Streit um Koalitionsvertrag

Wer zahlt den Schwangerschaftsabbruch?

Wann sollen Krankenkassen die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch übernehmen? Über diese Frage gibt es neuen Streit in der Koalition – und innerhalb der Union.

Schwangerschaftsabbrüche sind unter bestimmten Bedingungen zwar straffrei, aber trotzdem rechtswidrig.

© Bernd Weißbrod/dpa

Schwangerschaftsabbrüche sind unter bestimmten Bedingungen zwar straffrei, aber trotzdem rechtswidrig.

Von Norbert Wallet und Rebekka Wiese

Es war der große Eklat vor der Sommerpause. Am letzten Sitzungstag hatte der Bundestag eigentlich drei neue Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht wählen wollen. Doch weil die Stimmen der Unionsfraktion für die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf wankten, musste die Wahl kurzfristig abgesetzt werden.

Nun gibt es einen weiteren Streit, der ebenfalls mit Brosius-Gersdorf zusammenhängt. Es geht um die Frage, in welchen Fällen Krankenkassen die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche übernehmen können. Brosius-Gersdorf hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag unter anderem versprechen, die Kostenübernahme bei Schwangerschaftsabbrüchen durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus zu erweitern.

Umstrittene Formulierung

Damit hat die Juristin eine neue Debatte ausgelöst – nicht nur zwischen den Koalitionsparteien, sondern auch innerhalb der Union. Denn dort scheint man überrascht zu sein, dass es die Formulierung so überhaupt in den Koalitionsvertrag geschafft hat.

Aktuell dürfen Krankenkassen nur dann die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch übernehmen, wenn die Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist oder wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung entstanden ist. Ansonsten trägt die Betroffene die Kosten selbst. Bei einem ambulanten Eingriff sind das laut Angaben der Krankenkasse AOK zwischen 350 und 500 Euro. Wer weniger als 1500 Euro netto verdient, kann eine Kostenübernahme beim Bundesland beantragen. Das ist auch deshalb so, weil Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei sind, aber trotzdem offiziell als rechtswidrig gelten. Das regelt Paragraf 218 im Strafgesetzbuch.

„Die Norm des Paragrafen 218 unterhöhlen“

Was bedeutet es dann, diese Regelung „zu erweitern“, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht? Vor allem die CSU scheint weitreichende Konsequenzen zu befürchten. Deren Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger hält es „persönlich für verfassungsrechtlich fragwürdig“, wenn die Kassen eine über die heutige Regelung hinausgehende Kostenübernahme tragen würde, wie er der „Süddeutschen Zeitung“ sagte. Das würde „die Norm des Paragrafen 218 unterhöhlen“, glaubt der CSU-Politiker, der auch stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag ist.

Die CSU war es auch, die ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das nun zum Ergebnis kommt, dass für die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Änderungen bei der Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches nicht geändert werden muss. Das Gutachten stammt aus der Feder des angesehenen Arbeits- und Sozialrechtlers Gregor Thüsing.

SPD zur Legalisierung bereit

Diese Einschätzung scheint die SPD allerdings nicht weiter zu beunruhigen. Die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Carmen Wegge, nannte die Einholung des Gutachtens zwar „legitim“. Da es „im Kern aber um verfassungsrechtliche Fragen“ gehe, messe man dem Gutachten andererseits auch „keine weitere Bedeutung bei“. Die Kostenübernahme des Schwangerschaftsabbruchs durch die Kassen sei im Koalitionsvertrag „fest vereinbart“. Wenn dazu der Abbruch in der Frühphase legalisiert werden müsse, sei die SPD „dazu bereit“. Offenbar hoffen die Sozialdemokraten darauf, dass sich die Debatte über den Sommer abkühlt. Wegge verweist darauf, dass man das ganze Thema „im Herbst“ mit der Union „in Ruhe“ besprechen werde. Wenn nötig, auch unter Hinzuziehung externer Expertise.

Gesundheitsministerin bleibt ruhig

Ziemlich unaufgeregt ist auch der Kurs der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Sie kann sich vorstellen, die Einkommensgrenze bei der Kostenübernahme für einen Abbruch anzuheben. Dafür sei es nicht nötig, den Paragrafen 218 zu ändern. Das allerdings betrifft derzeit nur die Kostenübernahme durch die Länder – nicht durch die Kassen, wie es im Koalitionsvertrag steht.

Und was sagt der Bundeskanzler? Friedrich Merz (CDU) hatte bei seiner Sommerpressekonferenz am vergangenen Freitag die Verabredung im Koalitionsvertrag bestätigt: „Da macht niemand Abstriche.“ Er ließ aber offen, ob das auch eine Änderung des Paragrafen 218 zur Folge haben müsste.

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Erstellt:
28. Juli 2025, 15:34 Uhr

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