Kulturgeschichte eines Parasiten
Wie Bettwanzen menschliche Schlafstätten lieben lernten
Allen Giften zum Trotz hält sich die Bettwanze hartnäckig in menschlichen Behausungen. Der Parasit machte es sich schon in den Betten der ersten Städte gemütlich.

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Bettwanzen sind gesellige Wesen und schätzen seit Jahrtausenden die innige Nähe zum Menschen.
Von Markus Brauer/Annett Stein (dpa)
Sie sind klein, platt und lieben Menschenblut: Bettwanzen sind bereits seit Jahrtausenden ein lästiger Begleiter des Menschen. Eine neue Studie zeigt, wann diese Verbindung ihren Anfang nahm und wie sich die Parasiten vor allem mit der Urbanisierung explosionsartig verbreiteten.
Seit sehr langer Zeit ein treuer Begleiter
Bettwanzen könnten der Studie zufolge die ersten mit dem städtischen Leben verbundenen Begleiter des Menschen gewesen sein. Die Population der Parasiten sei exponentiell gewachsen, als die menschliche Bevölkerung anwuchs und in immer größeren Siedlungen zu leben begann, berichten Forscher im Fachjournal „Biology Letters“. Andere uns eng verbundene Arten wie die Deutsche Schabe und Hausratte seien wahrscheinlich erst deutlich später hinzugekommen.
Die Bettwanze (Cimex lectularius) ist schon seit sehr langer Zeit ein treuer Begleiter. Die ersten bekannten Aufzeichnungen zu Befall stammten aus der Zeit der Pharaonen in Ägypten vor mehr als drei Jahrtausenden, erläutern die Forscher.
Wechsel zum Menschen als Wirt
Ursprünglich waren sie Parasiten bei Fledermäusen. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind die Insekten jedoch schon vor etwa 245.000 Jahren auch auf Hominini übergegangen. Zwei genetisch unterschiedliche Linien seien entstanden: die mit Fledermäusen assoziierte, in Europa und dem Nahen Osten verbreitete sowie die mit dem Menschen verbundene, inzwischen weltweit verbreitete.
Der Wechsel zum Menschen als Wirt entpuppte sich als äußerst kluger Schachzug: Homo sapiens wurde zum Paradies für Parasiten, als er zunehmend sesshaft wurde. Und noch einmal mehr, als sich immer mehr Menschen eng gedrängt in Städten ansiedelten.
Das zeige eine vergleichende Analyse von Genomsequenzen gekoppelt mit demografischen Modellen, schreibt das Team um Lindsay Miles und Warren Booth von der Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg in den USA.
Als Zapfstelle war der Mensch die beste Wahl
Seit Beginn der Zivilisation vor etwa 10.000 Jahren wuchs die menschliche Bevölkerung von etwa fünf Millionen auf inzwischen mehr als acht Milliarden an. Die älteste bekannte Großsiedlung ist Çatalhöyük in der südtürkischen Region Anatolien, die aus der Jungsteinzeit vor etwa 9400 Jahren stammt, wie es in der Studie heißt. Schätzungen zufolge lebten dort zwischen 800 und 8000 Menschen.
Im Zuge der Entstehung von immer mehr großen Siedlungen sei es vor etwa 13.000 Jahren zu einem dramatischen Plus der Zahl menschengebundener Bettwanzen gekommen, berichten die Wissenschaftler.
Bei der mit Fledermäusen assoziierten Linie sei eine solche Entwicklung nicht zu finden. Im Gegenteil: Ihre Populationen schwanden nach der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren immer weiter.
Der zeitliche Verlauf und das Ausmaß der demografischen Muster lieferten überzeugende Hinweise, dass die Geschichte der Bettwanzen eng mit der des modernen Menschen und seiner Ausbreitung in Städten verknüpft ist, resümiert das Team. Bettwanzen könnten die erste echte städtische Parasitenart gewesen sein.
Als der Mensch sich zu wehren begann
Klaglos nahm der Mensch das nicht hin. Mit dem Einsatz des Insektizids DDT schien es im 20. Jahrhundert auch fast gelungen, die an den Menschen gebundene Linie vielerorts auszurotten.
Fast und scheinbar allerdings nur: Innerhalb von fünf Jahren nach der Einführung seien bereits DDT-resistente Populationen nachgewiesen worden. Auch heute noch stellten Bettwanzen ein erhebliches wirtschaftliches und gesundheitliches Problem dar.
