätzen ist allerdings auch die Stadthalle kleiner als die Stiftskirche. Deshalb hat die Kinderkantorei ihr Weihnachtsmusical am vergangenen Wochenende schon einmal beim Seniorennachmittag der Gemeinde aufgeführt. „Viele Großeltern haben die Aufführung deshalb schon gesehen“, sagt die Pfarrerin und vermutet, dass dadurch vielleicht etwas weniger Besucher in den 15-Uhr-Gottesdienst strömen werden als sonst.

Bei der Christvesper um 17 Uhr wagt die Gemeinde ein Experiment: Sie wird diesmal unter freiem Himmel auf dem Stiftshof stattfinden. Angesichts der vermutlich nicht gerade kuscheligen Temperaturen am 24. Dezember ein Wagnis, aber die Erfahrungen aus anderen Städten machen Sabine Goller-Braun Mut, dass ein Open-Air-Gottesdienst auch im Winter funktionieren kann. So kamen etwa vor drei Jahren fast 4000 Besucher zu einem Weihnachtsgottesdienst auf dem Schorndorfer Marktplatz.

Open-Air-Gottesdienst bei jedem Wetter

Für die Stiftskirchenpfarrerin hat der Freiluftgottesdienst einen besonderen Reiz: „Das soll kein Notbehelf sein, sondern etwas Besonderes“, sagt Goller-Braun und schwärmt von der Atmosphäre des Stiftshofs: „Der Platz wirkt wie eine Einladung, dort einen Gottesdienst zu feiern.“ Ein Organisationsteam hat sich für den Heiligen Abend bereits einiges einfallen lassen. Zu viel will die Pfarrerin nicht verraten, nur so viel: „Es wird aus verschiedenen Richtungen des Platzes etwas geboten sein.“ Und damit die Besucher nicht einfrieren, werde die Predigt kürzer ausfallen und stattdessen mehr gesungen und musiziert.

Bläser aus verschiedenen Posaunenchören haben sich spontan bereit erklärt, bei diesem besonderen Gottesdienst mitzuwirken. Vielleicht gelingt es auch noch, kurzfristig einen Chor zusammenzutrommeln. Am Ende des Gottesdiensts werden die Pfadfinder dann das Friedenslicht verteilen, das die Besucher – am besten geschützt in einer mitgebrachten Laterne oder einem Windlicht – mit nach Hause tragen können.

Stattfinden soll der Freiluftgottesdienst bei jedem Wetter. Sollte es regnen, stürmen oder schneien, würde das schließlich auch ganz gut zur Weihnachtsgeschichte passen, findet die Pfarrerin, die deshalb auch bewusst auf ein Dach über dem Rednerpodest verzichtet. Außerdem werden die meisten Besucher stehen müssen. Lediglich für ältere und gehbehinderte Gäste werden wohl ein paar Bänke aufgestellt.

Wie viele Leute am Ende tatsächlich kommen werden, weiß niemand. „Es ist ein Abenteuer, ich bin selbst gespannt“, sagt Sabine Goller-Braun. Die positiven Reaktionen, die sie bereits von vielen Leuten bekommen hat, lassen sie aber auf einen unvergesslichen Weihnachtsgottesdienst hoffen: „Es steckt viel Herzblut drin. Ich freue mich darauf.“ Die eingerüstete Kirche werden die Besucher vom Stiftshof aus übrigens die ganze Zeit im Blick haben und können sich schon einmal darauf freuen, dass sie dort – wenn alles nach Plan läuft – das nächste Weihnachtsfest in einem frisch renovierten Gotteshaus feiern.

Die Backnanger Stiftskirche ist zurzeit eine Baustelle. Bis hier wieder Gottesdienste gefeiert werden können, werden noch einige Monate vergehen. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Die Backnanger Stiftskirche ist zurzeit eine Baustelle. Bis hier wieder Gottesdienste gefeiert werden können, werden noch einige Monate vergehen. Fotos: A. Becher

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Erstellt:
13. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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