Renz-Gruppe aus Kirchberg: Wie der Briefkasten digital wird

Die Renz-Gruppe ist Marktführer für Brief- und Paketkastenanlagen in Europa. Das Unternehmen aus Kirchberg an der Murr hat sich auf Sonderanfertigungen für Mehrfamilienhäuser spezialisiert, will mit seinen Produkten aber auch neue Märkte erobern.

Ein Touchscreen ersetzt die Klingelknöpfe: Geschäftsführer Armin Renz demonstriert eine digitale Briefkastenanlage. Auch die Namen an den Briefkästen werden auf digitalen Displays angezeigt. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ein Touchscreen ersetzt die Klingelknöpfe: Geschäftsführer Armin Renz demonstriert eine digitale Briefkastenanlage. Auch die Namen an den Briefkästen werden auf digitalen Displays angezeigt. Fotos: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Kirchberg an der Murr. Ein Briefkasten ist eigentlich kein Hightech-Produkt – es sei denn, er stammt von der Firma Renz. Im Foyer der Firmenzentrale in Kirchberg an der Murr demonstriert Geschäftsführer Armin Renz die erste volldigitale Brief- und Paketkastenanlage. An den Briefschlitzen stehen die Namen der Hausbewohner hier nicht mehr auf handgeschriebenen Zetteln oder gravierten Schildern, sondern werden auf digitalen Displays angezeigt. Und es gibt auch keine Briefkastenschlüssel mehr: Die Bewohner öffnen ihr Fach entweder mit einem Chip oder per App mit dem Smartphone. Auch eine Leiste mit zehn oder 20 Klingelknöpfen sucht man hier vergeblich. Stattdessen können sich Besucher auf einem kleinen Monitor die Liste der Hausbewohner anzeigen lassen und über einen Touchscreen die gewünschte Klingel betätigen. Für die Paketübergabe gibt es ebenfalls eine digitale Lösung: Ist der Adressat nicht zu Hause, kann der Bote die Sendung einfach in einem der unterschiedlich großen Paketfächer deponieren. Der Empfänger bekommt dann eine PIN-Nummer auf sein Smartphone gesendet, mit der nur er das entsprechende Schließfach öffnen kann.

„Wir sehen darin die Zukunft.“

Solche digitalen Anlagen sind heute zwar noch nicht Standard, aber die Nachfrage nach den Hightech-Briefkästen steigt. In Skandinavien liege ihr Marktanteil bereits bei 50 Prozent, berichtet Armin Renz: „Wir sehen darin die Zukunft.“ Denn die Technik öffnet seiner Firma auch die Tür zu neuen Absatzmärkten. Das System funktioniert nämlich nicht nur in Privathäusern, sondern überall, wo Gegenstände oder Papiere den Besitzer wechseln. So nutzt zum Beispiel ein großer Buchhändler die „RenzBoxen“ für das aus der Coronazeit bekannte Click and Collect. Der Kunde bestellt und bezahlt seine Ware online und holt sie aus einem Schließfach ab. Das geht dann auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten.

Und es gibt noch weitere Anwendungen: Armin Renz erzählt von einer Fluggesellschaft, die in solchen Schließfächern am Flughafen die frisch gewaschenen Uniformen für ihr Personal hinterlegt. Auch für Firmen, in denen die Beschäftigten keine festen Arbeitsplätze mehr haben, kann eine solche Anlage interessant sein: So kann der Arbeitgeber zum Beispiel die persönliche Post über einen internen Briefkasten zustellen und auch die Mitarbeiter selbst können die Fächer nutzen, um darin ihre privaten Unterlagen sicher zu verstauen.

Die meisten Briefkästen werden nach Kundenwünschen produziert

So vielfältig wie die Anwendungen sind auch die Produktvarianten. „Mehr als 80 Prozent unserer Bestellungen sind auftragsbezogen“, erklärt Armin Renz. Das heißt, die Briefkastenanlage wird individuell für das jeweilige Objekt produziert. In einem Onlinekonfigurator können die Kunden sich wie aus einem Legobaukasten ihren Wunschbriefkasten zusammenstellen. Hunderte Türen, Klappen und Klingelknöpfe stehen zur Auswahl, auch farblich ist fast alles möglich, wobei Grau mittlerweile Weiß als beliebteste Farbe abgelöst hat.

Auch das Thema Energieeffizienz spielt neuerdings eine Rolle: Wer ein Passivhaus baut, will schließlich nicht, dass die Wärme über den Briefkasten entweicht. Renz bietet deshalb inzwischen auch Briefkästen mit Styropordämmung an. Ein Magnet in der Klappe sorgt dafür, dass diese nicht länger offen steht als nötig. Weil die Vielfalt der Produkte so groß ist, gibt es bei Renz in Kirchberg auch keine klassische Serienfertigung. Zwar gibt es auch Standardteile, die auf Lager produziert werden, doch am Ende wird jeder Briefkasten nach den individuellen Kundenwünschen montiert.

