Wie das Gemüsebeet klimafit wird

Der diesjährige Sommer war heiß und trocken, im vergangenen Jahr fiel der Regen manchmal dagegen fast schon sturzflutartig. Was bedeutet der Klimawandel für den eigenen Gemüsegarten? Welche Gemüsesorten trotzen der Hitze, was sollten Gärtnerinnen und Gärtner beachten?

Obwohl sie kaum gegossen wurden, tragen die Tomatenpflanzen von Michael Peters (links) große Früchte. Landwirt Jürgen Benignus freut sich über alles, was auf den „Äggerle“, die er vermietet, wächst. Fotos: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Obwohl sie kaum gegossen wurden, tragen die Tomatenpflanzen von Michael Peters (links) große Früchte. Landwirt Jürgen Benignus freut sich über alles, was auf den „Äggerle“, die er vermietet, wächst. Fotos: Jörg Fiedler

Von Melanie Maier

Backnang. „Ein bisschen Regen wäre schön“, kommentiert Jürgen Benignus das Wetter in diesem Sommer. „Wenn wir’s uns wünschen könnten, dann würden wir den nehmen.“ Der Regen am vergangenen Samstag, sagt der Landwirt, dessen Felder außerhalb von Backnang liegen, sei nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen: „19 Liter pro Quadratmeter – das löscht gerade mal den Staub. Das Wasser geht uns komplett aus.“ Dennoch gedeiht auf den „Äggerle“, die Benignus parzellenweise an Privatleute vermietet, das Gemüse. Tomaten, Zucchini, Kürbisse, Mangold und Paprika wachsen auch im August noch auf den 29 Flächen. Nur die Erbsen und Bohnen sind teilweise vertrocknet. Und die großen Sonnenblumen, die auf vielen der „Äggerle“ stehen, lassen ihre suppentellergroßen Köpfe hängen. „Normalerweise würden sie erst Mitte, Ende Oktober geerntet werden, wenn man sie verwertet“, sagt Benignus im Schatten einer Sonnenblume, die ihn um einen guten halben Meter überragt. Er führt durch die Parzellen, die durch Blumen und Gräser klima- und insektenfreundlich voneinander abgetrennt sind. Der Feldweg, auf dem er geht, ist hart und trocken. Tiefe Risse haben die hellbraune Erde gespaltet.

An den Enden der Anlage stehen einmal 600 und einmal 1000 Liter Wasser zur Verfügung.

Alle zwei Tage muss Benignus aktuell das Wasser in den Behältern nachfüllen, aus denen sich die „Äggerle“-Gärtnerinnen und -Gärtner bedienen können. 600 Liter stehen am einen, 1000 Liter am anderen Ende der Anlage zur Verfügung. „Manche gehen verantwortungsvoller damit um, andere ein bisschen weniger“, sagt Benignus. Michael Peters und seine Frau Anna gehören auf jeden Fall zu der ersten Gruppe. „Wir haben richtig gegossen, deshalb haben wir die Trockenperiode sehr gut überstanden, ohne dass wir ein Problem gehabt hätten“, sagt Peters. Das heißt: Gießen quasi nur in der Anfangsphase, wenn die Pflanzen ausgesät oder angezogen werden. So bilden sie tiefe Wurzeln aus, können sich später selbst versorgen. „Ab Ende Juni gab es nur noch ab und zu eine Gießkanne voll Wasser“, berichtet Peters. „Wenn man einmal gießt, muss man immer gießen“, stimmt Benignus zu. Seine Himbeerhecken, sagt er, habe er aufgehört zu gießen, als die Zisterne leer war. „Die Früchte sind zwar klein geblieben – aber der Geschmack ist super!“ Die Apfelbäume dagegen seien weniger gut durch den Sommer gekommen. Temperaturen über 30 Grad Celsius vertragen die jungen Äpfel nicht gut. „Es tut einem im Herzen weh, dass so viele Früchte verbrannt oder kaputt sind“, sagt Benignus. Einen Vorteil hatte die lange Trockenheit aber auch: „Die Erde war beim Kartoffelnherausholen strohtrocken“, sagt Peters. „Man musste die Kartoffeln nur ein bisschen abschütteln, dann waren sie schon fast sauber.“

Mangold und Chilischoten gedeihen auf der Parzelle von Elena Meyer.

© Jörg Fiedler

Mangold und Chilischoten gedeihen auf der Parzelle von Elena Meyer.

