Weihnachtsgrüße für Michel

Paulinenpflege organisiert eine Postkartenaktion für den Querschnittsgelähmten – Er wohnt in einem Pflegeheim in Backnang

Seit einem Arbeitsunfall vor knapp einem Jahr ist Michel Mündlein querschnittsgelähmt. Um ihm sein erstes Weihnachtsfest im Pflegeheim zu verschönern, hat die Paulinenpflege Winnenden zu einer Weihnachtskartenaktion für ihren ehemaligen Klienten aufgerufen. Die Resonanz ist groß.

Wenn Karl Mündlein seinen Sohn Michel besucht, freut dieser sich sichtlich. Momentan plagt den querschnittsgelähmten 32-Jährigen ein multiresistenter Keim, weswegen seine Besucher eine Maske tragen müssen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Wenn Karl Mündlein seinen Sohn Michel besucht, freut dieser sich sichtlich. Momentan plagt den querschnittsgelähmten 32-Jährigen ein multiresistenter Keim, weswegen seine Besucher eine Maske tragen müssen. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Besuch hat Michel Mündlein besonders gern. Dann erhellt ein Lächeln sein Gesicht. Aber nicht immer ist der 32-Jährige so fröhlich, wie er es einst war. „Oft habe ich das Gefühl, er hat Tränen in den Augen“, erzählt sein Vater Karl. In den vergangenen zwölf Monaten haben Michel und seine Familie viel durchmachen müssen. Bei seiner Arbeit auf dem Paulinenhof kam es zu einem folgenschweren Unfall. Beim Stalldienst am zweiten Weihnachtsfeiertag löste sich ein großer Strohballen und fiel auf den jungen Mann. Michel Mündlein brach sich das Becken, mehrere Rippen und einen Wirbel. „Von einem Tag auf den anderen hat sich alles verändert. Ich kann es immer noch nicht fassen“, sagt Karl Mündlein und schlägt die Hände vors Gesicht. Sein Bub, wie er ihn nennt, war lebensfroh, offen. „Es war mir manchmal schon peinlich, wie er schnurstracks auf Leute zugegangen ist und sie einfach umarmt hat“, erzählt der Vater. Michel, der das Downsyndrom hat, sei es nie schwergefallen, Kontakte zu knüpfen. Stadtfeste wie das Hoolgaaschtfest in Schwäbisch Hall haben ihm große Freude bereitet. Jetzt ist Michel an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Im Laufe des Jahres hatte er schon eine Lungenentzündung, Probleme mit der Magensonde, derzeit plagt ihn ein multiresistenter Keim. „Es ist immer wieder etwas, das ist so schrecklich nervig“, sagt Vater Karl.

Karl Mündlein besucht seinen Sohn fast täglich

Als Michel 2008 einen Arbeitsplatz auf dem Paulinenhof in Winnenden gefunden hat, „war das für ihn die Erfüllung“. Dass die Anstellung klappt, dafür hat die Familie kämpfen müssen. Denn die Mündleins kommen aus dem Landkreis Schwäbisch Hall, die Zuschüsse für eine Beschäftigung Michels kommen vom Landratsamt. Der Paulinenhof liegt jedoch im Rems-Murr-Kreis. Nach einigem Hin und Her hat es dennoch geklappt. Etwa zehn Jahre hat Michel unter anderem die Ställe gesäubert oder Holz gemacht – und viele neue Freundschaften geschlossen. Auch wenn Michel seit seinem Unfall intensive Pflege braucht und deshalb nicht in die Paulinenpflege zurückkehrte, wird er dort immer noch liebevoll „unser Michel“ genannt. Matthias Knödler, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Paulinenpflege zuständig ist, erklärt: „Wir besuchen Michel regelmäßig in Backnang – zu den Besuchern zählen nicht nur Mitarbeiter seiner Wohngruppe, des Paulinenhofs oder hier aus der Verwaltung, sondern auch Ex-Mitbewohner aus seiner Wohngruppe oder Ex-Mitbeschäftigte vom Paulinenhof.“

Um Michel eine Freude zu bereiten, hat sich das Team nun eine neue Aktion einfallen lassen. Per Facebook und Instagram rief die Paulinenpflege dazu auf, Michel eine Karte mit Weihnachtsgrüßen zu schreiben (siehe Infobox). „Karten schaut er sehr interessiert an“, berichtet Karl Mündlein. Er besucht seinen Sohn fast täglich, liest ihm vor, schaut mit ihm Bilder an oder hört Musik. Wenn Michel schläft, kommt Karl Mündlein auch dazu, ein bisschen seinem Hobby, dem Zeichnen nachzugehen. „Das tut mir gut“, sagt er. Im neuen Jahr, hat er sich vorgenommen, wolle er auch wieder mehr schreiben. „Ich habe so viel in meinem Kopf.“

Zur Zeit öffnen Vater und Sohn täglich gemeinsam eine Tür des Adventskalenders. „Von meinen persönlichen Erlebnissen kann ich ihm gar nicht viel erzählen, ich bin ja fast den ganzen Tag da. Und vom Fernsehen ist er nicht so begeistert“, weiß der Papa. An den Wochenenden kommen auch seine Schwestern Michel besuchen. Da er an ein Beatmungsgerät angeschlossen ist, kann Michel kaum sprechen. „Wir versuchen, ihm von den Lippen abzulesen“, erklärt Karl Mündlein. Matthias Knödler kennt die Mündleins und sagt: „Michel hat eine wunderbare Familie, die sich rührend um ihn kümmert.“

Begeistert ist Michel auch vom VfB Stuttgart, Knödler bezeichnet ihn gar als „den größten VfB-Fan aller Zeiten“. Gemeinsam mit dem Fanclub OFC Weiß-Rote Schwoba aus Leutenbach war Michel vor seinem Unfall im Stadion. Die Leutenbacher haben es auch organisiert, dass VfB-Maskottchen Fritzle Michel besucht und die Traditionsmannschaft des VfB Michel mit einem Banner gegrüßt hat. Der ehemalige VfB-Spieler Guido Buchwald teilte sogar den Aufruf der Paulinenpflege auf Facebook mit den Worten: „Die VfB Stuttgart-Familie muss immer zusammenhalten! Bitte unterstützt Michel, schreibt ihm eine Postkarte und macht ihm mit einer kleinen Geste eine große Freude!“ Die Resonanz auf die Aktion ist groß – der Originalbeitrag wurde bereits 189-mal geteilt, 66 Kommentare mit vielen guten Wünschen finden sich zudem darunter. Auf Zukunftswünsche für seinen Bub angesprochen sagt Karl Mündlein nur: „Ein kleines bisschen Fortschritt.“

Die Traditionsmannschaft des VfB Stuttgart um Guido Buchwald, Hansi Müller und Cacau wünschte Michel auf einem Banner gute Besserung.

© privat

Die Traditionsmannschaft des VfB Stuttgart um Guido Buchwald, Hansi Müller und Cacau wünschte Michel auf einem Banner gute Besserung.

Info
Karten bringen Freude

Wer Michel Mündlein Weihnachtsgrüße zukommen lassen möchte, kann eine Postkarte an die Adresse Paulinenpflege Winnenden, Kennwort „Michel“, Ringstraße 106, 71364 Winnenden senden . Die Verantwortlichen der Paulinenpflege leiten die Postkarten dann an ihn weiter. „Obwohl er große Einschränkungen hat, freut sich Michel auf Weihnachten – mit euren Postkarten dann sicherlich noch mehr“, heißt es im Facebook-Aufruf.

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Erstellt:
23. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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