Die Bleche kommen auf Rollen und werden zu Türen verarbeitet. Die Firma Renz fertigt alle wesentlichen Teile ihrer Briefkastenanlagen selbst.

© Alexander Becher

Die Bleche kommen auf Rollen und werden zu Türen verarbeitet. Die Firma Renz fertigt alle wesentlichen Teile ihrer Briefkastenanlagen selbst.

Die Produktion lässt sich deshalb auch nur begrenzt automatisieren. Umso wichtiger ist es, dass die Strukturen schlank und die Prozesse effizient sind. Schon vor Jahren hat die Firma deshalb einen Berater aus Japan ins Boot geholt, der in Kirchberg das sogenannte Kanban-Prinzip eingeführt hat. Seitdem sehen die Beschäftigten in der Produktionshalle auf einen Blick, welche Briefkastentüren sie als Nächstes herstellen müssen. An der Wand hängt nämlich ein sogenanntes Kanban-Board mit drei Fächern für jedes Modell: Steckt die Bestellkarte im grünen Fach, ist das Lager voll, liegt sie im gelben, werden die Teile bald knapp. Sobald sie ins rote Fach wandert, muss sofort nachproduziert werden. Zur Philosophie der Firma gehört auch, dass Renz seine Produkte größtenteils selbst fertigt: „Vom flachen Blech bis zum fertigen Produkt versuchen wir, fast alles hier im Haus zu produzieren“, erklärt Armin Renz. Lediglich die elektronischen Bauteile werden zugekauft. Das habe den Vorteil, dass man trotz der großen Auswahl sehr kurze Lieferzeiten habe: Selbst individuell gestaltete Briefkastenanlagen sind in der Regel innerhalb von zwei Wochen beim Kunden.

Firmenchef ist trotz steigender Kosten zuversichtlich

Obwohl infolge der Digitalisierung heute viel weniger Papier verschickt wird als noch vor 20 Jahren, ist dem Firmenchef des Kirchberger Traditionsunternehmens vor der Zukunft nicht bange. „Ich gehe davon aus, dass es auch in 25 Jahren noch an jedem Haus einen Briefschlitz geben wird“, sagt Renz. Und dabei seien zunehmend hochwertige Anlagen gefragt, auf die man in Kirchberg spezialisiert ist. Die Folgen der Inflation spürt man allerdings auch bei Renz deutlich. Neben der Energie hat sich vor allem Stahl als wichtigster Rohstoff verteuert. Auch die Zinswende ist für die Geschäfte nicht gerade förderlich, denn neue Briefkästen werden meistens für neue Häuser gekauft. Sollte die Bautätigkeit durch den Zinsanstieg einbrechen, würde man das deshalb auch bei Renz spüren.

Dank der guten Marktposition in mehreren europäischen Ländern (siehe Infotext) und der neuen Produkte sieht Armin Renz aber gute Perspektiven für seine Firma: „Ich bin nicht pessimistisch.“ In den kommenden Jahren will das Kirchberger Unternehmen weiter in seine digitalen Produkte investieren und auch das Thema Energieeffizienz steht ganz oben auf der Agenda. Bereits im vergangenen Jahr habe man den Energieverbrauch am Stammsitz um rund ein Viertel senken können, berichtet der Geschäftsführer. Mit weiteren Investitionen, unter anderem in eine Fotovoltaikanlage, will Renz diesen Weg fortsetzen.

Erwin Renz Metallwarenfabrik

Geschichte Als Bauflaschnerei wurde die Firma 1925 von Erwin Renz in Kirchberg an der Murr gegründet, ab 1933 stellte der Betrieb die ersten Briefkästen her. Nachdem das Unternehmen in den Anfangsjahren unter anderem auch Öfen und Dachfenster produziert hatte, konzentrierte es sich ab 1965 auf Briefkastenanlagen und baute ein bundesweites Vertriebsnetz auf.

Standorte Bereits in den 1970er-Jahren baute Renz ein Tochterunternehmen in Frankreich auf, 1993 eröffnete die Firma ein Zweigwerk im sächsischen Döbeln. 2010 übernahm Renz den dänischen Briefkastenhersteller Me-Fa, 2012 den britischen Marktführer Safety Letterbox. Heute beschäftigt die Renz-Gruppe mehr als 800 Mitarbeiter an neun Standorten in ganz Europa. Am Stammsitz in Kirchberg arbeiten etwa 350 Personen. Der Jahresumsatz liegt bei rund 100 Millionen Euro.

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Erstellt:
14. März 2023, 06:00 Uhr

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