Domain „.ai“
Wie eine kleine Karibikinsel vom KI-Boom profitiert
Eine winzige Insel im karibischen Meer verdient plötzlich Millionen – nicht mit Tourismus, sondern mit zwei Buchstaben am Ende einer Webadresse.
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Anguilla ist ein britisches Überseegebiet in der östlichen Karibik und Teil der Kleinen Antillen.
Von Katrin Jokic
Anguilla war lange Zeit ein Ort, der wirtschaftlich vor allem von Strandurlaubern, Gastronomie und Dienstleistungen lebte. Doch seit wenigen Jahren sprudelt eine Einnahmequelle, die mit Palmen und Meer nichts zu tun hat. Es ist die eigene Internet-Domainendung. Was einst als technisches Detail begann, hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt.
Der KI-Boom und die Domain „.ai“
Als Künstliche Intelligenz weltweit zum Megathema wurde, rückte eine Domainendung ins Zentrum der Tech-Welt: „.ai“. Die Abkürzung für Artificial Intelligence ist für Start-ups und Konzerne gleichermaßen attraktiv – und damit für Anguilla ein Glücksfall.
Während .de oder .com für geringe Gebühren registriert werden können, kostet eine „.ai“-Adresse etwa das Zehn- bis Zwanzigfache. 2024 generierte das britische Überseegebiet rund 100 Millionen Ostkaribische Dollar (rund 32 Mio. Euro) allein aus der Vergabe und Verwaltung dieser Endung. Das entspricht etwa zwei Dritteln der gesamten Staatseinnahmen.
Die Regierung investiert den Geldsegen in Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Unternehmenssteuern. Minister José Vanterpool rechnet damit, dass 2025 fast die Hälfte der öffentlichen Einnahmen aus Domainregistrierungen stammen wird – ein drastischer Sprung gegenüber der Zeit vor dem KI-Durchbruch, als „.ai“ kaum eine Rolle spielte.
Boomende Nachfrage nach „.ai“
Seit der Einführung 1995 ist „.ai“ die länderspezifische Top-Level-Domain Anguillas. Sie wird vollständig von staatlichen Stellen verwaltet, jede Registrierung gilt für zwei Jahre, die Bearbeitungszeit beträgt meist vier Tage.
Mit dem KI-Hype explodierte die Nachfrage:
- Firmen wie Google setzen eigene KI-Portale unter „google.ai“ auf.
- Elon Musk nutzt „x.ai“ für seinen Chatbot Grok.
- Start-ups wie Perplexity leiten Nutzer konsequent auf ihre .ai-Versionen um.
Mehr als 600.000 Webadressen mit .ai sollen inzwischen existieren. Im Jahr 2018 waren es gerade einmal 50.000. Die Gebühren pro Domain liegen bei rund 130 Euro für zwei Jahre und werden sowohl bei Neuregistrierungen als auch bei Verlängerungen fällig. Einige Adressen erzielen auf dem Sekundärmarkt sechsstellige Beträge, wie die Domain „you.ai“, die im Oktober 2023 für 700.000 Dollar verkauft wurde.
Wie Anguilla den Geldstrom nutzt
Mit nur rund 15 bis 19.000 Einwohnern und einer Fläche von etwa 91 Quadratkilometern ist Anguilla angewiesen auf Einnahmen, die stabil und planbar sind. Der Erfolg der .ai-Domain nimmt Druck von der Regierung und ermöglicht Projekte, die zuvor kaum realisierbar waren:
- Ausbau des Flughafens
- Kostenlose medizinische Versorgung für Senioren
- Fertigstellung eines Berufsausbildungszentrums für Technologie
- Investitionen in Infrastruktur und öffentliche Dienste
Zudem erwägt die Regierung einen nationalen Entwicklungsfonds, um bei Hurrikanschäden schnell handeln zu können – bisher war Anguilla auf Hilfen aus Großbritannien angewiesen, die stets an Bedingungen verknüpft sind.
Premierminister Ellis Webster sieht in der Domain nicht nur Glück, sondern auch eine strategische Chance: Langfristig könnte Anguilla zu einem regionalen Knotenpunkt für digitale Technologien werden.
Wo liegt Anguilla?
Anguilla ist ein britisches Überseegebiet in der östlichen Karibik und Teil der Kleinen Antillen. Das Gebiet umfasst die Hauptinsel Anguilla sowie mehrere unbewohnte Koralleninseln. Der Name leitet sich vom italienischen Wort anguilla – Aal – ab und beschreibt die langgestreckte Form. Zeitweise war auch die Bezeichnung Snake Island gebräuchlich.
Die Insel ist für ihre Strände bekannt, aber heute verbindet man mit Anguilla vor allem eines: eine Domainendung, die im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz zum globalen Markenfaktor geworden ist.
