Frisierte Google-Rezensionen

„Wenn Google fast alles löscht, ist das verlockend“

Kann man Google Maps angesichts vieler gelöschter Ein-Sterne-Bewertungen noch vertrauen? Nur wenn man es klug anstellt, sagt der Marketingexperte Christoph Kreuzer.

 

© privat

 

Von Jan Georg Plavec

Auf Google Maps verschwinden seit einiger Zeit im großen Stil Rezensionen – neben inhaltlich problematischen oft auch solche, die den Bewerteten nicht passen. Das haben Recherchen unserer Zeitung zur Gastronomie in Stuttgart und zu Festzelten beim Cannstatter Volksfest ergeben. Sehr betroffene Rezensenten machen ihrem Ärger darüber Luft.

Taugt Google Maps angesichts solcher Entwicklungen noch, wenn man beispielsweise ein passendes Restaurant sucht? Und warum lassen Betreiber überhaupt löschen? Christoph Kreuzer von der Stuttgarter Marketingagentur Regiohelden ist einer von Wenigen in der Branche, die darüber sprechen wollen.

Herr Kreuzer, lassen Sie mit Ihrer Agentur Google-Bewertungen löschen?

Gelöscht wird immer von Google selbst, und zwar in festgelegten Fällen wie Beleidigung, Datenschutzverstößen, wenn Bots bewerten oder die Bewertung keinen Bezug zum Unternehmen hat. Wir bieten den Service an, Löschanfragen bei Google einzureichen. Eine Löschgarantie geben wir nicht. Und wir reichen auch nur Löschanfragen ein, wenn sie von Googles Kriterien gedeckt sind. Mir war nicht klar, dass Google offenbar so ziemlich allen Löschanfragen nachkommt.

Raten Sie Ihren Kunden dazu?

Wir sagen ihnen, dass Bewertungsmanagement wichtig ist, also auf Bewertungen zu reagieren, vor allem mit eigenen Kommentaren – auch bei negativen Bewertungen. Das erzeugt Vertrauen. Außerdem ist die Zahl der Bewertungen wichtig, und Bewertungen mit Text oder Foto sind besonders relevant. Aber klar ist es du ein Problem, wenn man zu viele Ein- oder Zwei-Sterne-Bewertungen erhält.

Was halten Sie davon, die Durchschnittsbewertung zu frisieren?

Meiner Meinung nach müsste Google öfters sagen: Wir löschen diese Bewertung nicht. Wenn Google fast alles löscht, ist es verlockend, das zu tun. Und dann schaut man nur bei negativen Bewertungen, ob es einen Grund gibt, die zu löschen. Ich muss aber auch sagen, dass von den aktuell rund 6500 Kunden in diesem Bereich nur eine niedrige zweistellige Zahl über uns Löschungen beantragt hat.

Unsere Recherche zeigt, dass sehr viele Gastronomiebetriebe Negativbewertungen löschen lassen, darunter ganz überwiegend rechtlich unverdächtige. Erst ab einer 4,6-Sterne-Bewertung ist ein Lokal halbwegs gut. Können Kunden Bewertungen auf Google Maps überhaupt noch ernst nehmen?

Die Nutzung von Google Maps nimmt eher zu als ab. Zwar hat einerseits das Vertrauen nachgelassen, andererseits dürfte vielen Usern weiterhin nicht klar sein, dass negative Bewertungen gelöscht werden. Ich achte bei Google Maps immer auf die Gesamtzahl der Bewertungen. Und ja: eine Durchschnittsbewertung von 3,5 Sternen wirkt ziemlich schlecht.

Bewertungen zu löschen – ist das ein Thema in der Marketing-Community?

Nicht auf den Konferenzen, die ich besuche. Bei Treffen der Gastronomie mag das ganz anders sein.

Viele in der Google-Maps-Community ist wegen gelöschter Bewertungen derzeit aufgebracht. Wie viel davon kommt bei Ihnen an?

In meiner beruflichen Rolle tatsächlich gar nichts. Von den unzufriedenen Community-Mitgliedern habe ich natürlich gelesen. Von meinen eigenen Bewertungen wurde noch keine gelöscht. Ich bewerte aber auch nur, wenn ich etwas wirklich gut fand.

Und wenn einer Ihrer Kunden beim Rezensionen-Löschen erwischt wird – was würden Sie ihm raten?

Kommt drauf an, was man löschen lässt. Wenn man dafür gute Gründe hat, sollte man es entsprechend vertreten. Wenn einer einfach alle Bewertungen mit einem Stern bei Google meldet … dann ist es ein bisschen Charaktersache, ob er darüber spricht.

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Erstellt:
23. Oktober 2025, 06:12 Uhr

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