Rentenstreit
Wer sind die „Rentenrebellen“ der Union?
Die Unions-Jugend hat im Bundestag 18 Stimmen. Klingt nach sehr viel Macht. Aber es geht dem Parteinachwuchs nicht um einen Aufstand.
© Philipp von Ditfurth/dpa
Johannes Winkel (l.) und Kanzler Friedrich März, beide CDU, beim Deutschlandtag in Rust
Von Ellen Hasenkamp
Nach der Eskalation am Wochenende im Rentenstreit haben sich beide Seiten offenbar eines vorgenommen: erst mal wieder ein bisschen runterkommen. Bemüht um einen konzilianteren Ton teilte Kanzler Friedrich Merz (CDU) zuletzt ausdrücklich die Forderung der Jungen Union (JU) nach „wirklich durchgehenden Reformen“ der Sozialsysteme und verwies am Dienstag auf laufende „Gespräche in der Koalition“. JU-Chef Johannes Winkel wiederum betonte: „Das ist keine Krise“ und sprach von einem „ganz normalen parlamentarischen Verfahren“ für das Rentenpaket.
Nur: Eine konkrete Lösung ist damit bislang nicht erkennbar. Der Druck ist also nicht kleiner geworden. Wer sind diese jungen Abgeordneten, die mit ihrem Widerstand gegen den Gesetzentwurf Merz nach gerade mal einem halben Jahr im Kanzleramt derart in Bedrängnis gebracht haben?
Zur sogenannten Jungen Gruppe der Unionsfraktion gehören 15 Männer und 3 Frauen, die beim Einzug in den Bundestag jünger als 35 Jahre waren. Ihr gewählter Vorsitzender ist der 30 Jahre alte Pascal Reddig aus Hessen, der zwar erst seit Februar im Bundestag sitzt, sich aber schon seit Jahren mit dem Thema Rente beschäftigt. Reddig hat das entsprechende Kapitel im CDU-Grundsatzprogramm mitverhandelt und ist Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. „Der Pascal weiß wirklich, wovon er redet“, heißt es über ihn.
Schattenhaushalt befürchtet
Reddig gehörte von Anfang an zu jenen, denen der überraschende Schuldenschwenk von Merz nicht gepasst hat – und das machte er auch öffentlich. Schon wenige Wochen nach Regierungsbeginn mahnte er in dieser Zeitung, das 500-Milliarden-Sondervermögen auch wirklich nur für neue Infrastruktur auszugeben und „keinen zweiten Schattenhaushalt aufzubauen“. Dass das nicht ganz erfüllt wurde, dürfte sein Vertrauen in Merz’ Zusagen nicht gestärkt haben.
Reddig spielte sich damals wie jetzt den Ball mit seinem Kollegen Johannes Winkel zu, der zusammen mit ihm bei der letzten Wahl in den Bundestag eingezogen war. Winkel ist seit drei Jahren Chef der etwa 90 000 Mitglieder starken JU und damit eines der bekanntesten Gesichter des Parteinachwuchses. Der 34-Jährige stammt wie Merz aus Nordrhein-Westfalen. Sie kennen sich gut, konfliktfrei ist ihr Verhältnis allerdings nicht, obwohl oder gerade weil die JU zu den Merz-Fans der ersten Stunde gehörte. „Friedrich Merz konnte sich immer auf die Junge Union verlassen“, erinnerte Winkel beim JU-Treffen am Wochenende. „Und jetzt, in dieser Frage, verlässt sich die Junge Union Deutschlands auf Friedrich Merz.“
Das war eine Aufforderung typisch für Winkel: deutlich in der Ansage, freundlich im Ton. Er tritt nicht so rumpelig auf wie sein JU-Vorgänger Tilman Kuban, platziert seine Erwartungen aber präzise. In der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen kritisierte er beispielsweise zu viele Zugeständnisse an die SPD, auch, weil er Merz’ Position damit eigentlich stärken wollte. Bereits damals das Hauptthema: eine umfassende Sozialstaatsreform.
Persönliche Zwickmühlen
Als Anführer eines Aufstands sieht sich Winkel nicht, eher als Anwalt von Interessen, was seiner juristischen Ausbildung entspricht. Auf einen „vernünftigen und sachlichen Weg“ zur Lösungssuche pochte er am Montagabend in den „Tagesthemen“, aber auch darauf, dass die geplante Renten-Kommission auch wirklich freie Reformbahn bekommt. „Es geht schlicht und ergreifend um die Reformwilligkeit und Reformfähigkeit dieses Staates“, fügte er hinzu, womit die Latte gleich wieder ein Stück höher liegt.
Bei nur zwölf Stimmen Mehrheit der Koalition haben die 18 Mitglieder der Unions-Jugend ziemlich viel Macht. Zoomt man rein in die Gruppe, gibt es aber womöglich Abgeordnete, die in Loyalitätskonflikte geraten könnten. Philipp Amthor zum Beispiel, der als Parlamentarischer Staatssekretär Teil der Regierung ist. Oder Catarina dos Santos-Wintz, die als Parlamentarische Geschäftsführerin Teil des Führungsteams von Fraktionschef Jens Spahn (CDU) und als solche für Konfliktlösung zuständig ist. Bekannt ist außerdem Johannes Volkmann, Enkel von Ex-Kanzler Helmut Kohl, der wiederum 1992 selbst eine Rentenreform durchsetzte.
Im Gegensatz zur SPD-Fraktion, die von eher ideologisch ausgerichteten Flügeln geprägt wird, gibt es in der Unionsfraktion die „soziologischen Gruppen“. Die Abgeordneten sortieren sich dabei nach „gesellschaftlichen Interessen oder persönlichen Merkmalen“, wie die Fraktion erläutert. Sie spricht von „Interessenvereinigungen innerhalb der Fraktion“. Neben der Jungen Gruppe gibt es beispielsweise auch die Gruppe der Frauen oder der Vertriebenen, die der Arbeitnehmer oder den mächtigen Parlamentskreis Mittelstand.
