Wie die Pandemie die VHS tangiert

Nach einer langen Durststrecke bietet die Backnanger Volkshochschule dieses Wintersemester zahlreiche Kurse in Präsenz und online an. Die Coronamaßnahmen fordern die Dozenten heraus, die Einrichtung als Ort des gemeinsamen Lernens und Begegnens zu erhalten.

Beim Kurs „Englisch mit Muße“ unter der Dozentin Petra Schmitz müssen die Teilnehmer geimpft oder genesen sein, Maske tragen und Abstand halten. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Beim Kurs „Englisch mit Muße“ unter der Dozentin Petra Schmitz müssen die Teilnehmer geimpft oder genesen sein, Maske tragen und Abstand halten. Fotos: A. Becher

Von Anja La Roche

Backnang. Heutzutage muss man als Leiterin einer Volkshochschule nicht nur das Kursangebot im Blick behalten, sondern nebenbei auch immer auf die entsprechenden Coronaregeln schielen. „Ich bin Expertin in den Coronaregeln“, sagt Monika Eckert, die Leiterin der VHS Backnang, lachend. Sie scheint trotz aller Schwierigkeiten ihren Humor nicht verloren zu haben. Ob Sprachkurse, Yogakurse oder Abendschulklassen – so vielfältig das Angebot der Volkshochschule, so vielfältig auch die entsprechenden Regeln zur Eindämmung der Coronapandemie, die je nach Lebensbereich unterschiedlich ausfallen. „Ein Restaurant muss bei den Regeln nicht noch differenzieren, denn es zählt eben zur Gastronomie“, so Eckert. Seit 2015 befindet sich der VHS-Hauptsitz im sogenannten Bildungshaus in der Bahnhofstraße 2 in Backnang. Dieses Jahr feiert die größte Weiterbildungseinrichtung Backnangs ihr 75-Jahr-Jubiläum. Das sprichwörtliche Feiern kann angesichts der hohen Coronazahlen allerdings nicht umgesetzt werden. „Die ganze Jubiläumsgeschichte ist Corona zum Opfer gefallen“, sagt die VHS-Leiterin.

Trotz der Pandemie finden dieses Wintersemester viele und vielfältige VHS-Kurse statt. In der Basisstufe galt noch die 3-G-Regelung für Kursteilnehmer. Diese verschärfte sich in der Warnstufe dahingehend, dass nur ein PCR-Test als Testnachweis gültig ist. Mit der Umstellung von der Warn- auf die Alarmstufe am 17. November habe sich erst nicht wirklich etwas geändert, denn in den Kursen galt die 2-G-Regel. „Und wer macht schon einen PCR-Test für einen Kurs?“, fragt Eckert rhetorisch. Nun allerdings wurde die Coronaverordnung am 4. Dezember erneut verschärft, was am Wochenende für reichlich Verwirrung sorgte. Auch in vielen VHS-Kursen gilt damit in der Alarmstufe II die 2-G-plus-Regel. Noch am Wochenende hat die Landesregierung aber Ausnahmen von der 2-G-plus-Regel festgelegt: Menschen, die schon eine Booster-Impfung erhalten haben, sind von der zusätzlichen Testpflicht befreit. Ebenso wie Personen, deren Vollimmunisierung nicht länger als sechs Monate zurückliegt. Das Gleiche gilt für Genesene, deren Infektion höchstens ein halbes Jahr her ist.

Kochkurse komplett abgesagt, Ansteckungsrisiko wäre zu groß

Grundsätzlich nutze die Volkshochschule den Spielraum, der durch die Coronamaßnahmen der Landesregierung vorgegeben ist, so Monika Eckert. In allen Kursen gilt die Maskenpflicht, außer in Bewegungskursen, wie zum Beispiel Zumba oder Pilates. Außerdem sind die Kurse mit weniger Teilnehmern besetzt als vor der Pandemie, sodass diese genügend Abstand zueinander halten können. Manches findet online, manches in Präsenz statt. Die Kochkurse habe die VHS dieses Semester allerdings gestrichen: „Man kommt sich näher, zieht die Maske ab, um zu probieren, will nach dem Kochen gemeinsam essen“, sagt Eckert. Das hätte ein zu großes Ansteckungsrisiko bedeutet. An der Volkshochschule seien die Teilnehmer offen gegenüber den Coronamaßnahmen, so schildert zumindest Monika Eckert ihren Eindruck. Sie hätten sich mittlerweile an die Regeln gewöhnt. „Auch in Gruppen, in denen ungeimpfte Personen sind, werden sie akzeptiert“, sagt sie.

