Wer Reisebus fährt, hat viel zu erzählen

Jochen Schmid sitzt seit fast 40 Jahren hinterm Steuer seiner Reisebusse. Meist sind die traditionellen Reiseländer das Ziel des 60-Jährigen. Mit Senioren ist der gebürtige Backnanger ebenso gerne unterwegs wie mit pubertierenden Jugendlichen oder feiernden Fußballfans.

„Busfahren tue ich immer noch unheimlich gern, am liebsten in warme, südliche Länder“, sagt Jochen Schmid. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

„Busfahren tue ich immer noch unheimlich gern, am liebsten in warme, südliche Länder“, sagt Jochen Schmid. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Nichts scheint ihn aus der Ruhe bringen zu können. Diesen Eindruck macht Jochen Schmid, wenn man mit dem agilen Unternehmer unterwegs ist. Mit Leuten kann er gut. Mit seiner entgegenkommenden und sympathischen Art kommt der Backnanger mit jedermann rasch ins Gespräch. Auch wenn er bereits seit fast vier Jahrzehnten Reisebusse steuert, fährt er „noch immer unheimlich gern“, am liebsten in südliche Länder. Sommerliche Hitze verträgt er gut. „Ich habs lieber, wenns fünf Grad mehr hat, als ein Grad zu wenig“, sagt der 60-Jährige lachend. „Als Busfahrer sitzt man immer vorne dran in der vollen Sonne und wenn man da zu empfindlich wäre, dann ist das der falsche Beruf.“

Passionierter Skifahrer und Motorradsportler

Jochen Schmid chauffiert die unterschiedlichsten Reisegäste zu den verschiedensten Zielen. Das hängt auch davon ab, ob er für eine Halbtags- oder Tagesfahrt am Steuer sitzt oder aber sozusagen als Mietwagen unterwegs ist. „Das ist, wenn jetzt von außen eine Gruppe zu uns kommt und sagt: Wir wollen von euch einen Bus mit einem Fahrer für beispielsweise einen Tag oder eine Woche. Die machen dann ihr Programm selbst oder wir übernehmen das“, erklärt er. Und dann gibt es noch den Reisebereich. „Die Königsdisziplin“, wie der Geschäftsmann sagt. Da ist dann alles organisiert. Wenn er am Steuer sitzt, ist immer seine Frau auch mit dabei, „als zusätzliche Betreuung für unsere Gäste“.

Als der passionierte Skifahrer und erfolgreiche Motorradsportler mit 21 Jahren – damals mit Sondergenehmigung – den Busführerschein gemacht hat, machte das Reisen per Bus noch Spaß. „Damals bist du auf fast leeren Autobahnen gefahren, egal in welche Himmelsrichtung“, erinnert sich der gelernte Kfz-Mechaniker.

Und heute? „Bis vor Corona war auf den Autobahnen die Hölle los, um nicht zu sagen der Overkill war erreicht“, meint der Unternehmer. Vor etlichen Jahren habe man nur lange Staus bei Ferienbeginn oder -ende zu befürchten gehabt. „Jetzt sind überall Baustellen und fast jedes Wochenende ists voll. Lenkzeiten kann man gar nicht mehr richtig planen.“ Aber die Busfahrer aus Backnang müssen trotzdem pünktlich am Ziel ankommen, etwa wenn es zu Sportveranstaltungen geht. „Wir fahren beispielsweise zu den ganzen Auswärtsspielen der TSG Backnang Fußball und vom HCOB Handball.“ Jochen Schmids Motto lautet dann immer: „Lieber eine Stunde zu früh als eine Viertelstunde zu spät.“ Bei solchen Fahrten ist meistens Stimmung im Bus. „Bei einem Sieg gehts richtig ab. Wenn allerdings eine Niederlage war, dann ist Totenstille.“ Jochen Schmid muss lachen und fügt an: „Dann denkst du, du hast nur Taubstumme an Bord.“

Früher war mehr Remmidemmi

Manchmal sei es eben etwas lauter im Bus, wenn beispielsweise die Musik aufgedreht wird, vielleicht auch noch Gesangseinlagen gegeben werden und dazu geklatscht wird. „Wenn du neu bist und das noch nie gehabt hast, dann denkst du: Um Gottes willen, da kannst du doch gar nicht fahren.“ Das sei aber Gewohnheitssache. „Ganz früher, so vor 20 Jahren, da war noch viel mehr Remmidemmi. Heute sind die jüngeren Männer schon gesitteter“, weiß der 60-Jährige aus Erfahrung.

Wenn Jochen Schmid indes mit Senioren auf Tour geht, ist es meist ganz still. „Die wollen ihre Ruhe, die wollen die Landschaft genießen, wollen sich vielleicht mit dem Nebensitzer unterhalten.“ Bei Schulklassen gibt es auch Unterschiede. Kleinere Schüler seien in der Regel folgsam, „sitzen oft da wie Lämmle“, wie der Mann am Steuer sagt. „Jugendliche im pubertären Alter aber, die kannst du schier nicht zügeln.“ Man müsse dann einfach bestimmt und mit einer gewissen Autorität auftreten, ohne unverschämt zu sein, denen erklären, warum, und dann würden die meisten Jugendlichen das dann auch verstehen.

Die unterschiedlichsten Gäste an Bord zu haben, das sei das Schöne an seinem Beruf, so Schmid. „Es ist sehr abwechslungsreich.“ Mit Gruppen zu reisen, das sei aber mehr und mehr ein heikles Thema. Warum? „Jeder will immer noch unflexibler und individueller unterwegs sein“, meint der Reiseveranstalter. Das würde er zunehmend auch von seinen Vereinskundschaften hören, weil die selbst intern entsprechende Probleme hätten.

