Rätsel des Kosmos

Wie entstand die Dunkle Materie im Universum?

Eine neue Theorie könnte erklären, wie die Dunkle Materie nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren entstand ist – eine der rätselhaften Komponenten des Kosmos.

Einen extrem großen Anteil am Universum haben zwei Phänomene, über die man bislang so gut wie nichts weiß: Dunkle Materie und Dunkle Energie.

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Einen extrem großen Anteil am Universum haben zwei Phänomene, über die man bislang so gut wie nichts weiß: Dunkle Materie und Dunkle Energie.

Von Markus Brauer

Die Dunkle Materie gehört zu den größten Rätseln der modernen Physik. Sie ist nicht sichtbar und wurde noch nie direkt beobachtet. Allerdings wissen die Forscher, dass sie da ist. Denn sie macht sich über ihre Schwerkraft bemerkbar.

Ohne die zusätzliche Schwerkraft der Dunklen Materie würden beispielsweise viele Galaxien durch die Fliehkraft auseinander gerissen werden, da sie sich viel zu schnell drehen.

Dunkle Materie – eines der größten Rätsel der Physik

Einen extrem großen Anteil am Universum haben zwei Phänomene, über die man bislang so gut wie nichts weiß: Dunkle Materie und Dunkle Energie. Alle Sterne in unserer Galaxie, der Milchstraße, zusammengenommen machen nur nur etwa 15 Prozent der (sichtbaren) Masse aus. Der Rest – rund 85 Prozent – ist Dunkle Materie.

Im Universum, erklärt der französische Astrophysiker David Elba, gibt es mehr Schwerkraft, als auf Grundlage der sichtbaren Teile angenommen würde. „Die Sonne dreht sich mit einer so hohen Geschwindigkeit um das Zentrum der Milchstraße, dass sie aus der Galaxie ausbrechen sollte. Wenn sie nicht ausbricht, heißt das, dass sie von einer anderen Masse, die wir nicht sehen, angezogen wird.“ Das sei die dunkle Materie. Dunkle Energie hingegen beschreibe eine Art Anti-Schwerkraft, durch die Galaxien sich abzustoßen scheinen.

Wie entstand die Dunkle Materie?

Bislang ist die Astrophysik von folgender Theorie ausgegangen: Die sichtbare Materie – also Sterne und Galaxien, Planeten, Monde und Asteroiden – macht nur einen Bruchteil des Universums aus. Rund ein Viertel besteht aus Dunkler Materie, einer unsichtbaren Masse, die sich allein durch ihre Gravitationskraft bemerkbar macht. Der Rest ist Dunkle Energie, eine Art Antischwerkraft, durch die sich das Universum weiter ausdehnt.

Nach dem Urknall kühlte sich die Materie im Universum ab. Die Gravitation zog dichtere Bereiche zusammen, die verklumpten. So entstanden etwa Galaxienhaufen. Die Materie ist demnach im Universum nicht gleichmäßig verteilt. Allerdings ist sie auch nicht so klumpig, wie Forscher bisher angenommen haben.

Den Anfang machten winzige Unregelmäßigkeiten in der kosmischen Ursuppe – jenem dichten, heißen Gemenge aus Strahlung, Gasen und Dunkler Materie kurz nach dem Urknall.

Diese Dichte-Fluktuationen verstärkten sich im Laufe der kosmischen Entwicklung: Dichtere Stellen wurden noch dichter und bildeten schließlich Galaxien, Galaxienhaufen und gigantische Superhaufen, sogenannte Supercluster. Dünnere Stellen dünnten noch weiter aus und wurden zu sternenarmen Leer- und Hohlräumen, sogenannten Voids. So lautet die gängige kosmologische Theorie.