Die Pandemie belastet, wie zu erwarten, auch die Kasse der VHS. So müssen mehr Kurse als vor der Pandemie aufgrund geringer Teilnehmerzahl abgesagt werden. „Die Teilnehmer – auch die Geimpften – sind inzwischen sehr unsicher und vorsichtig geworden“, sagt Eckert. Das kann die Leiterin der Bildungseinrichtung allerdings verstehen; auch sie empfindet die hohen Coronazahlen in diesem Winter besorgniserregend. „Mir ist die Sicherheit der Teilnehmer wichtiger“, sagt sie im Hinblick auf die finanziellen Einbußen der Volkshochschule.

Außerdem sind die Personalkosten mit den neuen Coronamaßnahmen gestiegen, weil zusätzliches Personal die Nachweise kontrollieren muss. Die Gebühren für die Kurse seien dennoch gleich geblieben. „Wir wollen keine Hürden aufbauen“, sagt Eckert. Diese Einstellung ist auch im Leitbild der VHS verankert: „Wichtigste Aufgabe für uns ist, ein qualitativ hochwertiges, bedarfsgerechtes und bezahlbares Bildungsangebot (...) vorzuhalten“, schreibt sie sich auf die Fahne.

Schwierig in der Coronakrise umzusetzen ist ein anderer Aspekt, der ebenfalls im Leitbild der VHS steht: Dass gutes Lernen mit Freude, Kommunikation und Kooperation zusammenhängt. „Ich bedaure die Situation sehr, dass Bildung nicht mehr wie gewohnt möglich ist“, sagt Monika Eckert. „Zum zentralen Element der Volkshochschule gehört der Austausch, das gemeinsame Lernen.“

Gesundheitspersonal entlasten, Eigenverantwortung übernehmen

Die fehlenden Begegnungen unter den Kursteilnehmern empfindet die VHS-Leiterin zwar als bedauerlich, aber eben auch notwendig. „Ich denke, dass jeder seinen Teil dazu beitragen muss, die Gesellschaft zu entlasten.“ Dabei hat Eckert besonders die Entlastung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen im Blick. „Wir müssen jetzt alles tun, um Kontakte zu minimieren“, sagt sie und betont die Eigenverantwortung, die jede einzelne Person in der Pandemie trägt – und sich entsprechend verhalten sollte. „Es geht darum, selbst mitzudenken.“

Wie die Pandemie die VHS tangiert

© Alexander Becher

„Ich bedaure die Situation sehr, dass Bildung nicht mehr wie gewohnt möglich ist. Zum zentralen Element der VHS gehört der Austausch, das gemeinsame Lernen.“

Zugangsregeln für VHS-Kurse in der zweiten Alarmstufe

Außerschulische Bildung Grundsätzlich zählen die VHS-Kurse zum außerschulischen Bildungsbereich. Möchte man beispielsweise einen Nähkurs, Sprachkurs oder Computerkurs belegen, geht das in der Alarmstufe II nur noch mit 2-G-plus-Nachweis. Ausgenommen von der zusätzlichen Testpflicht sind Menschen mit Boosterimpfung, ebenso Personen, deren Vollimmunisierung oder Genesung höchstens sechs Monate zurückliegt.

Bildung Die Integrationskurse für geflüchtete Menschen, die beruflichen Ausbildungskurse und die Kurse für einen Hauptschulabschluss sind immer noch mit 3-G-Nachweis zugänglich. Die nicht immunisierten Teilnehmer müssen den entsprechenden Test alle drei Tage vorlegen.

Sport Yoga, Pilates, Tanz, Tai Chi oder Zumba findet ebenfalls nur in 2-G-Form statt. Allerdings entfällt bei Sportkursen die Maskenpflicht.

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Erstellt:
6. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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