Wer wird Chef im einstigen Königshaus?

Die Familie Württemberg sucht ein neues Oberhaupt – Es geht auch um politische Verknüpfungen

Friedrich von Württemberg ist bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt. Das Trauerjahr ist nun bald zu Ende – weshalb die adelige Familie um die Nachfolge ringt.

Altshausen Das Unglück zerriss die Idylle an einem Mittwochnachmittag im Mai 2018. Auf der Kreisstraße zwischen Ebenweiler und Fronhofen kamFriedrich von Württemberg ums Leben, Sohn eines der reichsten Adelshäuser in der Republik­, Vater dreier Kinder und als Leiter der Hofkammer der Vorgesetzte von rund hundert Mitarbeitern. Beim Überholen eines Traktors war der 56-Jährige mit seinem Oldtimer-Porsche gegen ein entgegenkommendes Auto gefahren.

Es dauerte nicht lange, bis Fragen aufkamen, wer Friedrichs Nachfolger werden sollte. Er lebte mit seiner Familie im Schloss Friedrichshafen, das Sitz der Firmenholding ist, die sich Hofkammer nennt. In der Hofkammer werden die privaten Besitzungen des Hauses verwaltet, die der Familie geblieben sind, nachdem König Wilhelm II., der letzte König Württembergs, im Jahr 1918 hatte abdanken müssen und Privatmann geworden war. Unter anderem verdienen die Württemberger ihr Geld mit Forstwirtschaft, Weinbau und Immobilien. Sie halten zudem Industriebeteiligungen wie am Heidenheimer Medizinproduktehersteller Hartmann und am Stuttgarter Bauunternehmen Baresel. Investiert wurde in den vergangenen Jahrzehnten auch in Wälder und Immobilien in Kanada und Österreich.

Oberhaupt der Familie ist der inzwischen 82 Jahre alte Carl Herzog von Württemberg. Nach den Hausstatuten, von denen, wenn überhaupt, nur Bruchstücke an die Öffentlichkeit kommen, muss ein männliches Familienmitglied die Geschäfte führen. „Ja, es gibt ein Hausgesetz, eine Art Familienverfassung“, bestätigt zwar der Hofkammerdirektor Henrik Lingen­hölin. Zur möglichen Nachfolge gibt es aber keine Stellungnahme des Hauses. „Wir haben mit Carl Herzog von Württemberg einen Chef. Somit sind alle voll handlungsfähig, auch die Hofkammer“, sagt Lingenhölin. Zu gegebener Zeit werde man an die Öffentlichkeit­ gehen.

„Der Todesfall hat die Familie hart getroffen. Sie ist in der Orientierungsphase“, sagt auch Eberhard Fritz, Historiker und Archivar in Diensten des Adelshauses am Stammsitz im Schloss Altshausen (Kreis Ravensburg). Mehr will er sich zu dem Thema nicht entlocken lassen. Doch wer könnte in die Fußstapfen Friedrichs treten?

„Nach meiner Einschätzung ist die Sache klar“, meint Gerhard Raff, Landeshistoriker und Kenner des Hauses Württemberg. „Ich gehe davon aus, dass laut Hausgesetz das Senioratsprinzip in der Erbfolge gilt.“ Das heißt, dass nun Wilhelm, Friedrichs Sohn, an der Reihe wäre, sich an die Spitze der Familiengeschäfte zu setzen. Ob der 24-Jährige, der Forst- und Landwirtschaft studiert, überhaupt Unternehmenschef werden will, ist nicht bekannt. Klar ist: Seit dem Tod seines Sohns führt Herzog Carl mit dem Hofkammerdirektor Lingenhölin die Geschäfte. Carl und seine Ehefrau Diane Herzogin von Württemberg (78) haben sechs Kinder. Der zweit­älteste Sohn ist der 55-jährige Eberhard von Württemberg. Dazu kommen die Brüder Philipp (54) und Michael (53) sowie die Schwestern Mathilde (56) und Eleonore Fleur (41). Die weiten Verzweigungen der Familie dürften – neben dem Trauerjahr – ein Grund dafür sein, weshalb sich die Bestimmung eines Nachfolgers hinzieht. Es gibt offenbar auch „rechtliche Fragestellungen“, ist hinter den Kulissen zu hören – und damit eine mögliche Erbdiskussion innerhalb der Familie. Offenbar soll eine Aufteilung der Vermögensteile vermieden werden, die Firmenverkäufe nach sich ziehen würde.

Zumindest der Verkauf der Hofkammer an einen Investor steht wohl nicht zur Debatte, meinen Kenner. Gefährlich könnte es werden, wenn sich Stimmen durchsetzen, die einen Umbau der Holding mit dem Ziel einer Renditesteigerung forderten. Bisher ließ das Haus einen gravierenden Einfluss externer Wirtschaftsberater nicht zu. Es geht auch um politische Verknüpfungen. Carl ist, ebenso wie sein Sohn Friedrich es war, in vielfacher Weise mit Organen und Institutionen innerhalb Baden-Württembergs verbunden. Die Posten reichen vom Ehrensenator der Universität Tübingen über die Vorstandstätigkeit bei der Denkmalstiftung Baden-Württemberg oder der Kunststiftung Baden-Württemberg bis zum Aufsichtsratsmandat bei der Stiftung Liebenau. Das Haus Württemberg ist schon um der Erhaltung von 70 Kulturdenkmalen willen auf die Gunst der Landespolitik angewiesen. Neben den Schlössern Altshausen und Friedrichshafen befindet sich auch Monrepos in Ludwigsburg in Familienhand.

Die Familie strebt zurück in die Normalität. In naher Zukunft solle das neue Familienoberhaupt präsentiert werden: „Ich rechne noch im Lauf des Frühjahrs mit einer Entscheidung“, sagt der Archivar Fritz.

Zum Artikel

Erstellt:
9. März 2019, 03:04 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen