Wer auf eigene Faust drauflos saniert, zahlt den Handwerker

dpa Karlsruhe. Ein Mann lässt sich neue Fenster einbauen. Später stellt sich heraus: Das hätte die Eigentümergemeinschaft finanzieren müssen. Auf den Kosten bleibt er sitzen. Warum er von dem Urteil trotzdem profitiert.

Der Bundesgerichtshof hat ein grundsätzliches Urteil zur irrtümlichen Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums durch einen Wohnungseigentümer ausgesprochen. Foto: Jens Kalaene

Der Bundesgerichtshof hat ein grundsätzliches Urteil zur irrtümlichen Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums durch einen Wohnungseigentümer ausgesprochen. Foto: Jens Kalaene

Für Wohnungsbesitzer ist es sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht: Wer auf eigene Faust Sanierungen am Gebäude veranlasst, kann dafür nicht mehr nachträglich die Eigentümergemeinschaft zur Kasse bitten.

Das gilt selbst dann, wenn jemand fälschlicherweise angenommen hat, dass er sich um die Arbeiten selbst kümmern muss, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Freitag entschied. Für alle anderen Eigentümer ist das von Vorteil. Sie müssen keine Renovierungen mehr mitbezahlen, die nicht im Voraus gemeinsam beschlossen wurden. (Az. V ZR 254/17)

Das schütze die Gemeinschaft vor unerwarteten Forderungen, sagte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann. Im Gesetz sei klar geregelt, dass die Eigentümer über Instandsetzungen gemeinschaftlich entscheiden. „Dieses Verfahren muss eingehalten werden.“

Mit dem Urteil verschärft der Senat seine eigene Rechtsprechung. Bisher war es in bestimmten Fällen möglich, erst die Handwerker kommen zu lassen und die Kosten dann der Gemeinschaft aufzubürden - nämlich immer dann, „wenn die Maßnahme ohnehin hätte vorgenommen werden müssen“, wie es in einem BGH-Urteil von 2015 heißt.

Das ist für die Richter jetzt kein Kriterium mehr. Auch über Maßnahmen, die zwingend notwendig seien, müsse vorher abgestimmt werden, sagte Stresemann. Denn auch hier gebe es einen Gestaltungsspielraum. Beispielsweise könnten die Eigentümer sich darüber Gedanken machen, ob sie die Sanierung mit anderen Arbeiten verbinden oder welche Handwerker sie beauftragen wollen.

Eine Ausnahme gibt es nur noch bei Maßnahmen, „die zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig sind“. Bei einem Wasserrohrbruch kann also selbstverständlich jeder schnell den Notdienst rufen. Und vor der Reparatur eines Dachflächenfensters, das nicht mehr schließt, muss nicht erst die Eigentümerversammlung einberufen werden.

Der Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, warf noch einmal besondere Fragen auf. Denn hier hatte der Kläger die Eigentümerversammlung nicht absichtlich übergangen. Er konnte gar nicht wissen, dass die Sanierung nicht in seine Zuständigkeit fiel.

Der Mann hatte sich in seiner Hamburger Wohnung 2005 für rund 5500 Euro neue Fenster einsetzen lassen. Damals waren sämtliche Eigentümer der Überzeugung, dass das seine Richtigkeit hat - alle anderen hielten es genauso. Erst Jahre später stellte sich durch ein BGH-Urteil in einem anderen Fall heraus, dass die Grundregeln der Gemeinschaft falsch interpretiert wurden. Tatsächlich wäre der Austausch der Fenster seit jeher Sache der Gemeinschaft gewesen.

Trotzdem bleibt der Mann nun auf den Kosten sitzen. Alles andere „liefe den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer zuwider“, begründete der BGH seine Entscheidung. „Sie müssen ihre private Finanzplanung (...) nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten, herangezogen werden.“

Die Vorsitzende Richterin Stresemann wies darauf hin, dass in der Hamburger Eigentümergemeinschaft mit mehr als 200 Wohnungen der Austausch der Fenster über viele Jahre hinweg falsch gehandhabt worden sei. Bekäme der Kläger Recht, würden bestimmt noch etliche andere Eigentümer Geld zurückhaben wollen. Deren Forderungen müsste wiederum der Kläger mitfinanzieren - ein kompliziertes Hin und Her. „Da scheint es uns besser zu sagen: Schnitt - die neue Regelung gilt.“

Der Eigentümerverband Haus & Grund begrüßte die Entscheidung. „In dem Einzelfall ist das nicht gerecht“, räumte Rechtsreferentin Julia Wagner ein. Unterm Strich mache es das Urteil aber einfacher und verständlicher und kürze Streitigkeiten ab. Künftig könne sich jeder darauf verlassen, dass er keine Sanierung mitfinanzieren muss, über die nicht abgestimmt wurde. „Davon profitiert auch der Einzelne.“

Gleichzeitig stehe der einzelne Eigentümer mehr in der Verantwortung, sagte Wagner. Sie empfiehlt deshalb, sich gründlich schlau zu machen und genau abzusichern, bevor man eine Arbeit in Angriff nimmt.

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Erstellt:
14. Juni 2019, 13:35 Uhr

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