In Frankreich war 2023 eine regelrechte Hysterie um Bettwanzen ausgebrochen. Aus Zügen, Kinos und anderen Orten meldeten Menschen verstärkt die Anwesenheit vermeintlicher oder tatsächlicher Bettwanzen, oft begleitet von entsprechenden Fotos.
Zwar hatten sich die Parasiten in dem Land nach Behördenangaben zuletzt tatsächlich weiter verbreitet, an der plötzlichen Hysterie in den sozialen Medien war nach Vorwürfen französischer Politiker aber Russland stark beteiligt.
Ein einziges Weibchen kann für Epidemie sorgen
Bettwanzen piesacken stets Tiere mit einer Schlafstelle, zu der sie immer wieder zurückkehren – einem Nest, einer Höhle oder eben einem Bett. Die Blutsauger werden von Wärme, CO₂ und Körpergeruch angezogen. Krankheiten übertragen sie nicht, aber aufgekratzte Stichstellen können sich entzünden.
Bettwanzen können sich rasend schnell ausbreiten: Ein einziges Weibchen kann Expertenangaben zufolge innerhalb von zehn Wochen für eine wahre Wanzen-Epidemie sorgen. Es legt ein bis zwölf Eier pro Tag, die Population wächst dadurch unter guten Bedingungen exponentiell.
Woran erkennt man, dass Bettwanzen in der Wohnung sind?
Wenn Sie morgens aufwachen und feststellen, dass irgendetwas Sie nachts gebissen hat, könnte es sich um eine Bettwanze handeln. Da Bettwanzen nachtaktive Tiere sind, überraschen sie ihren Wirt am Morgen mit einer ganzen Armada juckender Punkte, die sie in Kniekehlen, Armbeugen, am Bauch und an der Brust hinterlassen haben. Diese reihenartig angeordneten, kleinen Bissstellen deuten auf die Blutsauger hin.
Bettwanzen ernähren sich ausschließlich vom Blut ihrer Opfer. Der Speichel der Tiere enthält blutgerinnungshemmende Substanzen und löst bei empfindlichen Menschen stark juckende Quaddeln aus. Bei Wanzen beißen sich wie bei Flöhen sowohl die weiblichen als auch die männlichen Tiere an ihrem Wirt fest.
Ausgewachsene Schädlinge erkennt man mit dem bloßem Auge. Sie erreichen eine Länge von vier bis neun Millimeter, je nachdem ob sie mit Blut vollgesogen sind oder nicht. Ihre liebsten Behausungen sind Betten und Matratzen. In der Nacht werden sie von Wärme, Geruch und Atem des menschlichen Körpers angelockt.
Sind Bettwanzen gefährlich?
Die Blutsauger sind sehr widerstandsfähig und haben eine Lebenserwartung von sechs Monaten. Sie sind aber für den Menschen, der ihr Hauptwirt ist, nicht gefährlich.
Das Risiko, dass die Insekten Krankheitserreger übertragen, ist äußerst gering. Der Befall hat auch nichts mit mangelnder Hygiene zu tun, wie das Umweltbundesamt betont.
Warum riechen Bettwanzen so übel?
Der penetrante Wanzengeruch stammt aus den Stinkdrüsen am Hinterleib Tiere. Bei Gefahr sondern sie ein übel riechendes und lange anhaftendes Sekret ab. Auch Bettwanzen erkennt man am Geruch.
Wenn es süßlich-modrig im Zimmer riecht, ist das ein Hinweis, dass Bettwanzen ihr „Parfüm“ hinterlassen haben.
Was kann man gegen Bettwanzen tun?
Bettwanzen los zu werden, ist gar nicht so einfach. Da sie weder große Hitze noch Kälte mögen, kann man die befallenen Gegenstände auch für drei Tage bei minus 18 Grad einfrieren oder für eine Stunde bei mindestens 50 Grad etwa in der Sauna erhitzen.
Verwanzte Bettwäsche steckt man einfach bei 60 Grad in die Waschmaschine. Bei Matratzen wird das aber schwierig. Wenn absaugen oder Bettwanzenspray nicht hilft, muss man die Matratze entsorgen.
