Wie digital ist die Stadtverwaltung Backnang?

Formulare, Vorlagen, Bescheide – in deutschen Amtsstuben wird noch immer jede Menge Papier verbraucht. Doch das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Auch die Stadt Backnang hat damit begonnen, ihre Dienstleistungen und Prozesse zu digitalisieren.

Für viele Dienstleistungen müssen die Bürgerinnen und Bürger weiterhin persönlich aufs Amt gehen. Zumindest die Termine dafür kann man bei der Stadt Backnang jetzt aber online buchen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Für viele Dienstleistungen müssen die Bürgerinnen und Bürger weiterhin persönlich aufs Amt gehen. Zumindest die Termine dafür kann man bei der Stadt Backnang jetzt aber online buchen. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Als sich Maximilian Friedrich vor knapp zwei Jahren als Oberbürgermeister in Backnang bewarb, da hatte er eine Schwachstelle im Rathaus schnell ausgemacht. Digitalisierung, so erklärte er im Wahlkampf, beschränke sich in Backnang bislang darauf, dass man Formulare auf der städtischen Homepage im PDF-Format herunterladen, ausdrucken und ausgefüllt in den Rathausbriefkasten werfen könne. „Das ist aber nicht das, was ich mir unter Digitalisierung vorstelle“, sagte Friedrich, der damals noch Bürgermeister der 6000-Seelen-Gemeinde Berglen war.

Nach seinem Amtsantritt im Juni 2021 hat der neue OB das Thema deshalb gleich ganz oben auf die Agenda gesetzt. Aber was hat sich seitdem in Sachen Digitalisierung getan?

Digitale Dienstleistungen

Auch mit einem weniger onlineaffinen Oberbürgermeister hätte die Stadt Backnang digitaler werden müssen. Dazu ist sie nach dem 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz nämlich verpflichtet. Bis Ende 2022 müssen Kommunen demnach viele Dienstleistungen auch in digitaler Form anbieten. Bei der Umsetzung sind die Städte und Gemeinden allerdings nicht auf sich allein gestellt, sondern können auf das landesweite Internetportal service-bw.de zurückgreifen.

Wer sich dort registriert und einmalig mit seinem Personalausweis authentifizieren lässt, kann schon heute zwölf städtische Dienstleistungen in digitaler Form nutzen und zum Beispiel einen Behindertenparkausweis oder die Schankerlaubnis für ein Vereinsfest online beantragen. Das bisher aufwendigste Projekt war laut Hauptamtsleiter Timo Mäule der digitale Bauantrag. Mussten die Pläne bisher in dreifacher Ausfertigung und einzeln unterschrieben im Baurechtsamt eingereicht werden, ist das nun auch komplett auf elektronischem Weg möglich. Auch die Bearbeitung erfolgt laut Mäule papierlos: „Nur der Rote Punkt wird am Ende noch mit der Post verschickt.“ In den kommenden Jahren will die Stadt die Zahl ihrer digitalen Dienstleistungen noch weiter ausbauen. Wie viele es am Ende sein werden, steht laut Timo Mäule allerdings noch nicht fest.

Serviceangebote

Neben den reinen Verwaltungsleistungen will die Stadt Backnang auch ihre Serviceangebote nach und nach digitalisieren. Bereits umgesetzt wurde ein Veranstaltungskalender, bei dem Vereine, Kirchen und andere Organisationen Feste und Events online eintragen können. So sollen Terminkollisionen verhindert werden. Auch um einen Kitaplatz können Eltern sich neuerdings übers Internet bewerben, bearbeitet werden die Anträge allerdings noch manuell. Der Service solle aber noch weiterentwickelt werden, kündigt OB Friedrich an: „Am besten wäre natürlich ein Ampelsystem, bei dem man direkt sehen kann, in welcher Einrichtung es noch freie Plätze gibt.“

Online-Terminvereinbarung

Für manche Dienstleistungen müssen die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin aufs Amt. So kann etwa ein neuer Personalausweis laut Gesetz nur persönlich beantragt werden. Allerdings bietet die Stadt Backnang auf ihrer Homepage neuerdings die Möglichkeit, sich dafür online einen Termin zu reservieren. „Dann kommt man gleich dran und hat keine Wartezeiten“, erklärt Mäule. Bei der Buchung des Termins können die Bürger auch auswählen, ob sie ins Bürgeramt Stadtmitte oder in eine der fünf Stadtteilgeschäftsstellen kommen wollen, wo der Andrang laut Mäule oft geringer ist. Auch im Ausländeramt, dem Gewerbeamt und bei der Waffenbehörde können Termine über das Internet gebucht werden.

