„Wie ein riesiges Puzzlespiel“

Die Flurneuordnung Sulzbach-Lautern, die vor nunmehr fast 20 Jahren vor dem Hintergrund einer Neugestaltung der Ortsmitte des Sulzbacher Teilorts Lautern begonnen hatte, tritt in eine entscheidende Phase: die Besitzeinweisung der Flurstücke.

Mit Flurkarte, GPS-Gerät und Feldrechner: Die Vermessungstechniker Julian Fechter (von links), Bastian Lehar, Luca Müller und Simon Ernst setzen in Lautern die letzten Grenzpflöcke. Foto: U. Gruber

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Mit Flurkarte, GPS-Gerät und Feldrechner: Die Vermessungstechniker Julian Fechter (von links), Bastian Lehar, Luca Müller und Simon Ernst setzen in Lautern die letzten Grenzpflöcke. Foto: U. Gruber

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Auf der Gemarkung Sulzbach an der Murr tut sich was. Das fällt jedem auf, der in diesen Tagen durchs Lautertal fährt: Überall stecken kleine rote und blaue Holzpflöcke in den Wiesen und Äckern links und rechts der Straße. Dazwischen huschen Vermessungstechniker durch die Felder und ergänzen noch die letzten Feinheiten. Selbst im Dauerregen, dann eben in Gummistiefeln und neongelben Regenjacken.

Die Flurneuordnung Sulzbach-Lautern, die vor nunmehr fast 20 Jahren vor dem Hintergrund einer Neugestaltung der Ortsmitte des Sulzbacher Teilorts Lautern begonnen hatte, trat letzte Woche in eine entscheidende Phase: die (vorläufige) Besitzeinweisung der neuen Flurstücke. Mit zehn Jahren Verspätung freilich, denn wie im ausgebleichten Prospekt aus den Anfangsjahren zu lesen ist, war hierfür der Zeitraum 2009/2010 vorgesehen. Grund für die Verzögerung war wohl ein mehrfacher Wechsel beim Personal der ausführenden Behörde. Landwirt Rolf Werthwein aus Lautern, der als Vorstand der Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung die ortskundige Anlaufstelle für die Ingenieure und Vermessungstechniker aus dem Landratsamt ist, sieht dies als entscheidenden Grund für die Verzögerung: „Das dauerte jedes Mal bald ein Jahr, bis die sich vor Ort richtig auskannten.“ Von der anfänglichen Crew sei heute längst keiner mehr dabei.

Nun scheint etwas mehr Kontinuität im Amt für Vermessung und Flurneuordnung eingekehrt zu sein, und die aktuelle Projektleiterin Franziska Weyer stellte am vergangenen Montag in der Sulzbacher Festhalle der interessierten Teilnehmerversammlung die nächsten Schritte vor: „Im Laufe dieser Woche erhalten Sie von uns die Karten mit den neu eingeteilten Flurstücken, Ihre eigenen sind darauf farblich markiert. Ab dem 26. Oktober gelten für die Bewirtschaftung dann die neuen Flurstücke.“ Damit keiner sich noch schnell bereichert, gilt für den Wald bereits ab dieser Woche ein Holzeinschlagstopp. Wobei: Reich wird bei den miserablen Holzpreisen derzeit kein Waldbesitzer und von Schädlingen befallene Bäume dürfen zum Schutz der Nachbarbäume auch jetzt entnommen werden. Das Fällverbot gilt auch für Obstbäume.

Bewusst wird der Wechsel der Bewirtschafter in den Herbst gelegt, wenn die Flächen weitgehend abgeerntet sind. „Natürlich sind hier anderslautende, persönliche Absprachen unter den Beteiligten möglich.“ In der Flur wurden die neuen Flurstücksgrenzen mittels GPS ermittelt und mit roten Holzpflöcken markiert, an den Übergängen ist ein Schildchen mit den neuen Nummern angebracht. Da sich an manchen Stellen die Nutzungsart verschiebt, ist die neue Grenze zwischen Acker und Grünland durch blaue Pflöcke gekennzeichnet. Die neue Einteilung soll dann auch schon im kommenden Jahr im gemeinsamen Antrag der Landwirte gelten. „Aber da müssen Sie sich dann an das Landwirtschaftsamt wenden.“