Nur die Symptome von Bettwanzenbissen lassen sich behandeln. Gegen das Jucken helfen antiallergische Medikamente sehr schnell. Auch Juckreiz- und Schwellungsstillende Salben und Gels kann man verwenden.
Soll man einen Kammerjäger rufen?
Bettwanzen verstecken sich aber hinter Bildern, Tapeten, Fußleisten, Lichtschaltern sowie in Ritzen und Spalten von Möbeln, Steckdosen, Elektrogeräte, Jalousien und Gardinen. Das Umweltbundesamt rät deshalb bei größerem Befall zur Bekämpfung durch Fachleute, wofür man durchaus mehrere Wochen einkalkulieren muss.
Maßnahmen in Eigenregie würden keine vollständige Beseitigung der Schädlinge zur Folge haben. Vielmehr besteht die Gefahr, dass man Insektizide falsch anwendet und somit seine Gesundheit aufs Spiel setzt.
Was kann man vorbeugend gegen Bettwanzen tun?
Schützen vor einem Befall kann man sich nicht. Man kann aber zum Beispiel in einem Hotel vor dem Einzug mit Gepäck das Zimmer genau absuchen und gegebenenfalls auf einen anderen Raum bestehen.
Grundsätzlich bietet es sich an, Gepäckstücke geschlossen zu halten und in größtmöglicher Entfernung zum Bett zu lagern. Auch Waren und Möbel, die Bettwanzen enthalten könnten, sollte man vor dem Kauf auf die Tiere überprüfen.
Info: Steckbrief Bettwanzen
Aussehen
• 5 bis 6 Millimeter groß
• stark abgeplatteter Körper mit sechs Beinen
• flugunfähig
• rot-braune Färbung
• Größe nach dem Blutsaugen: bis 9 Millimeter
•danach rote bis schwarze Farbe
Lebensraum
• bewohnte, geschlossene Räume
• verstecken sie sich vor allem in Betten, hinter Bildern, Tapetenrändern, Scheuerleisten, Lichtschaltern, Möbelfugen, Ritzen und Spalten
• oftmals sind nur einzelne Räume betroffen, so lange sich hier in regelmäßigen Abständen ein potenzieller Wirt aufhält
Verbreitung
• werden passiv durch Gegenstände (Reisegepäck, gebrauchte Möbelstücke, CD-Hüllen usw.) übertragen
•Bettwanzen spielten seit 1945 als Parasiten wegen wirksamer Insektizide keine bedeutende Rolle mehr
• In den vergangenen Jahren ist weltweit eine Zunahme zu verzeichnen, unabhängig von hygienischen und sozialen Bedingungen an den befallenen Standorten.
Verhalten
• nachtaktive blutsaugende Insekten, die am liebsten Menschen befallen
• angelockt von Körperwärme, Kohlendioxid und Körpergeruch
Lebensdauer
•Bettwanzen leben abhängig von Temperatur und Nahrungsangebot 9 bis 18 Monate • Weibchen legen im Laufe ihres Lebens 350 bis 400 Eier ab.
Gesundheitsrisiko
• Die meisten reagieren auf die Stiche mit kleinen blutunterlaufenen Pusteln und Juckreiz
• bei besonders empfindlichen Menschen allergische Reaktionen
• Bettwanzen spielen als Überträger von Krankheitserregern keine Rolle
• Durch Kratzen an Stichstellen kann es zu Sekundärinfektionen kommen.
Vorbeugung
• Koffer sollten auf Reisen nicht in unmittelbarer Nähe des Bettes abgestellt werden
• Betten sollten auf Wanzenspuren (Kotspuren, leere oder noch gefüllte Eier, Häute etc.) hin kontrolliert werden • Wenn an Gegenständen Hinweise auf Wanzenbefall gefunden werden, müssen diese umgehend aus der Wohnung entfernt werden.
Bekämpfung
• Direkt nach einer Behandlung sollte man sich einige Stunden nicht in den Räumen aufhalten.
• Wanzen können auch durch hohe Temperaturen (Aufheizen der befallenen Räume mittels spezieller Öfen auf 50-60 °C) bekämpft werden.
• Kleinere befallene Gegenstände wie Bilderrahmen, Bücher, CDs o. ä. können in Folie verpackt und tiefgefroren werden (drei Tage bei – 18 °C), um die Wanzen und Eier abzutöten.