„Wie im Wilden Westen“

Bedrohungsszenarien und ein Spielhallenüberfall in Murrhardt beschäftigen die Bürger und den Gemeinderat

„Wie im Wilden Westen“

© Goss Vitalij - stock.adobe.com

Von Christine Schick

MURRHARDT. Noch weiß man nur um die ungewöhnlichen, drastischen Vorfälle in Murrhardt an sich: Wie die Polizei berichtete, haben Jugendliche in der Nacht zum Samstag zwei Passanten mit einer Pistole bedroht, um die Herausgabe von Wertsachen zu erwirken. Mitte der Woche gab es dann einen Überfall auf eine Spielhalle, bei der ebenfalls eine Pistole als Druckmittel eingesetzt wurde (wir berichteten). Auch im Murrhardter Gemeinderat wurde das Thema nun angeschnitten.

Rolf Kirschbaum war es, der sich zum Ende der Sitzung am Donnerstagabend unter dem Punkt Anfragen in der Sache erkundigte. Man habe bei den aktuellen Vorfällen den Eindruck, dass es „in Murrhardt zurzeit wie im Wilden Westen“ zugehe. In den sozialen Medien schlage das Thema nach seinen Beobachtungen entsprechend hohe Wellen. Der CDU-FWV-Stadtrat erinnerte sich an den Besuch von Polizeipostenleiter Andreas Fischer vor nicht allzu langer Zeit und seine Vorstellung der Kriminalstatistik. Diese habe eigentlich nicht den Schluss nahegelegt, dass Murrhardt bei Straftaten ein ungewöhnlich heißes Pflaster sei. Nun stelle sich aber für ihn die Frage, ob man aufgrund der Vorkommnisse das Gespräch mit Andreas Fischer suchen solle, um auf die Lage zu reagieren. Möglicherweise könne man etwas verbessern, wobei der Stadtrat eine Verstärkung des Postens ansprach. Bürgermeister Armin Mößner sagte, dass eine Verstärkung des Postens zwar wünschenswert sei, betonte aber genauso, dass man im Grunde froh darum sei, in Murrhardt den Stützpunkt in dieser Form noch zu haben. Mößner kündigte an, sich mit Andreas Fischer zu treffen und sich informieren zu lassen. Allerdings stellte er mit Blick auf die unbekannten Täter fest, dass man auch nicht in die Menschen hineinschauen könne. Salopp gesagt wirke es auf ihn so, dass da ein paar nicht mehr zurechnungsfähige Leute unterwegs gewesen seien, die man nun schlichtweg finden müsse.

Auf Nachfrage im Anschluss an die Sitzung unterstrich der Bürgermeister nochmals, dass es ihm nun darum gehe, erst mal umfassend vom Polizeipostenleiter informiert zu werden. Da im Polizeibericht mehrere Jugendliche als Täter – mal zwei (Wallstraße), mal drei Personen (Schippertstraße) – genannt wurden, stellt sich die Frage, ob sich in der Stadt möglicherweise in Hinsicht auf Probleme mit jungen Menschen in irgendeiner Form etwas zusammengebraut haben könnte. Doch von Schwierigkeiten mit Gruppen oder Cliquen ist Armin Mößner nichts bekannt.

Allerdings muss man auch feststellen, dass sich bei denen, die in der Sache näher dran sind beziehungsweise waren, zurzeit nicht nachfragen lässt. Die Sozialarbeiterstelle im Jugendzentrum Murrhardt ist seit Mitte April nicht besetzt, da die hauptamtliche Mitarbeiterin Nicole Martin selbst Nachwuchs erwartete und in Mutterschutz ist. Auch Streetwork sowie kirchliche Jugendarbeit sind im Moment nicht möglich, da das Projekt Brückenschlag, das Stadt, evangelische Kirche und die Paulinenpflege Winnenden gemeinsam betreuen, noch nach einer Besetzung sucht. Nachdem Sozialarbeiterin Tatjana Riekert im Herbst 2017 die Nachfolge von Holger Mangold antrat, ist die Stelle nun seit Oktober 2018 wieder vakant. Bürgermeister Mößner bedauert dies, geht aber davon aus, dass die Paulinenpflege Winnenden sich intensiv bemüht. Bei der Stelle im Jugendzentrum schätzt er die Suche auch deshalb als nicht ganz einfach ein, weil es sich um eine Elternzeitvertretung und vom Träger her um einen Verein handelt, sprich ein selbstverwaltetes Haus, wenn die Stadt auch die Stelle finanziert.

Letztlich ist es immer ein Balanceakt, die Vorkommnisse ernst zu nehmen, ohne zu überreagieren. In einem ähnlichen Spannungsfeld bewegt sich vermutlich Bürgermeister Mößner, wenn er sagt, keine Ad-hoc-Reaktion oder Maßnahmen parat zu haben. Er lässt durchblicken, dass er über eine Diskussion um eine Bürgerwehr nicht begeistert wäre. Die Citystreife wurde vor rund anderthalb Jahren eingestellt, am Wochenende sei teils der städtische Vollzugsdienst in Murrhardt unterwegs. Eine 100-prozentige Sicherheit gebe es allerdings nicht, wenn man keinen Überwachungsstaat wolle. „Überall Videokameras zu installieren, ist einer freiheitlichen Gesellschaft nicht würdig“, sagt Mößner.

Auf Nachfrage bei der Pressestelle des Polizeipräsidiums Aalen zum aktuellen Stand der Ermittlungen lässt Robert Kreidler wissen, dass die Frage, ob die Jugendlichen beim Bedrohen der Passanten eine echte Pistole benutzt haben, weiterhin Gegenstand der Ermittlungen sei. Solange keine Täter gefasst sind, werde dies aber nicht abschließend zu beantworten sein. „Was man zum jetzigen Zeitpunkt schon sagen kann, ist, dass es sich nicht um eine offensichtliche Spielzeugwaffe beispielsweise aus Plastik gehandelt hat.“ Auch die Frage, ob der Überfall aufs Spielcasino und die Bedrohungsszenarien zusammenhängen, werde noch geprüft.

Keinem ist zu wünschen, dass er jemals in die Lage kommt, mit einer Pistole bedroht zu werden. Sollte dies dennoch passieren, welches Verhalten empfiehlt die Polizei in solch einem Fall? „Grundsätzlich raten wir immer, sich nicht selbst in zusätzliche Gefahr zu begeben, nicht ,den Helden zu spielen‘. Auf die Forderungen der Täter sollte eingegangen werden. Zudem ist wichtig, zeitnah nach dem Vorfall den Notruf abzusetzen, um dann eine Täterbeschreibung und Fluchtrichtung durchzugeben; wenn möglich, Passanten auf die Situation aufmerksam zu machen und um Hilfe zu bitten. Dies gilt natürlich gerade, wenn man sich in einer Schocksituation befindet und selbst nicht oder nur eingeschränkt handlungsfähig ist“, sagt Robert Kreidler. Er betont aber auch, dass diese Hinweise nicht abschließend und nicht auf jede Situation anwendbar sind – jeder Fall sei unterschiedlich und insofern ließe sich nie eine pauschale Aussage treffen.

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Erstellt:
16. November 2019, 06:00 Uhr

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