Erfolg für den Naturschutz

Wenig Nahrung – aber trotzdem sind 4100 junge Störche flügge geworden

Viele Storchenpaare mussten Jungtiere aus dem Nest werfen, um zumindest einen Teil des Nachwuchses durchzubringen. Die Naturschützer sind dennoch zufrieden. Jetzt droht neue Gefahr.

Mehr als 4100 junge Störche sind in diesem Jahr im Südwesten aufgezogen worden.

© Christoph Kasulke

Mehr als 4100 junge Störche sind in diesem Jahr im Südwesten aufgezogen worden.

Von Thomas Faltin

Was für eine Erfolgsgeschichte: Vor 50 Jahren lebten in Baden-Württemberg gerade noch 15 Storchenpaare, und dieser ebenso beliebte wie majestätische Vogel stand kurz vor dem Aussterben. Jetzt zählten Naturschützer 2600 Brutpaare, und der Südwesten darf stolz sein, Heimat für die größte Zahl an Störchen in ganz Deutschland zu sein.

Den größten Anteil an dieser so positiven Entwicklung dürfte ein Aussetzungsprogramm gehabt haben, das in den 1980er und 1990er Jahren gestartet worden war. Daneben hat der Klimawandel endlich mal einen positiven Effekt: Viele Störche ziehen nicht mehr bis nach Afrika, sondern bleiben in Spanien oder gleich in Deutschland – das verringert die Sterblichkeit auf der gefahrvollen Reise. Außerdem seien eine Zeitlang viele Äcker in Wiesen umgewandelt worden, erzählt Stefan Eisenbarth, der Fachbeauftragte des Nabu für Weißstörche. Das habe das Angebot an Nahrung erhöht. Störche fressen Mäuse, Regenwürmer, Insekten oder kleine Fische. Zudem sind Strommasten mittlerweile besser geschützt für Störche.

1,6 Junge pro Storchenpaar haben im Schnitt überlebt

Das Jubiläumsjahr 2025 sei zufriedenstellend verlaufen, betont auch Judith Opitz, die Landesbeauftragte für Weißstörche. Denn zum einen entwickelte sich die Population weiter nach oben: Vor zehn Jahren lag die Zahl der Brutpaare noch unter 1000, im vergangenen Jahr waren es 2500 gewesen. Zum anderen sind 4100 junge Störche flügge geworden. Damit haben die Storcheneltern im Landesschnitt 1,6 Junge durchgebracht – 1,3 werden benötigt, damit die Population stabil bleibt.

Das Leben vieler kleiner Störche endete in diesem Jahr aber jäh. Es sei sehr trocken gewesen, so Eisenbarth, weshalb es weniger Nahrung als sonst gegeben habe. Bis zu 1600 Gramm Futter braucht ein Jungstorch pro Tag. Die Störche werfen dann schwächere Junge aus dem Horst – die Natur kann sehr brutal sein. Nur wenige werden lebend gefunden und etwa im Vogelschutzzentrum in Mössingen abgegeben. Mehr als 30 Störche wurden dort in diesem Frühjahr aufgepäppelt.

Im Vergleich zum sehr nassen und kalten Katastrophenjahr 2024, als die Quote bei nur 0,5 Jungtieren pro Brutpaar lag, war 2025 also ein sehr ordentliches Jahr. Damals sind viele gerade geschlüpfte Störche an Unterkühlung eingegangen. Ob irgendwann die Populationsgrenze in Baden-Württemberg erreicht ist, wagt Stefan Eisenbarth nicht zu prognostizieren. Derzeit bevorzugen die Störche Oberschwaben, den Bodensee und das Rheintal; anderswo kommen sie eher vereinzelt vor. „Aber der Druck wird langsam größer, immer häufiger siedeln Störche auch an schlechteren Standorten“, sagt Eisenbarth.

Doch in die Freude über die leichte wachsende Population mischt sich große Sorge. Denn aus Spanien dringen beunruhigende Nachrichten: Im Großraum Madrid grassiert die Vogelgrippe, allein am Fluss Rio Manzanares seien zuletzt 500 Storchenkadaver gezählt worden – dort halten sich derzeit auch viele Störche aus Baden-Württemberg auf. „Ich gehe davon aus, dass nächstes Jahr einige Horste unbesetzt bleiben“, fürchtet Stefan Eisenbarth. Als die Störche im Sommer noch im Südwesten weilten, gab es noch keine stärkeren Anzeichen für eine Betroffenheit – andere Arten wie den Wanderfalken trifft die Vogelgrippe dagegen auch in Baden-Württemberg sehr. 

Ein weiteres Problem ist, dass die Störche immer mehr Müll in ihre Horste tragen oder ihn sogar fressen. Auf Müllverwertungsanlagen trieben sich auch in Deutschland oft 30 oder 40 Störche herum, um Futter zu ergattern, so der Fachbeauftragte Eisenbarth. Manchmal verschlucken sie Gummiringe oder Plastikfolien und gehen elend daran ein.

Dass man über die Situation der Störche in Baden-Württemberg so gut Bescheid weiß, liegt an den rund hundert ehrenamtlichen Storchenbetreuern, die die Tiere beobachten und zählen. Weitere Ehrenamtliche werden gesucht.

In der Region Stuttgart leben übrigens nur wenige Störche, darunter die Störchin Trick im Kreis Böblingen, die den Winter komplett bei uns verbringt, so wie mittlerweile grob geschätzt fünf Prozent der baden-württembergischen Population. Auch im Kreis Ludwigsburg gibt es einige Horste, und einen sogar in Stuttgart. Wissen Sie, wo? In der Wilhelma – die Störche dürfen aber frei über der Stadt fliegen.

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Erstellt:
22. Dezember 2025, 15:18 Uhr
Aktualisiert:
23. Dezember 2025, 14:26 Uhr

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