True Crime auf Netflix

Wer war „Das Monster von Florenz“?

Der Netflix-Hit „Das Monster von Florenz“ rollt einen der rätselhaftesten Kriminalfälle Italiens neu auf. Doch war der verurteilte Landarbeiter Pietro Pacciani wirklich der Täter – oder nur ein Bauernopfer der Justiz?

Die neue Netflix-Serie beschäftigt sich mit dem "Monster von Florenz".

© 2024 Netflix

Die neue Netflix-Serie beschäftigt sich mit dem "Monster von Florenz".

Von Katrin Jokic

Die neue Netflix-Serie „Das Monster von Florenz“ fesselt derzeit Millionen Zuschauer. Seit dem Start am 22. Oktober 2025 steht sie auf Platz 1 der Netflix-Charts in Deutschland – und auch weltweit: Mit 9,6 Millionen Views in der ersten Woche führt sie die globalen Rankings der Non-English Shows an.

Die Serie basiert auf einem der bekanntesten ungelösten Kriminalfälle Italiens: den brutalen Doppelmorden, die zwischen 1968 und 1985 rund um Florenz verübt wurden.

Wer war das Monster von Florenz?

Der Begriff „Il Mostro di Firenze“ – das Monster von Florenz – bezeichnet einen bis heute nicht eindeutig identifizierten Serienmörder, der mindestens acht Paare tötete. Die Opfer wurden nachts in geparkten Autos überrascht, mit einer Pistole des Kalibers .22 erschossen und teilweise verstümmelt.

Die Taten folgten einem klaren Muster und schockierten das ganze Land. Die Ermittler gingen davon aus, dass der Täter entweder ein Einzeltäter mit sexuellen Motiven war – oder Teil eines größeren, organisierten Zirkels.

Wer war Pietro Pacciani – und war er wirklich das Monster von Florenz?

Der Landarbeiter Pietro Pacciani wurde 1993 festgenommen, nachdem ihn Ermittler mit den acht Doppelmorden in Verbindung gebracht hatten. 1994 verurteilte ihn ein Gericht zu lebenslanger Haft – doch die Beweislage war schwach. Gefundene Patronen, Zeugenaussagen und angebliche Opfergegenstände erwiesen sich später als nicht eindeutig.

Bereits 1996 wurde Pacciani im Berufungsverfahren freigesprochen, selbst der Staatsanwalt plädierte auf Freispruch. Der vorsitzende Richter sprach von Fehlern und Widersprüchen in der Anklage. Das Kassationsgericht ordnete zwar ein neues Verfahren an, doch Pacciani starb 1998, bevor es dazu kam.

Später rückten seine Bekannten Mario Vanni und Giancarlo Lotti in den Fokus. Beide gaben teilweise Geständnisse ab und wurden 2000 verurteilt. Ihre Aussagen deuteten darauf hin, dass Pacciani Teil einer Gruppe gewesen sein könnte, die im Auftrag anderer gehandelt habe – eine Theorie, die bis heute nicht belegt ist.

Pacciani selbst blieb bis zu seinem Tod umstritten: Für die einen war er ein gewalttätiger, unberechenbarer Mann, für andere ein Sündenbock eines überforderten Justizsystems. Die Wahrheit, ob er wirklich das „Monster von Florenz“ war, bleibt ungeklärt.

In den Jahren nach seinem Tod wurden Paccianis sterblichen Überreste 2013 in eine anonyme Sammelgrabstätte verlegt, um Grabschändungen zu verhindern.

Die „Compagni di merende“ – die Männer, die nach Pacciani verurteilt wurden

Nach dem Tod von Pietro Pacciani rückten seine Bekannten Giancarlo Lotti, Mario Vanni und Fernando Pucci in den Mittelpunkt der Ermittlungen – einfache Landarbeiter, die sich regelmäßig trafen und im Volksmund bald als „compagni di merende“ („Brotzeitkumpane“) bekannt wurden.

Mario Vanni, ein pensionierter Postbote, wurde als unbeholfener und einfältiger Mann beschrieben. Berühmt wurde er unfreiwillig durch den Ausdruck „compagni di merende“, der auf seine Aussage im Prozess gegen Pacciani zurückgeht. Die Medien machten daraus einen geflügelten Begriff.

Vanni wurde nach Paccianis Freispruch verhaftet und wegen vier Doppelmorden sowie Leichenschändung angeklagt. Im Prozess fiel er durch wirres, teils aggressives Verhalten auf – er beschimpfte den Staatsanwalt und rief faschistische Parolen im Gerichtssaal.

