Unwetter im Sommer
Wie entsteht Hagel?
In Sipplingen am Bodensee türmte sich der Hagel zum Start in den Juli einen halben Meter hoch. Das Wetterphänomen kam durch „Eis-Embryos“ und Aufwinde zustande.

© Feuerwehr Sipplingen
Die Räumarbeiten dauerten Stunden lang an.
Von Michael Maier
Ein halber Meter Hagel mitten im Sommer? Was in Sipplingen am Bodensee geschehen ist, klingt unglaublich, ist aber nur ein Beispiel für die potenzielle Kraft der Natur. Doch wie entsteht Hagel eigentlich, und warum können die Eiskörner manchmal so groß werden?
Hagel ist eine Form von festem Niederschlag, der sich unter ganz bestimmten Bedingungen in Gewitterwolken bildet. Im Gegensatz zu Graupel, der kleiner ist und sich anders bildet, besteht Hagel aus Eiskugeln oder -klumpen mit einem Durchmesser von mindestens 0,5 Zentimetern.
„Großhagel“ und Rekorde
Hagel mit einem Durchmesser von 2 Zoll (5,08 cm) oder mehr wird als „Großhagel“ oder Starkhagel bezeichnet und hat hohes Schadenspotenzial. Das bisher größte Hagelkorn Europas hatte laut Deutschlandfunk Nova einen Durchmesser von 19 Zentimeter und wurde im Juli 2023 in Norditalien dokumentiert. Ein Hagelkorn mit 10 Zentimeter Durchmesser wurde nach Feuerwehrangaben bei einem Unwetter in München 1984 gefunden.
Der Prozess der Hagelbildung ist komplex und findet hauptsächlich in mächtigen Gewitterwolken, sogenannten Cumulonimbus-Wolken, statt. Dabei gibt es mehrere Schritte.
Hagelbildung am Bodensee (Sipplingen)
- Starke Aufwinde: Alles beginnt mit kräftigen Aufwinden innerhalb der Gewitterwolke. Diese Aufwinde transportieren feuchte, warme Luft und Wassertröpfchen rasch in größere Höhen, wo die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt liegen.
- Gefrieren des Kerns: In diesen kalten Höhen gefrieren die Wassertröpfchen zu kleinen Eiskristallen oder „Eis-Embryos“. Dies sind die „Keimzellen“ der späteren Hagelkörner.
- Wachstum durch Anlagerung: Die jungen Eiskörner werden nun in der Wolke durch die turbulenten Auf- und Abwinde immer wieder auf- und abwärts bewegt. Auf ihrer Reise kollidieren sie mit unterkühlten Wassertröpfchen – das sind Wassertropfen, die trotz Temperaturen unter null Grad Celsius noch flüssig sind. Beim Kontakt mit dem Eiskorn gefrieren diese Tröpfchen sofort an dessen Oberfläche.
- Zwiebelschalenprinzip: Dieser Anlagerungsprozess wiederholt sich immer wieder. Das Hagelkorn wächst Schicht für Schicht an, ähnlich den Ringen einer Zwiebel, was man oft sehen kann, wenn man ein großes Hagelkorn aufschneidet.
- Die klimatischen Bedingungen direkt am Bodensee können Aufwinde begünstigen – und somit auch die Hagelbildung.
Das Hagelkorn wächst so lange, bis es zu schwer wird, um von den Aufwinden in der Wolke gehalten zu werden. Dann fällt es als Hagel zur Erde. Die Größe des Hagelkorns hängt dabei maßgeblich von der Stärke der Aufwinde und der Verweildauer in der Wolke ab – je stärker die Aufwinde, desto größer kann der Hagel werden.
Extremhagel in Sipplingen
Ein besonders heftiges Beispiel für die Auswirkungen von Hagel lieferte das Unwetter in Sipplingen am Bodensee am Dienstag, 1. Juli 2025. Zum Start in den Juli 2025, gegen 11.07 Uhr, verdunkelte sich der Himmel über dem Bodensee, und es begann aus allen Rohren zu hageln.
Die Hagelkörner erreichten in Sipplingen meist eine Größe von zwei Zentimetern, einige sogar beachtliche vier bis fünf Zentimeter. Was folgte, war für die Bewohner allerdings ein „kleiner Weltuntergang“, wie Magdalini Kehl von der Ortsverwaltung beschrieb.
„Wintergefühle“ durch Hagel in Sipplingen
Eiswassermassen rauschten die Straßen hinunter, und auf Teilen der alten Bundesstraße türmte sich der Hagel in Senken bis zu einem halben Meter hoch. Dies führte zu erheblichen Verkehrsbehinderungen und erforderte den Einsatz der Feuerwehr, die Wasser aus 14 betroffenen Kellern abpumpen musste. Die Blätter an Bäumen waren nach dem nur etwa halbstündigen Spuk regelrecht durchlöchert.
Obwohl sich die Schäden nach einer ersten Einschätzung in Grenzen hielten und die Eismassen schnell wegschmolzen, zeigte das Ereignis in Sipplingen, welche verheerende Kraft Hagel entwickeln kann, selbst wenn er lokal begrenzt auftritt.

© Feuerwehr Sipplingen
Die Feuerwehr war in Sipplingen am Dienstag wegen eines Unwetters gefordert.

© Feuerwehr Sipplingen
Ein halber Meter Hagel lag im Ort.

© Feuerwehr Sipplingen
Der Hagel wurde Tonnenweise weggeschafft.

© Feuerwehr Sipplingen
Winterstimmung in der Ortsmitte von Sipplingen.

© Feuerwehr Sipplingen
Zudem fiel auch jede Menge Regen.

© Feuerwehr Sipplingen
Der Ort wurde regelrecht geflutet.