Um Wasser zu sparen, bedecken viele der Gärtnerinnen und Gärtner ihren Boden auch stellenweise mit Hackschnitzeln, Stroh oder Pflanzenresten. „Da verdunstet das Wasser nicht so schnell. So versuchen wir das auch in der großflächigen Landwirtschaft“, erklärt Benignus. Weitere Tipps von ihm lauten, Humus (etwa vom Kompost gewonnen) in den Boden einzubringen: So kann er das Wasser besser speichern. Und den Boden gut umzugraben, damit der Regen oder auch der Schwall aus der Gießkanne besser versickern kann. „Aber das macht halt nicht jeder“, sagt der Landwirt. „Denn das kostet Zeit und Kraft.“ Beides lohnt sich. Elena Meyer setzt dem Boden wenige Meter von Benignus und Peters entfernt mit der Hacke zu. „Ihr Garten sieht perfekt aus“, schwärmt Benignus. Die 43-Jährige aus Unterweissach hat an diesem Nachmittag Radicchio und Friséesalat mitgebracht, um ihr „Äggerle“ auf den Herbst vorzubereiten. Auch das ist eine gute Taktik, um den Boden fruchtbarer werden zu lassen: indem man sogenannte Zwischenfrüchte anpflanzt. Blühmischungen erfüllen denselben Zweck, sagt Benignus. Elena Meyer hat dieses Jahr schon Kürbisse, Rote Beten, Salate, Chilis, Auberginen, Karotten, Mangold und Sellerie geerntet – unter anderem. Alles sei gut gekommen, „nur den Erbsen war’s zu heiß“, sagt sie.

Bei Michael Peters und seiner Frau Anna nebenan wachsen rote und gelbe Tomaten, Zucchini und Kohlköpfe – „das meiste ist schon abgeerntet“, merkt Peters an. Der 66-jährige Backnanger pflanzt das zweite Jahr in Folge Gemüse und Obst auf Benignus’ Land an. „Ich bin letztes Jahr in Rente gegangen, es war der perfekte Zeitpunkt“, sagt er. Dieses Jahr haben er und seine Frau es zum ersten Mal mit Galia- und Wassermelonen versucht – erfolgreich. „Wir haben die Melonen als Jungpflanzen eingesetzt und alle schon aufgegessen“, sagt Peters. Auch im kommenden Jahr möchte er wieder Melonen auf seinem „Äggerle“ anpflanzen.

Sogar Pfirsiche könnte man anbauen

Vor 20, 30 Jahren hätten die Kürbisgewächse im Rems-Murr-Kreis wahrscheinlich noch nicht ohne Gewächshaus überlebt. „Es gibt mittlerweile fast nichts mehr, was hier nicht wächst“, sagt Landwirt Benignus. Das ist die Sonnenseite des Klimawandels, wenn man so mag. Sogar Pfirsiche, Nektarinen und Aprikosen könne man mittlerweile hier anbauen, sagt Benignus.

Selbst im vergangenen Jahr, das extrem feucht war, sei das Gemüse auf den „Äggerle“ sehr gut geraten. Nur die Tomaten im Freien hatten Probleme mit dem Regen, „deshalb stehen jetzt einige Häusle hier“, erklärt Benignus und zeigt auf ein selbst gebautes Gewächshäuschen. Dieses Jahr sei eine Überdachung eigentlich nicht nötig gewesen. Aber so ist das beim Gemüseanbau unter freiem Himmel: Wenn man im Frühjahr mit der Aussaat und dem Anpflanzen beginnt, weiß man nicht, wie das Wetter im Sommer wird. Ein bisschen Glück sei immer dabei, sagt Benignus. Die Gärtnerinnen und Gärtner können aber selbst für optimale Anbaubedingungen sorgen.

Zum Artikel

Erstellt:
27. August 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
Das denken die Bürger über Backnang
Top

Stadt & Kreis

Das denken die Bürger über Backnang

Kommunalwahl 2024 Zum zweiten Mal hat unsere Zeitung eine repräsentative Umfrage durchführen lassen. Fast 1100 Menschen haben mitgemacht. Die Ergebnisse zeigen: Die Verkehrssituation und die Entwicklung der Innenstadt machen den Befragten die größten Sorgen.

In Rudersberg hat ein Wolf zugeschlagen. Symbolfoto: Stock.adobe.com
Top

Stadt & Kreis

Tote Schafe in Rudersberg: Ein Wolf war’s

Ein Institut bestätigt nach einer genetischen Untersuchung einen Wolf als Verursacher der zwei toten Schafe in Rudersberg. Das bedeutet, der Wolf ist nun auch im Rems-Murr-Kreis vertreten – wenn das Tier nicht schon längst weitergezogen ist.