Im Jahr 2000 bestätigte das Gericht seine lebenslange Haftstrafe. Er starb 2009 im Alter von 81 Jahren.

Giancarlo Lotti, geistig eingeschränkt und alkoholabhängig, gestand, bei mehreren der Morde dabei gewesen zu sein, und belastete Pacciani und Vanni schwer. Seine Aussagen, gestützt durch den Zeugen Pucci, führten 2000 zu den Urteilen gegen Lotti und Vanni, obwohl beide Geständnisse widersprüchlich und die Beweislage dünn blieben. Auch Pucci galt als geistig beeinträchtigt.

Bis heute gilt die Beteiligung dieser Männer als hoch umstritten – viele sehen darin den Versuch, nach Paccianis Tod einen Abschluss zu erzwingen, wo die Wahrheit weiter im Dunkeln lag.

„Das Monster von Florenz“: Welche Theorien gibt es noch zum Täter?

Bis heute ranken sich zahlreiche Theorien um den „Mostro di Firenze“. Während die Justiz die Morde ab 1982 mit den Verurteilungen von Giancarlo Lotti und Mario Vanni abschloss, bleiben frühere Taten ungeklärt – und damit Raum für Spekulationen.

Zu den bekanntesten Hypothesen zählen:

  • Die okkulte Spur („pista esoterica“): Eine angeblich satanistische Mordserie, die später als unbegründet verworfen wurde.
  • Die Narducci-Verschwörung: Der Tod des Arztes Francesco Narducci 1985 gilt offiziell als Selbstmord, doch bis heute kursiert die Theorie, er habe einer geheimen Sekte angehört.
  • Politische und persönliche Spuren: Ex-Fremdenlegionär Giampiero Vigilanti geriet wegen rechtsextremer Kontakte ins Visier, ebenso wie der Apotheker Francesco Calamandrei – beide wurden nie verurteilt.
  • Einzeltäter-Theorien: Journalist Mario Spezi und Anwalt Nino Filastò glaubten an einen einzelnen, intelligenten Täter mit Behördennähe; Pacciani und seine Bekannten seien ihrer Ansicht nach Bauernopfer.
  • Der „Rosso del Mugello“: Ein bis heute unbekannter Mann mit rötlich-blonden Haaren, der in den 1960er-Jahren eine .22-Beretta gestohlen haben soll – eine Hypothese, die derzeit in Italien wieder diskutiert wird.
  • Giancarlo Lotti als Täter: Einige Forscher halten ihn selbst für den wahren Mörder. Seine manipulative Art und seine Beidhändigkeit könnten mehrere bisher ungeklärte Details erklären.

Einige Experten gehen weiterhin von einem Einzeltäter mit religiösem oder sexuellen Wahn aus; andere sehen einen Clan mit sardinischen Wurzeln hinter den Morden. Zwischen den sogenannten Colpevolisti (die an Paccianis Schuld glauben) und den Innocentisti (die meinen, der wahre Täter sei nie gefasst worden) wird der Fall bis heute kontrovers diskutiert – und bleibt damit Stoff für neue Theorien und Mythen.

Was die Netflix-Serie zeigt

Die Miniserie „Das Monster von Florenz“ beleuchtet die wahren Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven: Ermittler, Journalisten und Verdächtige. Sie zeigt, wie sich Angst, Medienhysterie und politische Interessen gegenseitig aufschaukelten – und wie aus einem Kriminalfall ein nationales Trauma wurde.

Die Serie hält sich weitgehend an die historischen Fakten, verbindet sie aber mit fiktionalen Elementen, um die emotionale Dimension der Ermittlungen herauszuarbeiten. Besonders im Fokus: die Frage, ob Pacciani tatsächlich der Täter war – oder ein Bauernopfer eines überforderten Systems.

Hier geht es direkt zur Serie:

 

 

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Warum der Fall bis heute fasziniert

Fast vierzig Jahre nach dem letzten Mord ist der Fall offiziell ungelöst. Weder DNA-Spuren noch neue Ermittlungen konnten den Täter eindeutig identifizieren.

Das „Monster von Florenz“ gilt heute als einer der berüchtigtsten Serienmörderfälle Europas – ein Symbol für Angst, mediale Besessenheit und die Grenzen staatlicher Ermittlungsarbeit.

Mit der Netflix-Serie erlebt die Geschichte nun ein weltweites Publikum. Sie erinnert daran, dass die Wahrheit hinter diesen Morden womöglich nie ganz ans Licht kommen wird – und genau das macht ihre Faszination aus.

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Erstellt:
29. Oktober 2025, 13:34 Uhr

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