Weissacherin gewinnt Filmpreis für Animationsfilm

Für ihren Stop-Motion-Film „Ranzawai“ hat Adelheid Widmaier aus Oberweissach den Sonderpreis Animation des Sebastian-Blau-Preises für schwäbische Mundart verliehen bekommen. Den Film hat sie bei sich zu Hause gedreht, die Figuren und Kulissen zum Großteil selbst gebaut.

Adelheid Widmaier an einem neuen Set, einer Schnapsbrennerei. Ihre Filme hat sie alle mit dem Handy aufgenommen. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Adelheid Widmaier an einem neuen Set, einer Schnapsbrennerei. Ihre Filme hat sie alle mit dem Handy aufgenommen. Fotos: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Das Obergeschoss ihres Wohnhauses in Oberweissach hat Adelheid Widmaier zu einem kleinen Filmstudio umfunktioniert. In einem der Zimmer ist derzeit eine Schnapsbrennerei in Miniaturform aufgebaut: eine Holzhütte mit Schnapsbrennanlage, einem winzigen Buch übers Schnapsbrennen und fingerkuppengroßen Fläschchen. Dahinter hängt ein grüner Vorhang, ein selbst gebauter Greenscreen. Die Schnapsbrennerei solle die Kulisse ihres nächsten Films werden, kündigt Adelheid Widmaier an. Für ihr jüngstes Werk, den Stop-Motion-Film „Ranzawai“, wurde die 71-Jährige vor Kurzem mit dem Sonderpreis Animation des Sebastian-Blau-Preises für schwäbische Mundart ausgezeichnet (siehe Infotext).

Erst 2021 zum Filmemachen gekommen

Sie habe nicht damit gerechnet, einen Preis zu gewinnen, sagt die Hobby-Filmemacherin: „Meine Konkurrenten haben fast alle in richtigen Studios aufgenommen.“ Sie selbst sei dagegen erst im Februar 2021 zum Filmemachen gekommen, erzählt sie. Und das auch nur durch Zufall. Die Hütte, die sie als Erstes gebaut hat, sollte eigentlich zur Weihnachtskrippe werden. „Ein Freund hat sie gesehen und zu mir gesagt: Darin musst du einen Krimi drehen“, erinnert sie sich. Ihr Sohn zeigte ihr daraufhin eine App, mit der man Stop-Motion-Filme drehen kann: Filme, die komplett aus einzelnen Fotos zusammengesetzt sind. So entstanden, „aus Blödsinn“, ihre ersten Kurzfilme. Mittlerweile sind es 15, die man auf ihrer Webseite (siehe Infotext) ansehen kann.

Professor Wunibald ist einer der Charaktere, den Adelheid Widmaier erschaffen hat.

© Alexander Becher

Professor Wunibald ist einer der Charaktere, den Adelheid Widmaier erschaffen hat.

Bei „Ranzawai“, sagt sie, habe der Titel von Anfang an festgestanden. „Das Wort hat mir einfach gefallen. ‚Ranzawai‘: Da kann man richtig hören, wie einer Bauchweh kriegt.“ In der Komödie treffen der Schäfer Ignazius von der Ostalb und ein Professor Wunibald aufeinander. Der Film war schon zur Hälfte fertig, als Adelheid Widmaier online auf die Ausschreibung des Sebastian-Blau-Preises aufmerksam wurde. Bis sie ihren Film einreichte, verging aber noch eine Weile. „Ich habe auch niemandem davon Bescheid gesagt, damit ich mich nicht blamiere“, verrät sie und schmunzelt. Jetzt zeugen eine überdimensionale Flasche des Sponsors Schwabenbräu, verschiedene Mundartbücher und Wanderführer und nicht zuletzt eine offizielle Urkunde von der Auszeichnung mit dem renommierten Preis. Darüber hinaus durfte sich Adelheid Widmaier über ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro freuen.

Film ist in schwäbischer Mundart erschienen

Trotz der vergleichsweise kurzen Zeit, die die Rentnerin mit ihrem neuen Hobby bisher verbracht hat, steht dahinter schon eine Entwicklung. Zwischendurch nahm sie die Fotos auch einmal mit einer Kompaktkamera auf. „Aber das hat nicht gepasst von der Farbgebung her und von der Schärfe, deshalb bin ich wieder aufs Handy umgestiegen“, berichtet sie. Auch von der App sei sie mittlerweile abgekommen. Für das Bearbeiten der Fotos und für die spätere Zusammensetzung arbeitet sie jeweils mit einem speziellen Programm.