Der Gesamtplan ist ab sofort auch im Internet und im Rathaus einsehbar, aus Datenschutzgründen ohne Besitzerangaben. Für alle Fragen zur neuen Einteilung stehen am heutigen Montagvormittag und in der Folgewoche am Donnerstagnachmittag die Mitarbeiter der Behörde im Rathaus zur Verfügung. Bis die neuen Flurstücke mit zugehörigen Eigentümern letztlich auch im Grundbuch eingetragen sind, werden allerdings wiederum einige Jahre ins Land gehen. Zunächst steht noch die Wertermittlung der Bäume und die Neueinteilung innerhalb des Orts an. Wenn dann der komplette Flurbereinigungsplan aufgestellt ist, können auch Widersprüche eingelegt werden. „Vorher geht das nur in existenzbedrohenden Härtefällen.“ Bis dahin soll dann auch jeder Gelegenheit gehabt haben, die neuen Gegebenheiten kennenzulernen. Widersprüche ließen sich nicht vermeiden, ist die Erfahrung von Vermessungstechniker Simon Ernst, der seit acht Jahren dabei ist und heute mit seinem Kollegen Bastian Lehar und einigen Helfern aus anderen Abteilungen im strömenden Regen noch alles kennzeichnet für die neuen Besitzer.

Dabei versuche man ja im Vorfeld alle Interessen unter einen Hut zu bekommen – die Wünsche der Eigentümer, die gesetzlichen Vorschriften, die Belange des Naturschutzes: „Das ist wie ein riesiges Puzzlespiel, vor allem in einer so strukturreichen Flur wie Sulzbach.“ Durch die Flurbereinigung soll unter anderem zersplitterter und unwirtschaftlich geformter Grundbesitz sinnvoll zusammengeführt werden, zweckmäßige Wege sollen eingeteilt und Landschaftspflege soll gewährleistet werden. „Dabei soll ja alles wertgleich wieder zugeteilt werden: Genauso viel Acker – den will jeder. Aber auch genauso viel Steillagen, genauso viel Obstbäume und Waldschatten wie zuvor.“ Nachdem man auf dem Computer zunächst alle bisherigen Einteilungen gelöscht habe, helfe dabei ein Computerprogramm. „Aber die Feinheiten und individuellen Wünsche – das ist alles Handarbeit.“ In der Zwischenzeit befinden sich die Flurstücke ab der aktuellen, vorläufigen Besitzeinweisung in einem rechtlich schwebenden Zustand, denn bis zur Ausführungsanordnung in möglicherweise fünf Jahren gelten zum Beispiel bei Verkauf oder Erbe die alten Flurstückgrenzen und -nummern. Der monetäre Wert der Grundstücke ist bis dahin eingefroren. Für die Grundstückseigentümer, die ihre Fläche selbst aktiv bewirtschaften, ist das Ergebnis sicher ein Gewinn: endlich alles beieinander. Ein Rückschritt ist es möglicherweise für die Pächter, die sich ihre zusammenhängenden Schläge im Lauf von Jahrzehnten von verschiedenen kleinen Grundbesitzern zusammengepachtet haben: Denn die Pacht folgt nun dem Eigentum.

Flurbereinigung: Informationen sind online einsehbar

Von der Flurneuordnung ist auf der Gemarkung Sulzbach fast die komplette Flur 6 (Lautern) sowie ein kleiner Teil von Flur 9 (Siebersbach) betroffen. Der Lageplan liegt bis 9. November im Sulzbacher Rathaus aus.

Auskunftstermine bestehen am Montag, 12. Oktober, von 8 bis 13 Uhr und am Donnerstag, 22. Oktober, von 14 bis 18 Uhr nach telefonischer Voranmeldung unter Telefon 07151/5012139

Ab 26. Oktober gelten die neuen Bewirtschaftungsgrenzen (Stichtag).

Verfahrensdaten, Karten und Vorträge sind einsehbar auf www.lgl-bw.de/2723.

Bei dem Verfahren handelt es sich um eine Gesamtfläche von 420 Hektar, davon 263 Hektar Wald und 125 Hektar landwirtschaftliche Fläche (31 Hektar Acker, 79 Hektar Grünland, 15 Hektar Streuobstwiesen).

Beteiligt sind 147 Grundstücksbesitzer mit zuvor 1344 Flurstücken. Nach der Neuordnung werden es nach aktuellem Stand noch 734 Flurstücke sein – also nur gut die Hälfte.

Neben zwei Landschaftsschutzgebieten – Spiegelberger Lautertal mit Nebentälern und Fischbachtal – gibt es in diesem Gebiet 49 geschützte Biotope nach Paragraf 24a Naturschutzgesetz und elf nach Paragraf 30a Landeswaldgesetz sowie drei Naturdenkmale und zwei Kulturdenkmale. Zehn Gewässer (zweiter Ordnung) bilden zusammen 6,1 Kilometer Bachlauf, und es gibt 4,3 Kilometer Wassergräben auf der Fläche (Stand Juni 2006).

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Erstellt:
12. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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