Weissach: Fast tausend Unterschriften fürs Bürgerbegehren

In nicht einmal drei Wochen haben die Mitglieder des Offenen Grünen Treffs in Weissach im Tal 988 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen eine Bebauung am Brüdenbach gesammelt. Die Verwaltung möchte prüfen lassen, ob dort ein neuer Pflegeheimstandort entstehen könnte.

Reinhard Knüdeler (mit Ordner) überreicht Daniel Bogner die Unterlagen und Unterschriften für das Bürgerbegehren. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Reinhard Knüdeler (mit Ordner) überreicht Daniel Bogner die Unterlagen und Unterschriften für das Bürgerbegehren. Foto: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Dies sei eine massive Demonstration des Bürgerwillens, betont Reinhard Knüdeler, als er Bürgermeister Daniel Bogner die gut ein Kilo schwere Unterschriftensammlung sowie die Unterlagen des Bürgerbegehrens gegen eine Bebauung am Brüdenbach in dessen Büro im Rathaus in Unterweissach überreicht. 988 Unterschriften hat die Gruppe Offener Grüner Treff in nicht einmal drei Wochen gesammelt – fast dreimal so viele wie nötig. 362 Stimmen (sieben Prozent) hätten bei den 5149 wahlberechtigten Weissacherinnen und Weissachern ausgereicht, um das Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen.

Zuletzt war die Verwaltung 2007 mit einem Bürgerbegehren konfrontiert

Um kurz vor 11 Uhr haben sich Knüdeler und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter am gestrigen Dienstagvormittag vor dem Rathaus eingefunden. Ob der Bürgermeister die Unterlagen persönlich entgegennimmt, wissen sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Beim letzten Bürgerbegehren in der Tälesgemeinde 2007 habe sich der damalige Bürgermeister Rainer Deuschle gedrückt und stattdessen seinen Stellvertreter Jörg Schaal geschickt, erinnert sich Ilse Bitzer, die mehr als 30 Jahre lang im Weissacher Gemeinderat saß und das Bürgerbegehren gegen eine Bebauung des Ochsenareals mitinitiiert hatte. Auch damals ging es um den Hochwasserschutz. Laut BKZ-Archiv befand sich Deuschle, genau wie Bitzer, am Tag der Übergabe allerdings im Urlaub.

Das Anliegen wird nun vom Gemeinderat geprüft

Daniel Bogner dagegen ist vor Ort und bittet die 20 Vertreterinnen und Vertreter des Offenen Grünen Treffs nach kurzem Zureden von Alexander Ludwig und Peter Haußmann in sein Büro. Dort fasst er den Sachverhalt noch einmal kurz zusammen (siehe Infotext). Es sei „gut, dass sich die Leute für ihre Gemeinde interessieren und sich einbringen“, sagt er. Jetzt gelte es, das Anliegen der Bürgerschaft vonseiten des Gemeinderats zu prüfen.

Dieser hat nun zwei Monate Zeit, um zu kontrollieren, ob das schriftlich eingereichte Bürgerbegehren auch zulässig ist. Dabei ist jedoch nur die formale Richtigkeit entscheidend. Falls das Bürgerbegehren formal richtig ist und der Rat in der Zwischenzeit nicht selbst die Umsetzung der in dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließen sollte, würde es zum Bürgerentscheid kommen: Dann würden die Weissacherinnen und Weissacher dazu aufgerufen werden, darüber abzustimmen, ob der Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans „Brüdenwiesen Nord“ bestehen bleiben soll oder nicht.

Enthalten muss das Bürgerbegehren zum einen die Frage, die in dem Bürgerentscheid gestellt werden soll, zum anderen eine Begründung dafür sowie einen realistischen Vorschlag für die Deckung der Kosten der Abstimmung. „Unser Wunsch ist es eigentlich, dass der Gemeinderat die Entscheidung revidiert und dass gar keine Kosten entstehen“, sagt Volker Genthner.

Verwaltung will am Aufstellungsbeschluss festhalten

Auch Bürgermeister Bogner erklärt, dass die Verwaltung daran interessiert sei, eine Lösung zu finden, die für alle passe. „Da sind wir auf einem guten Weg“, verkündet er. Wie dieser aussieht, lässt er aber offen. In der jüngsten Gemeinderatssitzung hatte er unter dem Punkt Bekanntgaben noch mitgeteilt, die Verwaltung wolle „definitiv an dem Aufstellungsbeschluss festhalten“ und den Standort „Brüdenwiesen Nord“ als mögliches Baugrundstück für ein neues Pflegeheim „ergebnisoffen betrachten“. In seinem Büro hingegen sagt Bogner, er gehe davon aus, dass eine Alternative gefunden werde, die auch den Hochwasserschutz beinhalte. „Ich hoffe und denke auch, dass ein Bürgerentscheid nicht relevant werden wird“, bekräftigt er.