Dass ihre Filme in schwäbischer Mundart erscheinen sollen, das war für Adelheid Widmaier sofort klar. Schwäbisch, sagt sie, sei ihre Muttersprache. 1951 wurde sie in Wiesensteig im Landkreis Göppingen geboren. Aufgewachsen ist sie in Geislingen an der Steige, zwischen Stuttgart und Ulm. „Da redet man ein besonders breites Schwäbisch“, sagt sie. „Für mich hat sich das natürlich angefühlt.“

Kulissen und Figuren sind selbst gebastelt

Ihre ersten Filme waren allerdings noch Stummfilme. Mithilfe von eingeblendeten Sprechblasen ließ sie ihre Figuren reden. Das Papier dafür hatte sie in ihrer Zeit als Fachlehrerin für Sonderpädagogik an der Bodelschwinghschule in Murrhardt für ein besonderes Schulprojekt von der Druckerei der Backnanger Kreiszeitung bekommen. Da beim Sebastian-Blau-Preis gesprochenes Schwäbisch die Prämisse war, habe sie im Nachhinein die Texte eingesprochen. „Das war eigentlich die geringste Arbeit. Ich habe den Film auf dem Computer laufen lassen, mein Handy neben die Tastatur gelegt und das aufgenommen, was ich gesagt habe“, schildert sie.

Weitaus aufwendiger war das Schaffen an den Kulissen und den Figuren, wobei ihr das am meisten Spaß macht. Einen Großteil von dem, was im Film zu sehen und zu hören ist, hat Adelheid Widmaier selbst gemacht: Die Köpfe der Figürchen beispielsweise hat sie aus der Modelliermasse Fimo geformt, die Kleidung selbst genäht. Sie hat nicht nur die Hütten, sondern auch deren Einrichtung fast vollständig selbst gebastelt und dabei auf jedes Detail geachtet. Darin hängen sogar Bilder an den Wänden: „Das Abendmahl“ von Leonardo da Vinci und „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ von Jan Vermeer, so groß wie Briefmarken. Eine Herausforderung war die Technik: Dank einer Tauchpumpe und eines Stücks Schlauch fließt echtes Wasser aus dem Brunnen, ein kleiner Luftbefeuchter bringt den Kamin zum Qualmen.

Selbst die Hintergrundgeräusche wurden Zuhause aufgezeichnet

Auch die Töne und die Hintergrundgeräusche, die in „Ranzawai“ zu hören sind, hat sie fast alle eigenhändig aufgenommen: so das Vogelgezwitscher im Wald oder das Dröhnen des Helikopters, dessen Rotoren sie im Film mit einem Fön zum Drehen brachte. Nur einen Ton hat sie im Internet gekauft: „Steps in the forest“, Fußschritte im Wald. „Ich hab das schon selbst probiert, aber das kriegt man nicht genauso hin“, sagt sie. Denn das ist ihr schon wichtig, dass das Endergebnis stimmt. „Ich bin vielleicht ein bisschen zu genau, aber das ist mir lieber als zu nachlässig“, betont sie. Zwar passen manche Tierfiguren (von der Firma Schleich) wegen ihrer Proportionen nicht so gut, zum Beispiel das Schwäbisch-Hällische Schwein, das fast so groß wie die Figuren ist. „So genau muss es dann aber auch wieder nicht sein“, räumt sie ein.

Für die Zukunft hat Adelheid Widmaier noch viele Pläne. Ein weiterer Film ist bereits fertig, er wird bald veröffentlicht. Ein anderer, „Astro-Lilli“, über eine Ziege, die mit einem Fernrohr in die Sterne schaut, „existiert bisher nur in meinem Kopf“, sagt sie. Bei kommenden Projekten möchte sie auch noch die Filmmusik selbst einspielen.

Sebastian-Blau-Preis

Preis Der Sebastian-Blau-Preis geht auf den Rottenburger Schriftsteller und Journalisten Josef Eberle zurück. Er ist unter dem Pseudonym Sebastian Blau bekannt und gilt als einer der wichtigsten Dialektdichter der deutschen Literaturgeschichte. Seit 2002 schreibt der Verein „schwäbische mund.art“ alle zwei Jahren einen Mundartwettbewerb zu seinem Gedenken aus. Die Kategorien wechseln. Dieses Jahr konnten sich Filmemacherinnen und Filmemacher um den Preis bewerben. Zudem gibt es die Sparten Literatur, Lied und Kabarett.

Idee Ziel des Wettbewerbs ist es, die schwäbische Mundart in den Medien zu fördern. Das Preisgeld lag 2022 bei gesamt rund 13.000 Euro. Den ersten Preis belegten Clara Schemmel und Jakob Maria Lott mit ihrem Film „Der Knecht“. Mehr Infos erhält man unter www.sebastian-blau-preis.de. Alle
Filme von Adelheid Widmaier findet man unter www.schaefer-ignazius.de.

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Erstellt:
8. November 2022, 11:00 Uhr

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