Neue Website

Die Homepage der Stadt Backnang war bei Friedrichs Amtsantritt veraltet. Das größte Manko: Die Website war nicht für die Darstellung auf mobilen Endgeräten geeignet. Deshalb drängte der OB auf einen raschen „Relaunch“, der in den vergangenen Monaten umgesetzt wurde. Seitdem funktioniert nicht nur die Darstellung auf Handys und Tablets, sondern die Stadt versucht die Website auch für möglichst viele Bürger nutzbar zu machen. Texte in einfacher Sprache sollen ebenso dazu beitragen wie kurze Videos in Gebärdensprache.

Social-Media-Kanäle

Zwar sind verschiedene städtische Institutionen wie das Bürgerhaus oder das Stadtmarketing schon länger bei Facebook und Instagram aktiv, einen offiziellen Social-Media-Auftritt der Stadt Backnang gab es bisher aber nicht. Das hat sich dieses Jahr geändert: Seit März ist die Stadt sowohl auf Facebook als auch auf Instagram vertreten. Betreut werden die Social-Media-Kanäle von einem Team, in dem Beschäftigte aus unterschiedlichen Ämtern und Fachbereichen vertreten sind. Mindestens zwei- bis dreimal pro Woche versorgen sie die Follower mit Informationen aus dem Rathaus, etwa zu Baustellen oder bevorstehenden Veranstaltungen. Mit der Resonanz ist der OB zufrieden: Auf Facebook folgen bislang etwa 3200 Personen der Seite, bei Instagram sind es knapp 2000.

BK-App

Bis zum kommenden Frühjahr will die Stadt Backnang auch eine eigene App fürs Handy anbieten. Laut Hauptamtsleiter Timo Mäule sollen dort Informationen und Serviceangebote gebündelt werden. Geplant sind unter anderem ein Newsticker, ein Mängelmelder und Infos zu freien Parkplätzen. Wenn die Nutzer es wollen, können sie sich wichtige Mitteilungen auch als Pushnachrichten aufs Handy schicken lassen.

Interne Prozesse

Im Büro von Oberbürgermeister Maximilian Friedrich findet man bis auf die Backnanger Kreiszeitung nicht mehr viel Papier. Der OB arbeitet lieber digital, was für ihn den Vorteil hat, dass er auch von zu Hause oder unterwegs auf alle wichtigen Unterlagen Zugriff hat. Allerdings funktioniert das noch nicht überall in der Stadtverwaltung mit ihren knapp 300 Beschäftigten. Die Digitalisierung der internen Prozesse ist deshalb eine große Aufgabe für die kommenden Jahre. Akten und Formulare müssen dafür digitalisiert werden, Rechnungen, die bisher von Hand abgezeichnet wurden, müssen digital freigegeben werden.

Das kostet erst einmal Zeit und Geld, aber der OB ist davon überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt. Die Erfahrungen, die bei einem Pilotprojekt im Haupt- und Personalamt gesammelt wurden, waren laut Amtsleiter Timo Mäule positiv: „Wir haben den Papierverbrauch um zwei Drittel gesenkt und unsere Bearbeitungszeiten reduziert.“

Kommentar
Weiter Weg bis zum digitalen Rathaus

Von Kornelius Fritz

Einen Ausweis beantragen, die Scheidung einreichen oder einen Rentenantrag stellen – die Dänen machen das alles online. Rund 90 Prozent der Behördengänge erledigen die Bewohner unseres Nachbarlandes digital. Viele Dienstleistungen können dort gar nicht mehr anders beantragt werden.

Deutschland hinkt dagegen bei der Digitalisierung weit hinterher. Zwar wurde bereits vor fünf Jahren das sogenannte Onlinezugangsgesetz beschlossen, wonach die Behörden eigentlich verpflichtet wären, bis Jahresende knapp 600 Dienstleistungen digital anzubieten. Umgesetzt wurde davon bis jetzt aber nur ein Bruchteil.

Auch die Stadt Backnang hat die Digitalisierung lange verschlafen. Für den wenig onlineaffinen OB Frank Nopper besaß das Thema keine Priorität. Das hat sich unter Maximilian Friedrich zwar geändert, doch mit gerade mal zwölf digitalen Dienstleistungen ist das Angebot noch immer sehr überschaubar. Der Weg zum digitalen Rathaus ist noch weit und wird in den nächsten Jahren viel Geld kosten. Trotzdem muss die Stadt ihn konsequent weitergehen.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
22. September 2022, 06:00 Uhr

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