Die Mitglieder des Offenen Grünen Treffs zeigen sich vor dem Rathaus mit der Übergabe größtenteils zufrieden. „Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Bürgermeister so souverän mit einem Bürgerbegehren umgeht“, sagt Alexander Ludwig, der selbst von 2007 bis 2015 Bürgermeister der Stadt Leinfelden-Echterdingen war. Ilse Bitzer fügt an, Bogner sei ganz anders mit dem Entgegennehmen der Unterschriften umgegangen als Deuschle 2007. Helga Voell dagegen findet, Bogner habe versucht, die Angelegenheit ein wenig herunterzuspielen: „Er hat immer nur von einer Unterschriftenliste gesprochen statt von einem Bürgerbegehren, das zu einem Bürgerentscheid führen könnte.“

Bei einem Bürgerentscheid stünden die Aussichten für die Initiatoren sehr gut

Bevor sich alle verabschieden, regt Reinhard Knüdeler noch an, dass möglichst viele Mitglieder des Offenen Grünen Treffs an der Gemeinderatssitzung teilnehmen sollen, bei der das Bürgerbegehren auf der Tagesordnung steht, „um zu demonstrieren, wohin der Bürgerwille führen soll“. Denn auch wenn sich die Gruppe nicht vorstellen kann, dass die Naturschutzbehörde einer Bebauung der Talaue überhaupt zustimmen würde, ist es ihr wichtig, schon jetzt ein Zeichen zu setzen.

Falls es doch zu einem Bürgerentscheid kommen sollte, sagt Knüdeler, stünden die Aussichten für die Initiatoren „sehr gut“. Allein die Stimmen, die sie jetzt gesammelt hätten, würden fast dafür ausreichen, den Aufstellungsbeschluss des Gemeinderats zu kippen. „Wir waren überwältigt von der großen Resonanz“, sagt Alexander Ludwig. Mehr als 20 Sammlerinnen und Sammler hätten sich an der Unterschriftenaktion beteiligt, fügt Knüdeler hinzu, „viele haben sich von sich aus dafür gemeldet“. Trotz des hohen Zuspruchs aus der Bevölkerung wäre es den Mitgliedern des Offenen Grünen Treffs am liebsten, wenn es gar nicht erst zu einem Bürgerentscheid kommen würde. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, so Knüdeler.

Bei dem Hochwasser 2011 stand ein Großteil der Gemeinde unter Wasser – auch die Fläche unterhalb des aktuellen Pflegeheims (Bild: ganz oben Mitte). Foto: Gemeinde Weissach im Tal

Bei dem Hochwasser 2011 stand ein Großteil der Gemeinde unter Wasser – auch die Fläche unterhalb des aktuellen Pflegeheims (Bild: ganz oben Mitte). Foto: Gemeinde Weissach im Tal

Was bisher geschah

Anlass Die Gemeindeverwaltung möchte prüfen lassen, ob der Bau neuer Seniorenpflegeeinrichtungen auf der Grünfläche zwischen dem bestehenden Pflegeheim (Brüdenwiesen 7–9) und dem Brüdenbach möglich ist. In einer Gemeinderatssitzung am 22. Dezember vergangenen Jahres haben die Rätinnen und Räte mehrheitlich die Aufstellung des Bebauungsplans „Brüdenwiesen Nord“ beschlossen (elf Jastimmen, zwei Neinstimmen und zwei Enthaltungen). Zugrunde liegt dem Vorgehen der Paragraf 13b des Baugesetzbuchs, der bis zum 31. Dezember 2022 eine beschleunigte Abwicklung (mit eingeschränkter verpflichtender Umweltprüfung) ermöglichte.

Problem Die Fläche des Bebauungsplans „Brüdenwiesen Nord“ liegt im HQ-10-Gebiet, also einem Überschwemmungsgebiet, in dem es statistisch gesehen einmal in zehn Jahren zu Hochwasserereignissen kommt.

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Erstellt:
22. März 2023, 06:00 Uhr

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