Hitzebad im frühen Universums

Zwar können Astronomen die Verteilung der Dunklen Materie kartieren, aber woraus sie besteht und wie sie entstand, ist bis dato unbekannt. Eine neue Theorie könnte diese Fragen nun klären. „Das führende Paradigma für die Dunkle Materie besagt, dass sie aus einer kalten, nicht-relativistischen Teilchensorte entstand, die aus dem primordialen (uranfänglich, d. Red.) Hitzebad des Universums ausfiel“, erklären die beiden Astronomen uanming Liang und Robert Caldwell vom Darthmouth College in Hanover (US-Bundesstaat New Hampshire) in ihrer im Fachjournal „Physical Review Letters“ veröffentlichten Studie.

Cold Dark Matter Based on an Analogy with Superconductivity "… a novel candidate for cold dark matter consisting of condensed Cooper pairs in a theory of interacting fermions with broken chiral symmetry." PRL: https://t.co/u7szqcstM0#OpenAccess Synopsis: https://t.co/2CxWliAbev — Physical Review Letters (@PhysRevLett) May 14, 2025

Schnelle und heiße Leichtgewichte

Die Dunkle-Materie-Teilchen bildeten sich demnach direkt nach dem Urknall, als das Universum sich ausdehnte und abzukühlen begann. Doch wie lief diese Entstehung im Detail ab? „Dunkle Materie begann ihre Existenz als nahezu masselose, mit relativistischer Geschwindigkeit umherrasende Teilchen – fast wie die Photonen des Lichts“, erläutert Caldwell.

„Das ist den gängigen Vorstellungen zur Dunklen Materie völlig entgegengesetzt: Sie sind kalte, schwere ‚Klumpen‘, die Galaxien ihre Masse verleihen.“ Die Theorie von Liang und Caldwell versucht dagegen zu erklären, wie aus den leichten, heißen Urteilchen die kalte, massereiche Dunkle Materie hervorgehen konnte.

Erste Sekundenbruchteile des frühen Kosmos waren entscheidend

Ihrer Theorie zufolge begann die Entwicklung der Dunklen Materie in den ersten Sekundenbruchteilen des frühen Kosmos vor 13,7 Milliarden Jahren. Dort verhielten sich die primordialen Fermionen zunächst wie alle anderen Vorgänger der im Standardmodell enthaltenen Teilchen. Doch dann fingen die Fermionen miteinander zu kollidieren und bildeten Paare.

  • Zur Info: Fermionen sind Materieteilchen, also die Teilchen aus denen Materie besteht wie etwa Elektronen oder Quarks.

Diese Paare veränderten das Verhalten der ursprünglichen Teilchen grundlegend. Bei der weiteren Abkühlung des Universums durchliefen sie einen Phasenübergang, der sie kalt und massereich machte. Aus den schnellen, heißen Teilchenpaaren entstanden so Klumpen neuer, massereicherer und kalter Teilchen, die durch diesen Phasenübergang zu Teilchen der Dunklen Materie wurden.

Abrupter Abfall der Energie

Tatsächlich sind die Physiker nicht die ersten, die von einer solchen Paarbildung mit anschließender Bildung neuartiger Teilchen im frühen Universum ausgehen. Nach einem früheren Modell entstanden nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren durch einen ähnlichen Prozess alle Grundbausteine der Materie wie Protonen, Neutronen und Mesonen (subatomare instabile Teilchen). Auch sie kondensierten aus nahezu masselosen Teilchenpaaren der kosmischen Ursuppe, als die Temperatur und Dichte des Universums rapide sank.

„Dieser plötzliche Energieabfall bildet die Brücke zwischen den Teilchen hoher Dichte und Energie am Anfang des Universums und den ‚klumpigen‘ Teilchen weit niedriger Energie“, fährt Liang fort. Die Dunkle Materie ist ihrer Theorie zufolge das Resultat eines solchen Kondensationsprozesses.

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Erstellt:
20. Mai 2025, 16:04 Uhr
Aktualisiert:
20. Mai 2025, 17:10 Uhr

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