Weniger Unwetter-Entschädigungen im EU-Bahnverkehr

dpa Brüssel. Lange haben Vertreter von Europaparlament und EU-Staaten über Reformen im Bahnverkehr verhandelt. Nun steht eine Einigung, die Zugpassagieren Vorteile bieten soll. Es gibt aber auch kritische Punkte - und Verbraucherschützer sehen nationale Schlupflöcher.

Die rechtlichen Bedingungen für EU-Zugreisen werden reformiert. Foto: Silas Stein/dpa

Die rechtlichen Bedingungen für EU-Zugreisen werden reformiert. Foto: Silas Stein/dpa

Wenn „höhere Gewalt“ etwa bei Unwettern oder sonstigen Extremereignissen zuschlägt, müssen sich Bahnkunden in Europa künftig auf ausbleibende Entschädigungen einstellen. In einigen Bereichen sollen die Verbraucherrechte aber explizit gestärkt werden.

Die rechtlichen Bedingungen für Zugreisen in der EU werden in verschiedenen Punkten reformiert, wie Unterhändler in Brüssel erklärten. EU-Staaten und Europaparlament müssen der vorläufigen Einigung vom Donnerstag noch einmal zustimmen, was jedoch als Formsache gilt.

Teil des Pakets ist etwa eine Klärung verschiedener Kundenrechte bei Zugverspätungen oder -ausfällen. So würden die Regeln für nötige Zugumleitungen oder passende Anschlussverbindungen gestärkt, hieß es. Dazu gehört, dass durchgehende Tickets ausgestellt werden müssen, wenn ein Zuganbieter für die Fahrt auf der gesamten Strecke auch nach dem Umsteigen verantwortlich ist. Hier soll die eindeutige Ausstellung für den ganzen Reiseverlauf sicherstellen, dass bei großen Verspätungen Alternativanschlüsse angeboten oder bei Bedarf Schadenersatz gezahlt werden kann.

Allerdings sollen Bahnunternehmen bei „besonderen Umständen“ nicht mehr verpflichtet sein, zusätzliche Entschädigung zu leisten - zum Beispiel bei extremen Wetterbedingungen oder erhöhten Risiken in einer Pandemie. Begründet wurde dies damit, dass Chancengerechtigkeit zu anderen Verkehrsanbietern gewährleistet bleiben müsse.

Der europäische Verbraucherverband Beuc sieht die Neuerungen kritisch. Befürchtet wird, dass der wegfallende Schadenersatz bei „höherer Gewalt“ auch in Situation greifen könnte, in denen das jeweiligen Bahnunternehmen sehr wohl mitverantwortlich sei - etwa bei Oberleitungsschäden. „Die Einführung dieser Klausel wird auch Hilfsangebote für gestrandete Passagiere beseitigen.“ Bei der Pflicht zur Ausstellung durchgehender Tickets seien mögliche „Schlupflöcher“ für die Mitgliedstaaten zu bedenken. So gilt die Regel nach Angaben des Verbands nur, wenn die betreffenden Bahnanbieter zum selben Mutterkonzern gehören. Die neuen Vorgaben stünden insgesamt für „eine verpasste Gelegenheit, den Bahnverkehr voranzubringen“.

Die EU-Kommission hatte bereits 2017 vorgeschlagen, dass Bahnunternehmen - ähnlich wie Fluggesellschaften - in Fällen keine Entschädigung zahlen müssen, in denen sie die dafür verantwortlichen Umstände nicht vermeiden können. Eine Erstattung des vollen Ticketpreises soll aber weiterhin zu den Rechten der Fahrgäste gehören.

Neu ist außerdem das Recht, grundsätzlich ein Fahrrad mit in den Zug zu nehmen. Dies solle auch „den Geist des Green Deal“ widerspiegeln, hieß es. Das Klima- und Umweltpaket der EU-Kommission soll in den kommenden Jahren die europäischen CO2-Emissionen deutlich reduzieren helfen. „Um dies zu erleichtern, werden Bahnunternehmen eine angemessene Anzahl von Fahrradabteilen an Bord ihrer Züge einrichten müssen.“ Behinderte Kunden sollen ebenfalls mehr Rechte erhalten.

Die für Verkehr zuständige EU-Kommissarin Adina Valean sagte: „Die neue Verordnung schafft einen besseren Schutz für europäische Bahnkunden im Fall von Verspätungen, Ausfällen, verpassten Anschlüssen oder Diskriminierung.“ Sie halte vor allem die ausgebauten Rechte für behinderte Kunden für wichtig. Die Regelungen zur „höheren Gewalt“ seien nun klargestellt, was ebenfalls zu begrüßen sei.

© dpa-infocom, dpa:201001-99-790306/2

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Erstellt:
1. Oktober 2020, 19:03 Uhr

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