Coronapandemie ändert das Reiseverhalten

„Früher war das so: ein Mann, ein Wort. Wenn da der Vereinsvorstand gesagt hat, an dem Termin machen wir unseren Jahresausflug, dann waren alle dabei. Ob das in 14 Tagen war oder in einem Dreivierteljahr“, sagt Jochen Schmid. Heute würden die Leute noch einen Tag vor der Abfahrt abspringen oder spontan doch noch aufspringen wollen. Und das womöglich noch wetterbedingt. „So kannst Du natürlich keine Fahrt organisieren.“ Der Unternehmer erklärt, dass er bei seinen Reisen mindestens ein Jahr vorher die Leistungen buchen muss, angefangen bei den Hotels. Ein verändertes Reiseverhalten bei seinen Kundinnen und Kunden hat der 60-Jährige auch während und nach der Coronapandemie beobachtet. Die Reiseziele konzentrieren sich jetzt auf die alten, traditionellen Reiseländer. Die exotischen Fernflüge seien zuerst einmal komplett zurückgegangen. „Die Leute wollen aber trotzdem in den Urlaub und jetzt fahren halt viele wieder nach Österreich und Italien oder in die Schweiz“, so die Erfahrungen des Busfahrers. „Deswegen sind diese Länder sehr gut besucht, um nicht zu sagen überlaufen, und das merkt man auch in der Preiskalkulation.“

Wegen der Motorradrennen war nie Zeit für die eigene Hochzeit

Manchmal lernen sich auf den Busreisen auch Paare kennen und schließen Freundschaften oder sogar Ehen. „Es fahren ja bei uns auch viele Singles mit. Und bei denen, die öfters mitfahren, fällt meiner Frau dann manchmal auf, dass der- und diejenige, die früher immer Einzelzimmer gebucht haben, plötzlich ein gemeinsames Doppelzimmer buchen“, sagt Jochen Schmid. Geheiratet hat er selbst relativ spät, „mit 37 erst“, sagt er, um gleich eine Begründung nachzuliefern: „Ich bin ja ziemlich lange Motorradrennen gefahren und dadurch haben wir da eigentlich nie Zeit gehabt für eine Hochzeit.“ Der 60-Jährige muss schmunzeln und meint: „Aber irgendwann musste es dann doch sein.“

Jetzt kann er sogar auf seinen eigenen Reisen manchmal ein paar freie Stunden zusammen mit seiner Frau genießen, die als Betreuerin der Gäste mitfährt. „Für uns ist unsere Arbeit bei solchen Reisen ja schon ein bisschen wie Urlaub. Wer hat schon das Privileg, im Beruf an den Gardasee zu fahren oder in die Berge.“ Wer als Busfahrer die Wartezeiten nicht sinnvoll nutzen könne, sondern nur auf seinem Fahrersitz hocken bleibe, sei selbst schuld.

Daten und Fakten zum Unternehmen Schmid Reisen

Gründung Robert Schmid, der Großvater von Jochen Schmid, hat das Familienunternehmen am 1. April 1930 in Backnang gegründet.

Familienunternehmen Jochen Schmid (60) ist Busfahrer und kümmert sich als Kfz-Mechaniker um alle technischen Belange. Seine Frau Dagmar (59) und seine Schwester Carmen Czornicek (63) betreiben das Reisebüro. Sein Bruder Alexander Schmid (52) ist ebenfalls Busfahrer und kümmert sich als Bankkaufmann um die Finanzierungs- und Steuerangelegenheiten. Zudem gibt es sechs befreundete Busfahrer, die sich auf Abruf gern hinters Steuer setzen.

Fuhrpark Schmid Reisen hat drei 4-Sterne-Evo-Busse mit 33, 47 und 51 Sitzplätzen (als eine Marke der Daimler Truck AG gehört Setra seit 1995 zur EvoBus GmbH). Im Alter von acht bis zwölf Jahren und mit einer Laufleistung von dann 500000 bis 700000 Kilometern wird ein Bus an einen anderen Busunternehmer verkauft.

Sicherheit Jeder Bus muss jährlich zur Hauptuntersuchung. Zudem steht vierteljährlich eine Sicherheitsprüfung an. Da die Fahrerlaubnis für Lkw und Busse auf fünf Jahre begrenzt ist und dann verlängert werden muss, müssen sich Busfahrer regelmäßig einer Fahrtauglichkeitsuntersuchung unterziehen. Zusätzlich zur ärztlichen Untersuchung und zur Untersuchung des Sehvermögens muss ab dem 60. Lebensjahr die Leistungsfähigkeit untersucht und nachgewiesen werden.

Zum Artikel

Erstellt:
12. September 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Holz: eine unbequeme Art des Heizens

Energiewende vor der Haustür (9) Jörg Bayer befüllt seine moderne Stückholzheizung im Winter täglich mit selbst gesägten und gespaltenen Scheiten. Bei Familie Kugler dagegen wandert Holz aus dem eigenen Wald in die Hackschnitzelanlage und sorgt für Wärme in vier Gebäuden.

Stadt & Kreis

Drei neue Projekte beim Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald

Beim Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald sind drei vom Land geförderte Projekte angelaufen: der Aufbau von Trekkingcamps, die Etablierung von Partnerschaften mit Betrieben und die Kräftigung von Böden durch Erhöhung des Humusgehalts. Das Team berichtet über Pläne und Hintergründe.

Stadt & Kreis

Anschlagsvorhaben aufs Fellbacher Rathaus: Angeklagte nennt Amokpläne reine Fantasie

Die 25-Jährige hatte vor einigen Jahren ein Attentat auf ihre alte Schule angekündigt, aber „nicht umgesetzt“. Ihre Schuldfähigkeit wird geprüft.